Taproot - Plead The Fifth



Stil (Spielzeit):
Hardrock/Alternative (40:17)
Label/Vertrieb (VÖ): Victory Records/ Velvet Hammer (11.05.10)
Bewertung: 8/10

Link: Myspace

Erschreckend war für mich, dass ich, während ich das erste Mal das fünfte Studioalbum "Plead The Fifth" von TAPROOT hörte, im Netz nur auf negative Kritiken amerikanischer Rezensenten stieß. Zu viel Einfallslosigkeit, gedeckt durch harte Klänge und fette Produktion. Mittelmaß. Klingt nicht nach der vierköpfigen Band aus Ann Abour. Was aber schnell klar wird, ist die direkte Fahrt hinein in eine deutlich düstere Stimmung, als auf allen bisherigen Platten, inklusive "Gift". Wenn man sich entsinnt, war dies laut vieler Fans der ersten Stunde einer der größten Klangverluste der Band. Sehen/hören wir, was da dran ist.

"Now Rise" eröffnet die Platte mit einem derartig heftigen Tritt ins Gesicht, dass Ohren und Hirn erstmal auf Durchzug schalten, bis sie dann über eine beklemmende Strophe in einem sich entladenen Sturmrefrain zerrissen werden. "On your feet now rise!" zerfetzt sich Stephen Richards gellend sein Organ, während die Gitarren auf einer Dropped-A-Stimmung wie ein startender Rasenmäher losröhren.

Auch der darauf folgende Song "Game Over" schmettert dem Hörer eines der heftigsten Riffs entgegen, die TAPROOT jemals geschrieben haben. Derbe auf 's Schnitzel gibt's dann auch weiter in der Strophe, die einen sehr an ältere DEFTONES-Ausbrüche à la "Around The Fur" erinnern. Gefolgt von einem tonal recht verwirrenden aber trotzdem schönen Refrain, macht der Song taproottypisch erst nach ein paar Durchläufen Spaß, dann aber richtig.

Weiter geht's mit der Vorabsingle "Fractured (Everything I Said Was True)", die deutlich offenbart, dass das Quartett aus Michigan immernoch große Reißer wie "Calling" oder "Poem" schreiben kann. Besonders das Intro erinnert stark an "Blue-Sky Research"-Zeiten. Auch Folgenummer "Release Me" knüpft mit mehr Sofortverträglichkeit an, beklemmende Stimmung hier, toller offener Refrain da. Ganz schick, aber nicht die stärkste Nummer der Platte.

In der Albummitte tummelt sich der bandinterne Lieblingstrack "Stolage", wie Richards in einem Interview preisgab. Was den Song wirklich besonders macht, ist das Tempo durch den Fulltimebeat, als auch das geile, (fast schon) rock'n'rollige Riff. Leider kränkelt er insgesamt an der Strukturierung, was die Nummer nicht zu den besten Tracks der Platte macht, aber definitiv zum Mähneschütteln einlädt. "Words Don't Mean A Thing" könnte mit Leichtigkeit der Titelsong zu einem amerikanischen Vampir-Teenie-Roadmovie werden.

Mit "911ost" entstand hier ohne Zweifel eine weitere Single für die große Hörerschaft, Hand drauf, der tolle Song wird ausgekoppelt. Einer meiner Favoriten. Mit "Trophy Wifi" und "Left Behind" donnern weitere gute TAPROOT-Nummern durch die Boxen, welche durch  Reißerrefrains, leicht schräge Melodien, zarte Momente und schweineschwere Riffs glänzen. Allgemein herrscht, was den Gesamtmix von "Plead The Fifth" angeht, volle Bratenstimmung, die mehr als einmal an ältere SLIPKNOT- und A DAY TO REMEMBER-Alben erinnern. Liegt zum einen sicherlich an dem Bandwunsch, eine wirklich düstere Platte zu schreiben, zum anderen aber auch an der Zusammenarbeit mit dem neuen Label VICTORY RECORDS.

Auch lyrisch geht wieder richtig viel bei TAPROOT, was zugegebenermaßen schon immer zu ihren Stärken gehörte. "Nothing can save us until we've been left behind one more time [...]" singt Richards gesellschaftskritisch in "Left Behind", ehrlich und selbstkritisch weiter mit "I found no religion, but still have faith, I made some decisions, but I'm following my fate, I'm not so indifferent [...]" in "No View Is True", welcher schnell zu einem weiteren Favoriten heranwächst.

Brachiales Ende bildet der Song "Stares", der mit schwerem Drive und zerrig hohen Gitarrenwänden ebenfalls ein Überraschungstrack von TAPROOT ist. Vor allem der Refrain spannt den Hörer auf die Folter, um ihn dann in einem Meer aus Melodie zu entlassen. Im Mittelteil wütet dann nochmal ein Shoutingtornado los, wonach die Nummer ein wirklich gelungenes Ende für das Album findet.

Wie am Anfang erwähnt, ist "Plead The Fifth" keine Sommerrockscheibe wie "Blue-Sky Research", weder besonders poppig, noch belebt es das gewünschte Nu-Metal-Gerne mit einem "Gift"-Ableger wieder. Eher loten TAPROOT ihr Härtefundament nach den letzten recht progressiven Platten neu aus. Deswegen würde ich "Plead The Fifth" eher neben "Welcome" sehen: experimentell, nicht leicht verdaubar, und ein würdiger Hybride aus Hardrock, Alternative und einem Spritzer Hardcore.