Geschrieben von Sonntag, 01 April 2012 16:56

Sind Coversongs immer ein "Chapeau" für den Künstler?

cover 4020102672009

Wie ist das eigentlich mit diesen Coversongs? Kleine Bands nutzen Sie, um sich Gehör zu verschaffen, um auf der Welle des Wiedererkennungswerts mitzuschwimmen oder ihren Stars zu huldigen. Aber selbst ganz Große wie METALLICA, AMON AMARTH oder KORN machen nicht davor Halt, sich an den Hits von anderen zu vergreifen und ihr eigenes Ding daraus zu machen. Manchmal gelingt das, manchmal eher weniger. Wenn es gut gelingt, dann gilt es im besten Fall als Huldigung. Und wenn nicht, also im schlimmsten Fall, dann als Beleidigung oder "gut gemeint und schlecht gemacht". Ich möchte meine „Best Of The Rest" und meine „Top Of Schlechteste Coversong Ever" vorstellen. Da dieses Thema schier unerschöpflich ist, handelt es sich hierbei um Teil eins:

Ich habe bewusst das Bild der Band TRIBUTE gewählt, da es sich bei den herkömmlichen "A Tribute To..." CDs ja eigentlich auch um nichts anderes als Coversammlungen von verschiedenen Künstlern handelt, bezogen auf einen bestimmten Künstler oder Band. Um positive Einstimmung bemüht, fange ich mal mit einem guten Cover an.

Die Briten von PLACEBO knöpften sich „Running Up That Hill" von der großartigen, unerreichten KATE BUSH vor. KATE BUSH ist eine der schillerndsten, ungewöhnlichsten Stimme im Musikgeschäft und aus meiner Sicht sehr schwer zu covern. Der Song hat schon einen fast hypnotischen Beat und lebt trotzdem zum größten Teil vom Gesang. KATE BUSH wurde vom Gitarristen von PINK FLOYD entdeckt und macht auch heute noch Musik, trotzdem hat sie etwas von ihrer Sperrigkeit verloren und auch die Fähigkeit, schöne Melodien zu schreiben, ist leider nicht mehr so unnachahmbar wie zu den Zeiten von „Running Up That Hill".

Brian Molko von PLACEBO und KATE BUSH haben vor allem gemeinsam, dass beide über eine außergewöhnliche Stimme verfügen. Brian Molko gehört zu der Marke „Mag ich oder hasse ich", irgendwas dazwischen gibt es bei ihm eher selten, und KATE BUSH scheint diese Marke erfunden zu haben. Gerade deshalb ist er meiner Meinung nach der richtige Mann für dieses Cover gewesen, denn er schafft es fast problemlos, die Verletzlichkeit und die Hoffnung aus den Lyrics zu vermitteln und hat den Song fast noch schöner als das Original gemacht. Selten sind zwei Künstler in einem Song so verschmolzen, denn diese Version klingt wirklich wie eine KATEPLACEBOBUSH Version. Ein vorbildliches, aufrichtiges Cover: 



Weiter geht es mit einem nicht so guten Cover, das Adjektiv „schlecht" kommt mir im Zusammenhang mit QUEENS OF THE STONE AGE gar nicht über die Lippen bzw. per Tasten auf den Bildschirm. TURBONEGRO haben diesen wundervollen Song namens „Back To Dungaree High" geschrieben, der wirklich grandios ist und über die Jahre auch nicht ein klitzekleines Fünkchen an Feuer verloren hat. Was sich aber Josh Homme da zusammenstammelt, flüstert und einfach stümperhaft zusammenrumpelt, das ist einfach unglaublich. Besonders, weil jeder Song von QUEENS OF THE STONE AGE unter Drogeneinfluss mit 6,8 Prozent, gehört durch ein Glas an der Nachbarwand und aktivem Tinnitus noch besser klingt.



Also schnell vergessen und ganz tief unten in die Schublade damit, und weiter mit einem kuriosen, aber trotzdem richtig guten Cover. Es geht um einen Song von JUDAS PRIEST, und wenn mal jemand im Metalbereich eine außergewöhnliche Stimme hat, dann ist es (außer Dani Filth) der mächtige Rob Halford, der mit „Painkiller" das meiner Meinung nach beste Metalalbum aller Zeiten eingesungen hat. Ich liebe dieses Album, ich liebe den Song „Painkiller" und ich liebe diese Drums, ein unglaubliches Stück Metal mit einem sauhässlichen Cover.

