Geschrieben von Freitag, 19 März 2010 12:35

Placenta - Schwachsinn, Schweiß und Schawarma beim "Trendcutter"-Videodreh

placenta_band

PLACENTA aus Berlin sehen sich nicht unbedingt als professionellste Band des Planeten. Wer kann Death Metal schon ernst nehmen? Stattdessen steht der Spaß beim ersten professionellen Videodreh im Vordergrund.


28. Februar 2010, Innendreh


Am letzten Sonntag im Februar beginnen in aller Herrgottsfrühe die Aufbauarbeiten für die Liveszenen. Als Location dienen die ehemaligen Produktionshallen des ORWO-Hauses in Berlin. Mit Unterstützung von PitCam Production haben die Jungs um Aufnahmeleiter Marko eine Menge Technik in die Halle geschafft; zig Lichtquellen, ein provisorischer Schnittplatz, eine Moving Cam und viele helfende Hände warten sodann auf ihren Einsatz.
In einer ruhigen Ecke hat Cateringbeauftragter Basti die Fressalien aufgebaut und dafür gesorgt, dass den ganzen Tag lang heißer Kaffee verfügbar ist. Daneben zwingen Madeleine und Melanie die Musiker zum Stillhalten, während sie Wangen pudern, Bärte stutzen und Haare stylen.


Der Song, der hier heute bebildert werden soll, heißt „Trendcutter“ und erscheint auf der „Brutalis“-EP, die am 23. April im Rahmen einer groß angelegten Record-Release-Show auf die Menschheit losgelassen werden soll. Dass PLACENTA dafür den Berliner Fritzclub (mit Platz für ca. 1200 Leute) gemietet haben, zeigt, dass man keine kleinen Schrippen bäckt.
Das Musikvideo soll diesen Eindruck untermalen. Es ist das erste professionelle Musikvideo für PLACENTA; nichts wird leichtsinnig dem Zufall überlassen. Nach eigener Aussage hat man viele spezielle Ideen – verraten wird aber noch nichts.


Im PitCam-Team ist derweil leichte Anspannung zu spüren. Das Ausleuchten nimmt mehr Zeit in Anspruch als geplant, zudem kommt zum ersten Mal die Canon Eos 5D Mark II als Kamera zum Einsatz. Aufnahmeleiter Marko sieht die Sache trotzdem locker; er hat im Vorfeld alle verfügbaren Register gezogen, sodass heute neben einer Hand- und der Schienenkamera auch mit Steadycam gedreht werden kann. „Uns fehlt hier wirklich nichts an Technik“, grinst er in die Kamera und zündet sich relaxt eine Zigarette an.


Nach den ersten zehn Durchläufen des Songs weicht allmählich bei allen Beteiligten die Anspannung. Mittlerweile ist es Nachmittag; Fotograf Lars lässt zum ersten Mal an diesem Tag für längere Zeit von seiner Kamera ab; die Kameramänner Björn, Timm und Patrick haben ihren Rhythmus gefunden; Madeleine, Melanie und Basti beobachten gespannt, ob die Frisuren halten und auch ich gönne mir das erste Bier.
Weitere zehn bis fünfzehn Durchläufe später (können auch dreißig gewesen sein...) geht’s an den ersten Umbau: Die Schienenkamera wird ab- und in einem anderen Winkel wieder aufgebaut; währenddessen kommt die Steadycam zum Einsatz. Die Band hat mittlerweile schon einigermaßen die Schnauze voll, „aber der Song ist einfach geil“, meint Schlagzeuger Tobi, weswegen es trotzdem viel Spaß mache.


Am Ende des Tages wurde „Trendcutter“ geschätzte fünfzig Mal gespielt, zwei Bierkästen geleert und die Haare mehr durcheinander gebracht, als es den Stylistinnen lieb sein kann. „Das ganze Team war hochmotiviert, alle haben sich super verstanden und perfekt zusammen gearbeitet“, erklärt Aufnahmeleiter Marko. Schlagzeuger Tobi fügt hinzu: „Es ist noch viel besser geworden, als wir vorher vermuten konnten. Wenn alles gut läuft, haben wir Anfang April ein fettes repräsentatives Musikvideo in Profiqualität.“


11. März 2010, Außendreh


Für die Storyszenen des Musikvideos haben sich PLACENTA Unterstützung von Freunden geholt: Erich, Sänger von ERADICATED, spielt Trendcutter, die Hauptfigur des Songs, in den Realszenen. Später werden noch „Wunschszenen“ hinzu kommen, in denen Elias, Sänger von VOMITING ANOTHER ME, den Trendcutter mimt.


Ein Großteil der Szenen spielt sich vor einem Imbiss in Berlin-Friedrichshain ab, vor dessen Tür Trendcutter kamerawirksam Unmengen an Schawarma verspeisen muss. So absurd diese Geschichte klingt, so absurd ist sie auch – Passanten drehen sich verwundert nach Erich um (oder wechseln gleich die Straßenseite) und eine Zeitlang stehen zwei pizzafutternde Schaulustige in der Nähe und lachen sich schlapp.
Das Bild ist aber auch zu schön: In viel zu kurzen Hosen, mit Nerdbrille, knallbunter Jacke und falschen Zähnen, lehnt Erich missmutig dreinblickend an der Imbisswand, während sich das halbe Schawarma in den Gummizähnen verfängt und auf den Boden fällt. Unbeschreiblich – und so mächtig, dass alle umstehenden Beteiligten kaum aus dem Lachen kommen. Zum Glück ist an Erich ein Schauspieler verloren gegangen; er lässt sich von dem schallenden Gelächter nicht beeindrucken und zieht weiter fleißig Grimassen.


Später am Tag sollen noch Wohnungsszenen gedreht werden; aus Termindruck kann ich dem leider nicht mehr beiwohnen. Was ich aber bis dahin gesehen habe, verspricht ein abgefahrenes Video zu werden! Die guten Ideen der Band und die erstklassige Organisation durch PitCam Production lassen ein hochgradiges Ergebnis erhoffen. Auf jeden Fall konnte man etwas lernen: Musikvideodrehs sind keine trockene Angelegenheit ewiger Wiederholung, sondern ein kurzweiliges Vergnügen. Und PLACENTA werden mit Sicherheit noch gehörig die deutsche Metalszene aufwirbeln.


Wann immer sich mir in Zukunft die Gelegenheit bieten wird, bei einem Musikvideodreh dabei zu sein – ich werde es mir nicht entgehen lassen.


www.myspace.com/placentametal
www.myspace.com/pitcamproduction

Fotos (c) by Fabien Blackwater / BurnYourEars