Geschrieben von Dienstag, 13 April 2010 18:04

Annihilator - Interview mit Gitarrist Jeff Waters und Sänger Dave Padden zum Album "Annihilator"

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Ein sonniger Nachmittag in Hamburg, in einem wunderschönen Bus der Firma Gibson (mit Haltegriffen aus Gitarrenhälsen und eingerichtet wie ein 5-Sterne-Hotelzimmer) warten Jeff Waters und Dave Padden bestens gelaunt auf mich. Die beiden sind entspannt, unglaublich freundlich und Jeff besteht als erstes darauf, dass ich seine neue, selbst entworfene Flying-V umhänge und für Fotos pose. Das Schätzchen ist aber auch ein selten herrliches Stück geworden, und er genießt regelrecht mein entzücktes Quietschen, als ich ein wenig darauf herumklimpern darf.
Stolz wie Bolle schaut er aus, der Jeff, und das mit Recht. Er und Sänger/Gitarrist Dave haben mit dem neuen Werk "Annihilator" (Release am 17. Mai) ein wahres Juwel zusammengestellt, und genau darum geht es bei unserem folgenden Gespräch.

Euer neues Album ist nach Euch benannt: "Annihilator"...

Jeff: Ja, irre originell, nicht? (kichert)

Warum jetzt ein selbstbetiteltes Album, nach all den Jahren?

Jeff: Also der erste Grund ist der, dass mir kein besserer Name einfiel. Normalerweise mache ich es so: Wenn die Songs geschrieben sind, schaue ich mir die Songtitel an, manchmal kommen dann Ideen für den Albentitel. Wie bei "Alice In Hell" und vielen anderen. Es gab nur ein Album, bei dem wir das nicht gemacht haben. Diesmal war das anders. Ich hatte zuerst den Titel "Defiance" im Sinn, der wirklich gut war. Der passte super zur Bandsituation, weil unsere Plattenfirma SPV ja pleite ging – das war sehr traurig, weil die ein großartiges Metallabel waren – das war halt echt Pech.

Aber nun ja, wir sind immer noch hier, wir haben 13 Alben draußen, was ziemlich gut ist, und für uns geht es grade einen entgegengesetzten Weg, das wird nämlich alles gerade besser. Dave hier ist jetzt seit vier Jahren in der Band, das ist noch nie vorgekommen. Er ist mehr ein Partner, als ein angeheuerter Drummer zum Beispiel. Alles passt supergut gerade. Und bei diesem Album erst recht. Als wir damit fertig waren, hatten wir diesmal ein wirklich gutes Album, viel besser als die früheren.

Man kann keine Pille einwerfen oder einen Schalter anknipsen und so ein gutes Album machen, mit guten Liedern. Ich meine, AC/DC hatten "Back In Black", aber die haben das nie wieder so hinbekommen. Oder nimm IRON MAIDEN mit "Number Of The Beast" (rattert endlos Bands und Albentitel herunter). Manchmal stimmt einfach alles, und dann hat man Magie. Und ich denke, das ist diesmal uns passiert. Und darum heißt das Album "Annihilator". Für uns beginnt hier eine neue Ära.

jeffwatersIch habe das Album jetzt sehr oft gehört und liebe es! Ich kann Dir auch sehr gut anhören, dass Du wirklich zufrieden bist. Wie lief die Produktion denn ab? War es anders diesmal?

Jeff: Weißt Du, jeder Künstler, ob du nun Maler, Dichter oder Musiker bist, denkt, dass sein Werk einfach fantastisch geworden ist. Es ist aber ehrlicher, auch mal zurückzublicken und sich einzugestehen, dass das letzte Album doch eher nur eine 6 von 10 war. Ich bewerte meine Alben immer so. Aber… Mann, das ist schwer zu erklären…. ich bin jetzt an einem Punkt, wo ich sehr aufgeregt bin, viel mehr als früher…

Dave: ...wir hatten einfach auch viel mehr Zeit für die Produktion ...

Jeff: ...jaaa, genau. Wir hatten früher immer Deadlines! Also wir können jetzt natürlich nicht sagen: DAS hier ist unser bestes Album überhaupt. Das kann ich Dir nächstes Jahr sagen. Aber was ich sagen kann, ist, dass die Plattenfirma uns sehr unterstützt hat. Normalerweise kommt da immer ein "Oooh, wir lieben das Album, echt!", das ist normal. Aber dann kommt die Presse, und wenn die einen Veriss macht, dann hat das sehr wohl Einfluss auf die Fans! Leider! Wenn wir also negative Pressemeldungen bekommen, dann ist das deprimierend.

