Beardfish - Sleeping In Traffic: Part II




Stil (Spielzeit): Progressive Rock (74:20)
Label/Vertrieb (VÖ): InsideOut/SPV (16.05.08)
Bewertung: 8,5/10
Link: http://www.myspace.com/beardfishband
Was benötigt man, um einen langen Abend jenseits der TV-Mittelmäßigkeit und bei akuter Unlust auf Bücher bestreiten zu können? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Man nehme eine etwas mehr als 74-minütige CD von vier schwedischen Ausnahmemusikern, die man sich wahlweise laut und konzentriert über die Stereoanlage oder (noch besser) unterm Kopfhörer anhört, und schon ist man unterwegs auf einer ungemein spannenden Reise durch ein Retro Prog-Universum, das einen sofortigen Druck auf die Repeat-Tase erzwingt.

Es ist faszinierend, wie viele verschiedene Ideen BEARDFISH auf ihrem vierten Album zusammenführen. Das Grundgerüst besteht aus Progressive Rock, der mit einer gehörigen Portion Humor, einem interessanten Textkonzept (es geht um 24 Stunden im Leben eines Mannes; „Part Two“ behandelt die Nacht, während der Vorgänger den Tag zum musikalischen Leben erweckte) und stilfremden Passagen angereichert ist und wahres Feuerwerk an vielschichtigen Melodien explodieren lässt. Fette Orgelsounds und Keyboards, verspielte Gitarren, sehr dynamische und tighte Drums, melodische Basslinien, abwechslungsreiche Vocals (Rikard Sjöblom kommt mit so ziemlich jeder Stimmlage klar) und die komplexen, aber immer nachvollziehbaren und schlüssigen Songs wissen ohne Ausnahme zu gefallen. Leise Passagen wie zu Beginn von „The Downward Spiral / Chimay“ treffen auf virtuose Keyboard- und Gitarren-Eruptionen, und die Songs sind mit so zahlreichen Details versehen, dass man teilweise gar nicht mehr aus dem Staunen herauskommt. Bei jedem Hördurchgang bekommt man ein neues Aha-Erlebnis geboten.
Dies alles wurde mit einer sehr homogenen, klaren, detailverliebten und warmen Produktion versehen, die in heutiger Zeit leider eine Seltenheit darstellt. Alle Instrumente sind gleichberechtigt nebeneinander gemischt, was für ein sehr lebendiges Klangbild sorgt.

Nachdem man sich in die Kompositionen hinein gehört hat möchte man sie kaum mehr missen. BEARDFISH zitieren farbenfroh aus der Prog Rock-Geschichte; im 35-minütigen, unglaublich versierten Titeltrack lugen sogar die BEE GEES mit „Stayin’ Alive“ um die Ecke.
Der Humor der Band dürfte Geschmackssache sein, ich persönlich halte die augenzwinkernden Texte für ein großes Plus, selbst wenn „South Of The Border“ für mich anfangs stark an der Grenze zur Albernheit kratzte (was sich aber wieder gegeben hat).

Für BEARDFISH-Anhänger ist dieses Teil eh Pflicht, und auch SPOCK’S BEARD-Hörer, denen ihre Faves auf den Alben ohne Neal Morse etwas zu hart oder straight geworden sind, sollten sich „Sleeping In Traffic: Part Two“ unbedingt in den CD-Schrank stellen. Ach was, eigentlich müsste jeder, der etwas mit Seventies-mäßigem Prog Rock anfangen kann, bei diesem Album zugreifen. Etwas Besseres kann einem in diesem Bereich in der nächsten Zeit nämlich kaum passieren.