Geschrieben von Sonntag, 11 Dezember 2011 00:00

Goodbye Fairground - Interview mit Sänger Benjamin zur Tour, EP, Platte und Tattoowierungen

gbfg band

Das Entdecken von Bands, die man vorher so gar nicht auf dem Zettel hatte und deren Namen man vorher auch noch nie gehört hatte, nur um dann umso begeisterter zu sein, gehört mit Sicherheit zu den schönsten Momenten im Leben von Musik-Nerds. Mit GOODBYE FAIRGROUND ist mir das genauso gegangen. Sie spielten beim Soundcheck auf einer Show „Western Gold" an, und es war um mich geschehen. Das Konzert hat dann alle Versprechungen gehalten und übertroffen. Seitdem habe sich sie jetzt ein paar Mal gesehen, mich in ihre EP „We've Come A Long Way" verknallt und feststellen dürfen, was für nette und unkomplizierte Menschen es noch obendrein sind. Um diese grandiose Band unseren Lesern mal vorzustellen, baten wir Sänger Benjamin, uns ein paar Fragen zu beantworten.


Bitte stell dich und deine Band unseren Lesern vor.

Wir sind eine Punk-/Hardcoreband aus Essen, und es gibt uns seit Ende 2005, Anfang 2006. Die Band besteht aus den Gitarristen Alex, Christoph und Jan, Bassist Benny, Schlagzeugerin Julia und mir, Sänger Benjamin.

Warum habt ihr euch von PARAQUAT (und was bedeutet das?) zu GOODBYE FAIRGROUND umbenannt?

Paraquat ist ein Pestizid, das die Amerikaner im Kampf gegen mexikanische Marihuana-Plantagen eingesetzt haben. So dachten wir jedenfalls. Fakt ist, dass immer noch Jahr für Jahr dutzende mexikanische Bauern durch Paraquat sterben. Damit wollen wir um nichts in der Welt in Verbindung gebracht werden, gerade auch, weil wir keine offensichtlich politische Band sind, bei denen man ihr Missfallen über solche Zustände sofort als gegeben voraussetzt. Es gibt im Internet ein paar Seiten, auf denen man sich über dieses Treiben informieren kann und ich möchte diese hiermit jedem ans Herz legen.
GOODBYE FAIRGROUND als neuer Name lag nahe, weil dies der Name unseres ersten Albums war und wir es so Google leichter machen konnten, uns weiterhin zu finden. Die anderen Namen, die wir in Erwähnung gezogen hatten, waren außerdem entweder „zu porno" oder „nicht porno genug".

Wie kamt ihr dazu, drei Gitarren in der Band haben zu wollen?

Von „Wollen" kann natürlich keine Rede sein! Jeder, der mal einen Gitarristen kennengelernt hat, wird wissen, dass man davon niemals zu wenige haben kann. Wir haben gleich drei, weil wir durch die Demoaufnahmen zu unserem ersten Album festgestellt haben, dass wir so viele Overdubs hatten, dass wir die Songs niemals so live hätten spielen können, wie sie aufs Album kommen sollten. Da Alex, unser erster Bassist, gerade ausgestiegen war, weil er eigentlich Gitarrist ist und keine Lust mehr auf vier Saiten hatte, haben wir ihn dann mit der Aussicht auf ellenlange Gitarrensoli und Glitzerspandexhosen zurück in die Band gelockt. Ich glaube, er hofft bis heute darauf.

Ist es manchmal schwer, auch wirklich alle drei Gitarren in einem Song zu beschäftigen? Schließlich spielt ihr ja nicht einfach nur zu dritt die gleichen Powerchords...