Wie man ja weiß, bewegen sich Death Metal Bands eigentlich eher im unteren Tonbereich, doch die Band DEATH zieht einfach mal so den „Painkiller" als Cover aus dem Ärmel und hat es verdammt gut gemacht. Die Stimme von Chuck Schuldiner hat aber zu diesem Zeitpunkt aber auch wirklich gepasst wie die Faust auf's Auge, vor „The Sound Of Perseverance" sang er ja noch um einiges tiefer. Ein weiterer Beweis dafür, dass bei JUDAS PRIEST einfach für jeden was dabei und diese Band purer Metal ist, nicht in Sparten einzuteilen. Ich bin mir sicher, dass jede Nachwuchsband mindestens einmal „Breaking The Law" von JUDAS PRIEST gezockt hat, sicher einer der meist gecoverten Songs überhaupt. „Painkiller" ist da doch etwas anspruchsvoller instrumentiert.



Wieder Zeit für ein schlechtes Cover. NIRVANA haben den Metal damals ordentlich durcheinander gebracht mit ihrem Grunge. Sie gaben eine neue Alternative vor und waren prägend für viele Musikstile. Noch heute kann ich mich genau an den Todestag von Kurt Cobain erinnern, und jedes Jahr am 5.4. denke ich an ihn. NIRVANA, PEARL JAM, SOUNDGARDEN und Co. gaben gerade pubertierenden Mädchen eine Alternative, sich grob abzureagieren und trotzdem gefühlsbetont zu sein.

Es gibt einfach Bands und vor allem Songs, von denen sollte man einfach die Finger lassen. Klar fanden wir alle NIRVANA toll, aber kann man sich das nicht einfach daheim im stillen Kämmerchen denken und muss man als Künstler gleich zur Klampfe greifen und jeden mit seiner sentimentalen Huldigung nerven, die sowieso nie an das Original herankommt? TORI AMOS dachte wohl „ja", und auch wenn ich weiß, dass viele das anders sehen, dieses Cover ist für mich schon fast eine Beleidigung. Vor allem frage ich mich bei dieser Interpretation, ob sie den Text wirklich so anders verstanden haben kann, als ich.... vor allem dieses „Yeah" mit dem Schnaufer am Ende und dieses Overacting, als ob sie gleich über dem Klavier zusammenbricht. Ich find's komisch irgendwie... Meine Meinung zur Künstlerin hat sich damals geändert, dabei fand ich bis „Boys For Pele" TORI AMOS richtig gut, und wenn sie das tut, was sie kann („Schuster bleib bei deinen Leisten"), dann ist das heute noch immer beeindruckend:



Die finnischen Metaller von WALTARI haben es mit ihrem Cover geschafft, mich restlos zu begeistern. Von daher steht deren Version von „A Forest" auf einer Stufe mit dem Original von meinem heißgeliebten Namensvetter von THE CURE. Die Finnen wieder mal! WALTARI rumpeln sich mit Spaß und Energie durch den Song und machen aus dem depressiven Glanzstück eine tanzbare Rocknummer, einfach grandios. WALTARI ist sowieso eine tolle Band, von der ich gerne mal wieder was hören würde. Für Finnen ist ein dunkler Wald anscheinend nicht zwingend etwas Grauen einflößendes, von daher trällern sie sich eher heiter durch das Stück und kehren die Stimmung schon fast so um, dass es einem ganz normal vorkommt.



Wo Licht ist, da ist auch Schatten, und beim nächsten Song kann ich vor lauter Schatten nichts sehen... und nichts fühlen... aber leider sehr viel hören. DAVID GARRETT ist ein toller Geiger, meine Güte, was der geigen kann, wie schnell und wie viele Töne der aus dem Kasten in kürzester Zeit rauszaubert. Unglaublich und dafür ganz viel Respekt von mir. Lange Haare hat er auch noch und die Mädchen rennen ihm in Scharen hinterher, und sicherlich ist er nebenbei auch noch extrem reich. Lieber David, das reicht doch oder?

Musik ist genreübergreifend, ja das stimmt. Aber bitte, METALLICA auf der Geige? Das ist nicht schön. Und dann schnappt er sich auch noch das geilste Lied überhaupt, „Master Of Puppets". Ja verdammt, er hat es gut gespielt, aber das war es dann leider auch gewesen. Es gibt einfach gewisse Emotionen, die sind mit gewissen Instrumenten, Charakteren und Atmosphären verbunden, und „Master Of Puppets" gehört nicht auf der Geige gespielt. Ich kriege da wirklich das Grauen – ganz, ganz schlimm. Ich will nicht, dass verknöcherte Klassikliebhaber „unser" Lied so hören... Der Typ mit der Gitarre, der holt es bei dem folgenden Video wieder raus, danke Mann!



Dass Beth Ditto aktuell DIE beste Stimme im Punk Rock Dance Wasweißichwas-Bereich hat, steht für mich felsenfest. Die Lady kann alles singen, aber ihre Interpretation von „What's Love Got To Do With It?" ist einfach umwerfend. Es gibt nicht Schöneres, als wenn junge Künstler sich die guten Songs der alten Stars schnappen und einfach mal zeigen, wie geil die Lieder im neuen Gewand sind. Beth Ditto hat diesen Song bei Rock am Ring damals ohne Vorwarnung gesungen, und dreimal darf man raten, warum jeder diesen verdammten Song sofort mitsingen konnte? Weil TINA TURNER eben auch Bombe ist und derbe rockt!