Aber in London war das jetzt so, dass wir nach unserem Festland-Trip hier noch mal nach London müssen, weil es so irre viele Anfragen gibt! Alle möglichen Journalisten wollen plötzlich Interviews, und das ist uns echt noch nie passiert! Und das in UK! WOW. Darum bin ich auch so aufgeregt! (Strahlt mich an) Das passiert auch gerade in Italien und in noch anderen Ländern. Wenn also die Presse dieses Album echt so toll findet, dann wird sie das auch den Fans und auch möglicherweise neuen Fans so mitteilen. Was für uns natürlich auch bedeutet: Wir können mehr Konzerte spielen!

In den Internet-Communities brennen die Fans jedenfalls auf Euer neues Album.


Jeff: Echt jetzt? Wow. Da sieht man mal wieder, dass man nie aufgeben darf. Als SPV pleite ging, war das wirklich sehr traurig, aber wir haben trotzdem irgendwie weiter gemacht. Man muss immer kämpfen und darf sich niemals aufgeben, niemals! Das hier ist die erste Platte, bei der wir wie gesagt keine Deadline hatten, also…

Dave: …weil wir halt kein Label hatten. Wir hatten also überhaupt keinen Druck seitens einer Plattenfirma, die immer hinter einem steht mit ihrem "Wir brauchen das aber jetzt, jetzt, jetzt!". Als wir mit den anderen Alben fertig waren, hatten wir gerade echt überhaupt keinen Bock mehr auf die Songs und das ewige Anhören. Diesmal konnten wir auch einfach mal eine Pause einlegen, andere Projekte machen und frische Energie tanken. Wir konnten uns soviel Zeit nehmen, wie wir wollten, und das hört man jetzt.

Jeff: Ich habe bei dieser Platte was gelernt: Egal was die Plattenfirma sagt über Termine, Touren usw. Dave und ich wissen einfach, dass man viel entspannter an so etwas gehen muss. Wie oft sind wir schon da durchgehetzt, mit viel zu wenig Schlaf und viel zu viel Stress und mit blutenden Ohren, weil Du diese blöden Songs jetzt echt nicht mehr hören magst. Und dann bist DU pünktlich, aber das Label kommt an und sagt: "Och, wir warten lieber doch nochmal bis Februar". Echt nicht. Wir haben gelernt dass… ähm. Wo war ich jetzt? Was wollte ich denn jetzt eigentlich sagen?

Ihr habt aus dem Album gelernt, dass... ?

Dave:
Was man mit der Zeit lernt, ist… Mist. Nächste Frage!

Jeff: Nächste!

Angeblich sollen auf "Annihilator" 66 Soli von Dir zu hören sein, Jeff. Stimmt das?

Jeff: Ja, Labels schreiben ja immer gerne so was wie "thrashig wie nie" und all so Zeug. Und eben auch das mit den 66 Soli. Ich schreibe lieber ein wirklich gutes Solo als 66 miese. Aber in diesem Fall ist das echt smart, und es sprechen uns halt viele Leute darauf an. Unser Labelmanager Dan hatte die Master-CD vorliegen, und zwei Tage später bekam ich eine E-Mail wo drin stand: "Heilige Scheiße, ich liebe dieses Album! Hey, heute Morgen habe ich die Soli gezählt! Weißt Du, dass es 66 sind?" Und ich dachte nur "Neiiiiin?" Hallo, das ist der Labelmanager, der hat eigentlich anderes zu tun, als da mit einem Bleistift zu sitzen und bei jedem Solo einen Strich zu machen. (lacht schallend) Er muss die CD echt lieben…

Die Soli passen aber auch verdammt gut rein und klingen absolut nicht erzwungen. Das Cover ist auch nicht von schlechten Eltern. Cool, aber ganz schön gruselig. Was hat es denn damit auf sich?

Jeff: Ach, das soll jetzt mal Dave erzählen.

Dave:
Nee… diese doofe Geschichte…

Jeff: Doch, mach!