Ja, manchmal ist es schon schwierig. Ich denke aber, dass alle Musiker dieser Band, also sowohl die Gitarristen, als auch Bassist und Schlagzeugerin, sehr „mannschaftsdienlich" sind und nicht auf Teufel komm raus ihr Instrument in jedem Part im Vordergrund platzieren müssen. Hilfreich ist auch, dass alle Gitarristen sich sowohl durch ihre Art zu spielen, als auch durch ihre musikalische Sozialisation voneinander unterscheiden. Gewürzt mit einer gehörigen Portion Disziplin (die uns leider, zugegeben, doch des Öfteren noch abgeht) schafft man es dann auch mit drei Gitarren. Mehr würde ich allerdings auch nicht haben wollen.

Nervt es euch manchmal, wenn Leute wie ich im ersten Moment erst Mal diesen „die klingen wie AGAINST ME! und GASLIGHT ANTHEM"-Vergleich raushauen (was sich ja dann sehr schnell sehr stark relativiert)?

Naja, da Brian Fallon ja seit neuestem der Antichrist ist, wollen wir mit Gaslight Anthem natürlich nicht mehr verglichen werden. Aber Spaß beiseite: wir alle haben die ersten beiden Alben abgefeiert, von daher gibt es musikalisch natürlich schlechtere Vergleiche. Against Me! wiederum sind seit Ewigkeiten meine absolute Lieblingsband, von daher ist so ein Vergleich natürlich erst mal schmeichelhaft. Ich denke nicht, dass wir wie sie klingen, weder so gut, noch musikalisch groß vergleichbar, aber wir spielen halt beide Punkrock mit einer rauen Stimme und englischen Texten, von daher sind solche Vergleiche wohl legitim und nerven eher nicht. Blöd ist halt, dass man so dazu angehalten wird, in verdammt große Fußstapfen zu treten, was man zum einen vielleicht nicht will, zum anderen aber auch nicht unbedingt kann. Wenn mir als Fan jemand sagt, „musst Du dir anhören, sind die deutschen Against Me!", hat die Band es erst mal verdammt schwer bei mir. Wäre schade, wenn es anderen Leuten auch so geht und sie sich dadurch unsere Musik nicht unvoreingenommen anhören können.

Ihr trinkt ganz gerne und könnt teilweise etwas chaotisch sein: Segen oder Fluch oder beides?

Also ich kann mich an keine Situation erinnern, in der übermäßiger Alkoholkonsum ein Segen gewesen wäre. Vielleicht wären einige unserer Texte nicht entstanden, wenn ich nicht auf Erlebnisse unter Alkoholeinfluss hätte zurückgreifen können. Ansonsten ist Alkohol natürlich der Teufel, aber wir sind halt manchmal einfach arme Sünder. Chaotisch zu sein, ist auch niemals ein Vorteil, aber wir haben uns in der Hinsicht auch gebessert, finde ich. Es regiert immer noch das Chaos, aber die Opposition wird stärker und hat den Untergrund verlassen.

Wie ist es so, eine einzige Frau in der Band zu haben? Braucht sie eine Gleichstellungsbeauftragte?

Abschließend könnte dir diese Frage natürlich nur Julia selbst beantworten, aber ich kann versuchen, mich dieser Problematik aus meiner Sicht zu nähern. Ich weiß, dass ich für alle Bandmitglieder spreche, wenn ich sage, dass das Geschlecht eines Musikers in dieser Band völlig bedeutungslos ist. Wichtig ist alleine, dass Julia eine großartige Schlagzeugerin – und noch wichtiger: ein wunderbarer Mensch – ist. Ich glaube nicht, dass ihr Dasein als Frau jemals ein Gesprächsthema in der Band gewesen ist. Wir funktionieren letztendlich demokratisch, und da hat sie genauso viel oder wenig Mitspracherecht, wie jeder andere. Vermutlich wollte sie den Rest der Band gerne das eine oder andere Mal an die Wand klatschen, aber das liegt eher nicht daran, dass wir Männer sind, sondern manchmal einfach Idioten.

Wie steht es um euer Album und wann und wo wird es rauskommen?

