Geschrieben von Donnerstag, 01 Oktober 2009 11:01

That's live: Meine wichtigsten Konzertmitschnitte - Teil eins

Man kann sich vortrefflich über Live-CDs streiten, ich persönlich sehe sie zum größten Teil als essentiellen Teil einer Band-Diskografie. Sie transportieren im günstigsten Fall die Konzertenergie ins Wohnzimmer und können eine Best Of-Compilation ersetzen.


Ich möchte gerne einige Livealben vorstellen, die mir persönlich wichtig sind und für mich eine Ausnahmestellung besitzen – rein und absolut subjektiv, versteht sich. Eine Platzierung habe ich nicht vorgenommen; bis auf die METALLICA- und BÖHSE ONKELZ-CD wechseln meine Faves ständig, so dass eine Bestenliste keinen Sinn machen würde.


Metallica – Live Shit: Binge & Purge (Boxset)
Das beste, fetteste und vollkommenste Live-Dokument aller Zeiten. Ursprünglich 1993 als opulente Box mit drei Videocassetten, drei CDs, einem Begleitbuch und Sprühschablone in einer Bühnenkoffer-Nachbildung erschienen, wurde zehn Jahre später eine DVD-Version veröffentlicht – leider ohne das Buch, das es nur digital auf einer der DVDs gibt.

Anyway, die drei 1993 in Mexico City aufgenommenen CDs sind mit Ausnahme des "S&M"-Projekts die bisher einzigen, offiziell auf CD erschienenen Liveaufnahmen (B-Seiten von Singles oder EPs mal ausgenommen). Und auch heute noch machen die CDs einen Heidenspaß, und zwar aus mehreren Gründen. METALLICA befanden sich nach der Veröffentlichung des schwarzen Albums auf der Überholspur und konnten auf fünf Klassiker-Alben zurückgreifen. Der von Mike Fraser abgemischte Sound ist der roheste, fetteste Liveklang, den ich je gehört habe. Wenn nach dem "The Ecstacy Of Gold"-Intro mit dem als Opener fungierenden "Enter Sandman" alle Dämme brechen und Energien freigelassen werden, mit denen man kaum umgehen kann, kommt man aus dem ungläubigen Staunen nicht mehr heraus. "Creeping Death", "Welcome Home (Sanitarium)", das herrlich roh runtergerotzte "Of Wolf And Man", das "Justice Medley", die unglaubliche "Fade To Black"-Version, "Nothing Else Matters" (in der "normalen", nicht halbakustischen Version, die seit Jahren gespielt wird), das unfassbar brutale "Whiplash" oder der Killer "Battery" als Abschluss – hier bleibt kein Stein auf dem anderen, hier braten die Gitarren fetter als irgendwo sonst, hier wummern Ulrich’s Drums stärker denn je, hier kotzt sich Hetfield die Seele aus dem Leib, und sogar Newsted darf zwischendurch ans Mikro und sorgt nicht nur für harsche Backing Vocals. "The Four Horsemen", "Motorbreath" und das QUEEN-Cover "Stone Cold Crazy" runden die eh nicht zu toppende Live-Dokumentation noch ab und waren ursprünglich gar nicht für die Veröffentlichung geplant – ein Glück, dass sie es doch auf die CDs geschafft haben.

Ja, man kann über die ausladenden Soloparts meckern, die nicht unbedingt auf CD hätten festgehalten werden müssen. Nein, "Master Of Puppets" in der kurzen Version kann nie gegen das vollständige, achtminütige Meisterwerk anstinken. Trotzdem ist und bleibt das Mexico City-Paket aus der "Live Shit"-Box mein Lieblings-Livealbum, weil es in dieser Form sonst kaum einer Band gelungen ist, einen (oder mehrere) Auftritt(e) so brachial, knackig, kompromisslos und absolut lebendig auf CD zu bannen.

Auch, wenn ich nicht auf die DVDs eingegangen bin: Die Auftritte aus Seattle und San Diego sind ein wichtiges Zeitdokument und bieten abendfüllende Unterhaltung. Leider gibt es auf den DVDs nur die vom Video übertragene Audiospur, also kein Dolby Surround. Noch dazu sind die Aufnahmen viel zu leise abgemischt und können vom Klang her nicht mit den CDs mithalten. Natürlich sind diese überlangen Auftritte aber trotzdem Pflichtprogramm für jeden METALLICA-Freak.