Dave: Ja, also ich hatte mal ein langes Kleid an und Makeup, und Jeff hat davon Alpträume bekommen. Er träumte, dass ein Mädchen in einem weißen Nachthemd um sein Bett herum schwebte, mit weißen Augäpfeln. Das kam von mir.

Jeff: Quatsch, wir spinnen nur rum. Genauer gesagt: Ich träumte tatsächlich, dass Linda Blair aus "Der Exorzist" um mein Bett herumflog, und sie hatte diese riesigen, weißen, toten Augen. Ich habe dann sofort unseren Designer aus Ungarn angemailt und ihm gesagt, dass ich genau DAS als Cover will.

Dave: Und auf der Stirn ist "Annihilator" eingeritzt. Kaum zu sehen, aber immerhin lesbar. (Red.: Kaum zu sehen? Naja...) Nicht wie bei diesen Deahtmetal-Bands, wo man nie weiß, wie die denn eigentlich heißen, weil man es nicht entziffern kann (gackert). Das Cover ist Alice, die uns immer noch jagt... so wie beim ersten Album 1989 "Alice In Hell".

Jeff:
Und sie will, dass wir den Song immer live spielen!

Dave (mit Fistelstimme): Ihr habt meinen Song nicht gespiiiielt! (wedelt mit den Armen und spielt Geist)

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Jeff, Du warst im März auf der Frankfurter Musikmesse. Ist sowas für Dich eher ein Vergnügen oder Pflicht?


Jeff: Oh nein, das war das erste Mal, dass ich auf dieser grandiosen Messe war. Mir haben schon so viele Musikerfreunde davon erzählt, aber ich war da echt noch nie. Endorsement-Deals waren für mich nie wichtig, und wenn ich mal eine Gitarre brauchte, bekam ich eine von Freunden. Aber mein eigenes Modell jetzt zu haben…das hatte ich eigentlich nie vor, ich habe genug Gitarren. Aber mit diesem Deal hier mit Gibson, da bin ich dann doch mal hingegangen, um mein Produkt zu promoten. Und ich finde das total toll.

Guck, wir sitzen in diesem geilen Gibson-Bus, haben tolle Hotels, und für die Band machen wir auch gleich noch Werbung. Das ist doch irre. Obwohl ich echt nie sowas machen wollte. Aber die riefen mich an und gaben mir auch noch Geld dafür, dass ich auf der NAM und der Musikmesse meine Gitarre vorstelle. Alter. Wie geil ist das bitte? Du hast auf einmal wirklich viel Geld und musst dafür 30 Minuten vorspielen. Ok, das mache ich doch glatt. Da hängt man denn so herum mit Michael Anthony, Ted Nugent, trifft Satriani, Kerry King… Jetzt verstehe ich auch, warum Leute sowas machen, das macht Spaß! Dave hat jetzt auch einen Endorsement-Deal! Das war ganz einfach. Siehste, eines Tages sind wir echte Rockstars!

Moment. Ihr haltet Euch wirklich nicht für Rockstars?

Beide gleichzeitig: Neee. Absolut nicht!

Jeff: Aber weißt Du was? Nächstes Mal kann Dave den Bus hier haben, ich nehme den da! (Zeigt auf einen tiefschwarzen Doppeldecker-Nightliner, der nebenan parkt) Ist der nicht cool? Hach ja, einen Privatjet will ich auch noch!

Mich wundert das jetzt aber doch ein wenig, dass ihr Euch so gar nicht als sogenannte Rockstars seht. Das sehen viele Leute hier echt anders…

Jeff: Wir haben echt coole Fans überall, besonders in Osteuropa. Aber ich sehe das so: Ich habe mal Schmier getroffen, der war mit Mille da im Z7 in Pratteln. Und ich bin halb ausgerastet vor Begeisterung, weil ich damals fast nur deren Musik gehört habe. Den beiden ging es aber genauso mit mir. Also alle drei so: "Boah!" Wir waren so große Fans von jeweils dem anderen, und das ist auch so geblieben. Fast alle Bands, die damals so Ende 80er, Anfang der 90er groß geworden sind, sind suuupernette Kerle geblieben.

Dave: Wir wollen echt nur Musik hören und machen und Spaß haben, dabei immer schön am Boden bleiben.

Jeff: Für Jüngere ist das vielleicht schwerer, normal zu bleiben.

Dave: Rockstar ist für mich mehr eine Einstellung. Eine Art, sich zu benehmen.

