Geschrieben von Montag, 25 September 2006 00:18

Disturbed, Nevermore & The Zico Chain - Hamburg / Grosse Freiheit 36

www.disturbed1.com
www.nevermore.tv
www.myspace.com/thezicochain

20.09.2006 – Es ist halb neun Uhr abends, ein Parkplatz gefunden und die Schlange vor der Großen Freiheit 36 trotz offener Kasse beachtlich lang. Das Konzert ist ausverkauft, schließlich spielt heute nicht irgendwer in der Hansestadt: DISTURBED sind aus Chicago angereist und haben Seattle’s NEVERMORE als Support im Gepäck – eine wahre Göttermischung! Zudem wurde die Tour bereits für Oktober 2005 angekündigt, musste jedoch aufgrund stimmlicher Probleme bei DISTURBEDs David Draiman abgesagt werden. Netter Nebeneffekt: Mehr Leute wissen Bescheid, die Vorfreude ist enorm und die Location größer als vormals geplant (- ürsprünglich war die Markthalle gebucht).

 

Drinnen sieht’s aus wie erwartet – der Laden ist brechend voll, die Stimmung gut, und um punkt 9 Uhr betreten drei Herren aus UK die Bretter und legen eine herzhaft frische Mischung aus NIRVANA, QUEENS OF THE STONE AGE und BUSH hin – rotziger Rock mit einer deftigen Prise Grunge und Stoner-Einschlag. Die sonst eher abwartenden Hamburger bereiten THE ZICO CHAIN einen sehr warmen Empfang, der Applaus bewegt sich weit über Höflichkeitsniveau und auch ich bin angetan von dem recht jungen Dreierpack, das mit Metal nur auf den zweiten Blick zu tun hat.
20 spaßige Minuten später wird der Stecker gezogen, und nach einer erträglich langen Umbaupause schwingen sich NEVERMORE auf die Bühne und hauen direkt und ohne lange zu fackeln den Opener „Final Product“ in den Saal.

 

Der Sound ist etwas sehr höhenlastig und das Schlagzeug ein wenig zu laut, was mich jedoch erst gegen Ende des Sets zu stören beginnt und anfangs fast überhaupt nicht kratzt – ebenso wenig wie hunderte von Fans, welche eine verdammt fette Setlist abfeiern, die neben den obligatorischen aktuellen Hammertracks vom aktuellen Album „This Godless Endeavor“ (das ruhige „Sentinent 6“ kommt gesanglich einwandfrei, es folgt „Born“ und sorgt für eine wahre Mosh-Schlacht vor der Bühne), auch ältere Songs wie „The River Dragon Has Come“ und „I Voyager“ beinhaltet.
Die Kombination von Nike-Cappy und IMMORTAL-Shirt sieht bei Sänger Warrel Dane recht lustig aus, besonders dann, wenn er zwischendurch die Kopfbedeckung lupft und trotz deutlich schütter werdender Langhaar-Matte ausgiebigem Headbangen fröhnt.  Aber so muss das sein, das ist Metal, auch wenn der stimmlich teilweise leicht angeschlagen wirkende Frontmann zwischendurch aus einem Plastikbecher nippt, der eine dampfend-heiße Flüssigkeit enthält. Vermutlich Tee für eine hoffentlich nur ganz normale Erkältung…
Zum Abschluss ertönt „Enemies Of Reality“ und bügelt noch einmal platt, was zwischen zwei Ohren sitzt – der an diesem Abend beste Song des Sets, bei dem im Publikum alles geht, bevor nach acht Titeln und 45 Minuten Spielzeit die Party gelaufen ist und NEVERMORE nur widerwillig und von „Zugabe!“-Rufen begleitet von der Bühne gelassen werden.

 

Eine halbe Stunde kann verdammt lang werden. Insbesondere dann, wenn man bereits zu nervtötender 70er-Jahre-Schwofmusik auf die dritte Band wartet und diese sich offenbar unnötig viel Zeit lässt. Zum Schluss ist es bereits kurz nach 23 Uhr und erste Pfiffe und Buh-Rufe werden laut, als die Lichter wieder ausgehen und ein sphärisches Intro ertönt, das den Hauptact ankündigt. - Was dann von Beginn des ersten Tones an abgeht, entschädigt für das nervige Rumstehen und lässt nicht nur mich verwundert umherblicken: Dass DISTURBED ihre Fans dermaßen zum Kochen bringen, hätten viele der Anwesenden nicht erwartet. 



Der Jubel beim ersten Song „Guarded“ ist nahezu ohrenbetäubend, und gleiche Reaktionen folgen auf fast sämtliche Knaller des aktuellen Albums „Ten Thousand Fists“: „Sons Of Plunder“, „Just Stop“, „Overburdened“, „Deify“ und natürlich den Titeltrack, zu dem das Publikum wie ein Mann die Fäuste in die Luft reckt. Überhaupt gehen die Fans völlig ab, und das umfasst bei weitem nicht nur die ersten paar Reihen, sondern zieht sich hinter’s Mischpult bis fast in die letzten Winkel, sogar auf der Balustrade fliegen die Matten.
Vier große, ins Publikum gerichtete Lichtständer an der hinteren Bühnenwand sorgen zusätzlich zu den Deckenspots für passende Beleuchtungseffekte, und was die drei Jungs an Klanggewalt herüberbringen, ist nicht anders als beeindruckend zu nennen. Stimmlich fit und nur manchmal an den höchsten Stellen ein klein wenig aus der Bahn geworfen, agiert David Draiman routiniert wie eh und je. Für meinen Geschmack bemüht er nur die „Cool-Water-Mann-Figur“ (Arme ausbreiten und langsam über dem Kopf zusammengehen lassen) ein wenig zu oft, auch der große Bühneraum wird von den Musikern performance-technisch nicht ausgenutzt. So gibt es für’s Auge verhältnismäßig wenig Spannendes zu entdecken, das Ohr frisst dafür umso begeisterter die Rasierklingen-Riffs aus den Randall-Türmen, die lediglich im Bassbereich noch einen Zacken wuchtiger hätten tönen können. 
Selbstverständlich dürfen die besten Songs des DISTURBED-Debüts nicht fehlen, und so singt der Mob „Down With The Sickness“ und „Voices“ lauthals mit. Als ein weiterer fulminanter Live-Kracher entpuppt sich das GENESIS-Cover „Land Of Confusion“, bei dem so gut wie keiner still stehen bleibt oder nicht (heimlich) mitsingt. Nach einer guten Stunde Spielzeit, kurz vor der Zugabe, zieht Draiman die Leute endgültig auf seine Seite und zeigt sich beeindruckt von der Agilität und Begeisterung der Fans: „German crowds could teach a fucking lot to the crowds in the US!“ – Spricht’s und lässt sich abfeiern…

 Ein tolles Band-Gespann und ein Publikum, das nicht nur heiß auf die Combos, sondern dazu auch enorm partywillig war, sorgten für einen nahezu rundum gelungenen Abend. Dass manche schon vorzeitig aufbrechen mussten, weil drei Bands plus überlange Umbaupausen den Abend zu weit nach hinten ausdehnten, wäre sicherlich durch straffere Zeitplanung zu vermeiden gewesen. 

Dem bei allen drei Acts etwas zu höhenscharfen Sound kam man zwar problemlos mit Taschentüchern in den Ohren bei, der Bass-Bereich insbesondere bei den Gitarren blieb dennoch etwas unausgefüllt. Das war jedoch alles zu verschmerzen, und auch die wiederholten Sphären-Intros bei DISTURBED nervten so richtig erst beim fünften Mal, sodass das Fazit lautet: Klasse Konzert!