Böhse Onkelz – Live in Dortmund
Es gibt nur ein Livealbum, das es vom brutalen Sound her mit den METALLICA-CDs aufnehmen kann, und das ist das 1997 erschienene "Live in Dortmund" der BÖHSEN ONKELZ. In der Dortmunder Westfalenhalle aufgenommen, bestätigt dieses zeitlose Dokument den Ausnahmestatus einer der wichtigsten deutschen Rockbands überhaupt. Bereits das wummernde Bass-Intro lässt einem die Haare zu Berge stehen, und der atemberaubende Dreierpack "Hier sind die Onkelz", "Lieber stehend sterben" und "Finde die Wahrheit" eröffnet ein intensives Konzert, das eine wahnsinnige Stimmung ins heimische Wohnzimmer transportiert. Party-Songs wie "Mexico", "So sind wir", "Kneipenterroristen" oder "Könige für einen Tag" klangen nie besser, "Ich bin in dir" und "Wieder mal nen Tag verschenkt" setzen ruhige Akzente, und fettere Versionen von "Gehasst, verdammt, vergöttert" und vor allem "Heilige Lieder" kann es einfach nicht geben. Der Livesound ist einfach perfekt eingefangen, "Live in Dortmund" klingt so stramm, so fett, so roh, dass es fast einzigartig ist.

Auch "Nur die Besten sterben jung", "Auf gute Freunde" und das unglaubliche "Erinnerungen" haben ihren Weg in die Setlist gefunden. Trotz einer satten Auswahl von 27 Tracks vermisse ich aber noch ein, zwei Tracks von "E.I.N.S.", außerdem redet Herr Weidner etwas viel. Davon abgesehen steht das 1997er BÖHSE ONKELZ-Livealbum in meiner persönlichen Hitliste ganz, ganz weit oben.


Iron Maiden – Rock In Rio

Ich weiß, als Referenz-Livealbum wird immer "Live After Death" genannt. Ich finde die 1985er CD auch genial, aber weiter oben rangiert bei mir "Rock In Rio" – auch, weil darauf gleich sechs "Brave New World"-Songs enthalten sind, und dieses Album halte ich neben "Somewhere In Time" und "Seventh Son Of A Seventh Son" für eines der besten von MAIDEN.

Der vor ca. 250.000 total ausrastenden Fans in Rio aufgenommene Doppeldecker bietet neben den damals neuen Songs aber auch zahlreiche Klassiker, eine Band in absoluter Topform und einen hervorragenden Bruce Dickinson. Besonders beeindruckend sind der Einstieg mit "The Wicker Man" (die Fans übertönen bei den ersten Gitarrenklängen die Band), "Ghost Of The Navigator" und "Brave New World", das für Gänsehaut sorgende "Blood Brothers", "Sign Of The Cross" (ich hätte nie gedacht, dass der "X-Factor"-Song mit Bruce am Mikro eine solch intensive Atmosphäre aufbauen könnte und ein absolut starker Longtrack werden kann) und die höllisch gute Version von "Fear Of The Dark". Der Sound ist nicht nachbearbeitet, absolut live und klar, das Booklet schön bebildert und mit sämtlichen Texten versehen (und das bei einer Live-Scheibe!), und noch nicht mal beim Anschauen der gleichnamigen, ebenfalls fantastischen DVD kann man sich den Wahnsinn vorstellen, den IRON MAIDEN vor dieser beeindruckenden Kulisse losgelassen haben. Natürlich wären ein, zwei Nummern von "Somewhere In Time" sehr nett gewesen, aber man kann nicht alles haben – außerdem sind die "Brave New World"-Tracks auch im Livegewand sehr stark bzw. noch besser als die Studioversionen.

In meiner Hitliste rangiert "Rock In Rio" klar vor "Live After Death", was aber auch dem Umstand geschuldet sein könnte, dass diese Scheibe eine meiner ersten umfangreichen Berührungen mit IRON MAIDEN war.

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