Ich habe GOSSIP (damals noch THE GOSSIP) zum ersten Mal 2006 mit „Standing In The Way Of Control" bei der Sarah Kuttner Show gesehen. Beth trug damals ein Tiger- oder Leopardenoutfit, auf jeden Fall irgendwas mit Wildmotiv, und ging ab, dass es schon nicht mehr feierlich war. Das Outfit war Programm, denn Beth hat sich die verdammte Ungerechtigkeit (um die es in dem Song geht) von der Seele gebrüllt und mich mit ihren Moves genau an TINA TURNER erinnert. Respekt für diese geile Cover, welches trotzdem noch alle Trademarks von GOSSIP zeigt. Ich kann mich erinnern, dass Heike Makatsch in dieser Show zu Gast war und nach dem Auftritt gefragt wurde, ob sie denn auch mal gerne Musikfernsehen kuckt. Ihre Antwort war: „Wenn da öfter so was wie die eben kommen würde, dann würde ich das tun". Eine tolle Entwicklung, dass GOSSIP heute sogar im Radio gespielt werden.  

Ausnahmsweise geht auch mal ein „Dankeschön" an Rick Rubin, der GOSSIP auf den richtigen Weg half. Genial war die Truppe schon immer, sie aber so kompakt aufzustellen, komplett auf die Stärken zu reduzieren und somit dem großen Publikum zugänglich zu machen, das war schon zu großen Teilen sein Verdienst. Und ich denke, wenn man sich mal keine Angst um Größenwahnsinn machen muss, dann bei GOSSIP. Die können den Erfolg gut ab.



Dass das Motto „Schnapp dir einen Song von einem alten Star" leider nicht immer funktioniert, zeigte uns MADONNA mit ihrer Version von „American Pie". Don Mc Lean hat einen ehrlichen, warmen und ergreifenden Song mit wunderschön schwermütigen Lyrics geschrieben, und was macht die selbsternannte Queen Of Pop daraus? Ich kann es kaum in Worte fassen, aber dieses Table Dance Gepose vor der amerikanischen Flagge und das Einblenden von depressiven Amerikanern, das hat mit meinem Eindruck von „American Pie" nichts zu tun. Ich frage mich in solchen Momenten, warum Stars wie MADONNA so etwas tun? Angeblich revolutionieren sie die ganze Musikwelt und sind die Einzigen, die es geschnallt haben, und dann covern sie so unsagbar schlecht, um noch mehr Nullen auf das Konto zu scheffeln. Ist mir unverständlich...

Und wie kann man dann auch noch singen „...The day the music died?" Gerade die Bedeutung der Lyrics wurde niemals richtig geklärt, deshalb hätte ich als Künstler lieber die Finger davon gelassen, statt dem armen DonMclean meine Version überzustülpen. Deshalb stelle ich hier auch das Original ein, das Cover hängt uns sicher noch allen zu den Ohren raus. Und - ja - das Original geht so lang: 



Das absolut beste Cover kommt von HELGE SCHNEIDER – auch einer, der es gar nicht nötig hat, die Noten von anderen nachzuspielen. Einer wie HELGE kann aber auch gar nicht anders, als sein eigenes Ding aus dem Song "Round Midnight" von THELONIOUS MONK zu machen. Ich bin sowieso der festen Überzeugung, dass HELGE SCHNEIDER, genauer sein virtuoses Klavierspiel, die Reinkarnation von THELONIOUS MONK sein muss... nur ist MONK erst gestorben, als SCHNEIDER schon gelebt hat, aber egal... "Brüder im Geiste" dann eben.

Um nicht in absolute Unwürde zu fallen, da man beim Loben von HELGE SCHNEIDER sowieso nur untertreiben kann, hier einfach das Video, welches noch mindestens 100 Mal in anderen Versionen von ihm mindestens genauso gut gespielt wurde. HELGE ist einfach der (mein) Held und fertig! Außerdem hat HELGE SCHNEIDER auch die besten Cover von "Mood Indigo", "Georgia On My Mind", "Sunny", "Fly Me To The Moon", "Stairway To Heaven", "Take The A-Train", "Nice Work If You Can Get It", "Sexmachine" und "Highway To Hell" gemacht. In Bezug auf HELGE SCHNEIDER gilt übrigens in den Comedykreisen des TV-Geklüngels das ungeschriebene Gesetz: "HELGE wird nicht nachgemacht!" Schon mal gemerkt ;-)...? Wenigstens einer, der auf jeden Fall unkopiert bleibt.




Ein schöner, entspannter, musikalischer Ausgang... Danke für alle, die Teil 1 bis hier unten gehört und gelesen haben. Teil 2 folgt!

Artikel dazu