Das Album wird gerade fertig gemischt und wir prügeln uns anhand der Rohmixe noch, welche Songs am Ende in welcher Reihenfolge drauf sein werden. Es wird eine Pop-Platte und nach unserem Dafürhalten unseren Durchmarsch in den Rockolymp einleiten. Von null auf Grammy und Bravo Otto, quasi. Wir würden die Platte gerne mit einem potenten und kompetenten Partner rausbringen und stehen auch in Kontakt mit einem kleinen, aber feinen Label aus Deutschland. Ob die noch Interesse haben, nachdem sie jetzt seit einem Jahr auf Hörbeispiele warten, weiß ich aber nicht. Fest steht, dass unser Plan ist, nächstes Jahr ein zweites Album zu veröffentlichen. Alles andere wäre angesichts der vergangenen Zeit seit der letzten Platte lächerlich.

Ihr habt euch auf der Tour GOODBYE FAIRGROUND-Tattoos machen lassen. War vorher bereits jeder tattoowiert oder war da viel Überredungskunst bei einzelnen im Spiel?

Vorher waren nur Benny und ich tätowiert, überredet wurde aber niemand. Die Sache mit den Tattoos war eigentlich so eine Art Deal zwischen uns, der seit Jahren bestand: „Wenn wir auf Tour sind, machen wir Bandtattoos". Alex und Jan tragen jetzt den Namen der Tour und gleichzeitig unserer neuesten EP „We've Come A Long Way" auf dem Arm; Julia, Benny und ich haben uns das Bandlogo stechen lassen. Leider war Christoph bei diesem Teil der Tour wegen anderweitiger Verpflichtungen nicht dabei, der sucht also noch einen günstigen und guten Tätowierer.

Wo wohnt ihr alle und wie organisiert ihr eure Proben?

Benny und Christoph wohnen in Münster, Jan derzeit in Essen, wobei er aber auf dem Sprung nach Düsseldorf ist, Alex und ich haben eine WG in Bochum und Julia ist von Köln nach Mülheim zurückgezogen, weilt aber im Moment in Australien. Unser Aushilfsdrummer Carsten lebt dazu in Herne und arbeitet in Dortmund. Wir haben eigentlich zwei feste Probetage pro Woche, die wir aber regelmäßig über den Haufen werfen. Ansonsten haben wir ein Bandforum, über das wir alles Organisatorische klären. Ich kann dir nicht erklären, wie das alles klappt, aber irgendwie tut es das.

Was wird 2012 alles für GOODBYE FAIRGROUND passieren?

Wie erwähnt wollen wir ein Album veröffentlichen. Auch eine Single zum Album und vielleicht eine Splitsingle stehen im Raum, mal sehen, ob das alles so hinhaut. Wir haben auch ein Video zu unserem Song „Western Gold" gedreht, das wir noch fertig stellen müssen. Ansonsten wollen wir spielen, spielen und spielen. Wenn es nach mir gehen würde, wären wir 360 Tage im Jahr auf Tour, aber ein paar kleinere Wochenendtrips und vielleicht eine längere Tour im Herbst würden mich fürs Erste auch zufrieden stellen. Wir hatten das Glück, letztes Jahr ein paar großartige Bands kennenzulernen und mit diesen würde ich gerne deutlich mehr machen, weshalb wir z.B. auch unbedingt so schnell wie möglich zurück nach Österreich müssen.
Im April wollen wir die dritte Auflage des Sunken Ship Sailor Festivals veranstalten und es ist eigentlich auch schon längst Zeit für neue Songs. Es wird also vermutlich das geschäftigste Jahr unserer bisherigen „Karriere". Wir werden sehen.

Famous last Words?

Das ist schwierig. Ich denke, mit „lest mehr Bücher" kann man nichts falsch machen. Bücher sind (fast) immer gut, solange sie nicht von irgendwelchen (Ex-) Politikern, Fußballspielern oder Rassisten geschrieben werden. Ansonsten, als der Arschkriecher, der ich bin: Danke für das Interview. Hat Spaß gemacht!