Jeff: Du hast doch sicherlich diesen ganzen Kram um Axl Rose mitbekommen oder?

Sicherlich ...

Jeff: Siehste, den durfte ich mal treffen. Danko Jones war da im Vorprogramm, und sie sagten uns, wir könnten nicht backstage. Das war uns eh klar. Aber ich habe dann doch einen Pass bekommen und dachte nur, oha. Axl Rose… Und weißt Du was? Dieses Rockstargehabe ist echt nur ein kreiertes Image. Wenn man die backstage trifft, sind die total normal. Auch Axl. Klar gibt es auch viele Arschlöcher, aber ich denke, Du weißt, wen man da erwähnen könnte. (Schauspielert:) Hey… meine Frau ist blond mit falschen Riesentitten! Ich bin ein Rockstar! (grinst) Hihi. Genauer gesagt: so eine hatte ich tatsächlich mal… Das war ja mein Problem früher (Red.: Jeff ist seit 10 Jahren trocken)

jeff_daveKönnt ihr euch erklären, warum ihr in Asien und Europa soviel mehr Erfolg habt als in Kanada und in den Staaten?

Jeff: Heavy Metal ist in den USA so ca. 1993 gestorben, mit den Smashing Pumpkins. Die sind zwar gut, aber trotzdem. Danach kam doch nichts mehr. Ihr hier habt aber euren Underground, der immer Metal war, und sehr treue Fans. Diese Nirvana-Generation in den USA hat aber Kinder erzogen, die Randy Rhoads nie gehört haben.

Metal kam dann lustigerweise zurück mit Bands wie Sum 41, die Jungs trugen nämlich Slayer-Shirts und die Kids wollten auch diese Shirts. Über die Shirts lernten die Kids plötzlich Bands wie Motörhead, Iron Maiden, Slayer und so kennen. Dieser Trend zurück zum Metal kam mit diesen Shirts. Das wurde trendig, Metal zu sein.

Dave: Metal ist doch plötzlich überall "in". Es gibt Videospiele, Filme, alles Mögliche! Metal hat einen irren Einfluss auf die heutige junge Generation, grade im musikalischen Bereich. Da gibt es unglaubliche Talente, die einen durch die Decke schießen lassen. Internet natürlich nicht zu vergessen, das fördert die ganze Sache auch.

Jeff: Es ist doch so: wenn Dinge superschnell wachsen oder bekannt werden, halten die meist nicht lange. Aber wenn etwas in Ruhe reifen und gedeihen kann, dann ist es oft für sehr lange sehr gut. In den nächsten fünf Jahren wird man das hören können.

Habt ihr Livedates in Deutschland dieses Jahr?

Jeff: Wir spielen dieses Jahr nur wenige Festivals in Europa. Eigentlich wollte ich schon gerne, aber unser Label meint, wir sollen lieber noch ein Jahr abwarten, weil dann das Album wirklich bekannt ist. Wir machen dieses Jahr Hellfest und sonst nur Guitar-Clinics, aber nächstes Jahr machen wir HIER Festivals, weil dann wollen die Fans uns absolut sehen! Wenn das Album gut ist, dann kommen die Fans auch nächstes Jahr zur Tour.

Oh, wir müssen aufhören, das sind ja schon über 40 Minuten! (Banger Blick zur netten Managerin Vanessa)

Jeff: Na das waren halt Fragen, wo man viel zu sagen kann ...

Ok, dann als allerletztes: Sagt den Fans da draußen noch etwas Nettes für "auf den Weg" bitte :

Jeff: Es gibt viel gute Musik, es gibt viel gutes Gitarrenspiel und tolle Musiker. Wenn ihr das neue Annihilator-Album habt: anhören. Wenn Du ein Gitarrenspieler bist: anhören! Das ist wirklich ehrlicher Metal. Und Ehrlichkeit ist uns echt wichtig. Mögt uns oder nicht, aber gebt uns eine Chance. An die, die uns schon mögen: Ich hoffe, ihr werdet es so lieben wie wir, weil wir ECHT geschwitzt haben!

Dave: Und wir können es nicht mehr abwarten, Euch wieder auf Tour zu treffen!

Sehr großes Dankeschön, das hat sehr viel Spaß gemacht!

Beide: Hey, wir danken Dir!

http://www.annihilatormetal.com

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Alle Fotos (c) Annihilator