Geschrieben von Mittwoch, 20 Januar 2010 14:07

Jon Oliva - Interview mit dem kreativen Kopf hinter Jon Oliva's Pain, Savatage und TSO

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Das letzte SAVATAGE Album ist fast zehn Jahre her, und im Herbst 2007 erklärte der kreative Kopf hinter der Bombast-Metal-Legende die Band endgültig für tot. Grund zur Trauer? Nicht unbedingt, denn schon seit 2004 zeigt Jon Oliva mit seiner Band JON OLIVA’S PAIN, dass er das Erbe seiner Vergangenheit in Ehren hält. Im Gespräch mit BurnYourEars lässt das sympathische Schwergewicht keine Frage zu seiner Vergangenheit, der Gegenwart und seinen Zukunftsplänen offen. 


Wie geht’s dir?

Mit geht es gut. Ich bin immer noch dabei, mich von den Nachwirkungen einer Grippe zu erholen, die ich kurz nach Weihnachten herum eingefangen habe. Ich hab die letzten zwei Wochen krank im Bett gelegen. Aber es geht langsam aufwärts. Da ja im Moment jeder die Grippe hat, konnte ich da natürlich nicht außen vor bleiben und musste mich gleich für drei Wochen außer Gefecht setzen. (lacht) Aber ich lebe noch. So einfach bringt man mich nicht um.

Wie sieht es allgemein mit deiner Gesundheit aus? Ich habe dich letztes Jahr beim Sweden Rock Festival gesehen und war wirklich positiv überrascht, wie gut du die hohen Töne getroffen hast.

Dabei war ich krank wie ein Hund beim Sweden Rock. Mir ging es echt schlecht. Ich war auf Tour noch nie so angeschlagen. Mich hat es schon in der ersten Woche der Tour erwischt und dann war es in Schweden auch noch eiskalt. Ich habe mich echt hundeelend gefühlt.
Aber ich habe eine Aufnahme von dem Auftritt gehört - wir haben das Ganze mitgeschnitten - und ich war selbst überrascht, dass ich die ganzen hohen Passagen hinbekommen habe, weil es mir damals echt dreckig ging. Aber was willst du machen? Die Show muss weiter gehen.

Wo wir gerade beim Sweden Rock sind: CHRIS CAFFERY hat einen Tag später mit TIM OWENS auf dem Festival gespielt, und es hat mich etwas überrascht, dass ihr nicht zusammen auf der Bühne gestanden habt.

Wir haben uns da einfach verpasst, sonst hätten wir sicher ein bisschen gejammt. Sie hatten an dem Tag, an dem wir da waren, eine Show in einer anderen Stadt. Wir mussten am nächsten Tag schon wieder weiter.

Das ist also kein Zeichen für böses Blut unter den ehemaligen SAVATAGE Mitgliedern?

Oh nein, wir sind immer noch sehr eng befreundet und waren es immer. Wir arbeiten ja alle zusammen am TRANS SIBIRIAN ORCHESTRA (TSO) und sind alle sehr zufrieden, wie es da läuft. Bei uns ist alles im grünen Bereich.

In den letzten Jahrzehnten hast du deine Hörer schon in einige düstere Umgebungen mitgenommen. Warum dieses Mal gerade ein Jahrmarkt?

Die Idee kam mir in einem Traum, während unserer Tour im Sommer. Das Ganze ist wie ein Musikfestival, nur viel düsterer. Die Sonne kommt ein Mal raus, wenn ich in der Mitte des Albums diese Ballade spiele, nur ich allein. Das ist, als wenn du aus einem Alptraum aufwachst und denkst, du hast es überstanden, aber schon der nächste Song „The Evil Within“ wirft dich wieder zurück in die kranke Welt und tanzt mit dem Teufel.
Das kommt also alles von diesem Traum und den Festivals, die wir im Sommer gespielt haben. Wenn man bei euch auf ein Festival geht, hat man viele unterschiedliche Arten von Bands und unterschiedliche Arten von Musik. Deathmetal, Heavy Metal usw. Also war meine Idee, das Album wie eine Art Festival mit unterschiedlichen Arten von Musik aufzuziehen, nur eben in einer alptraumhaften Athmosphäre. Ich wollte kein Konzeptalbum machen, aber dieses Oberthema, ein Musikfestival, über das Album stellen.

Du klingst auf dem Album mal wieder ziemlich angepisst und wütend. Hast du nie überlegt, mal Lieder über die schönen Dinge des Lebens zu schreiben? Liebe, Blumen und Tierbabies?

(lacht) Ich schreibe über alles, was mir gerade in den Sinn kommt und denke vorher nicht lange über die Inhalte nach. Viele Inspirationen kommen aus Träumen und vom Fernsehen. Ich hole mir viele Ideen einfach aus den Nachrichten oder geschichtlichen Dokumentationen. Da sehe ich plötzlich eine coole Begebenheit und übernehme das dann. Und wenn ich schlafe, träume ich oft Dinge, die mir den Tag über passiert sind. Oder ich schaue mir einen Horrorfilm an und habe dann in der Nacht danach einen Alptraum. Und ich schaue mir ziemlich viele dieser Streifen an, daher kommen viele der Dinge, die ich dann in meinen Songs verwende.

Der Sound von „Festival“ unterschiedet sich von deinen letzten Alben. Du verwendest sehr wenig Piano und die Arrangements erinnern mich etwas an progressiven Metal.

Ja, das stimmt. Ich möchte, dass sich alle meine Alben ein wenig voneinander unterscheiden und ihre eigene Identität haben. Auf meinem letzten Album war sehr viel Piano enthalten, und ich war sehr glücklich damit. Aber weil ich nicht jedes Jahr das gleiche Album veröffentlichen möchte, wollte ich dieses Mal etwas anders machen und habe darauf sehr viel Gitarre gespielt. Ich habe fast alle Parts für die Rhythmusgitarre bei so gut wie allen Songs übernommen und sogar hier und da etwas Lead-Gitarre gespielt.
Aber das gefällt mir, weil sich die neue Platte dadurch ganz anders anhört, als die letzte. Es klingt immer noch nach unserer Band, aber eben doch anders. Man will ja auch, dass jedes Album frisch klingt und sich auch nicht Album für Album und Jahr für Jahr wiederholen. Wir haben dieses Mal vollkommen andere Gitarren- und Drumsounds genutzt, und ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Sollte das Album absichtlich weniger nach SAVATAGE klingen?

Weißt du, mein Bruder Criss und ich haben damals zusammen das Gitarrespielen gelernt, vor allem die Rhythmusgitarre. Unser Stil dabei ist sehr ähnlich, wie wir die Saiten anschlagen und wie wir die Akkorde greifen. Dann fing er an, mehr und mehr Lead-Gitarre zu spielen, und ich meinte „Ok Mann, ich bleibe bei der Rhythmusgitarre und du spielst die Lead-Parts“ (lacht) - er war einfach so großartig darin. Aber beim Spielen von Akkorden waren wir uns extrem ähnlich. Es ist fast unmöglich zu sagen, wer was eingespielt hat, weil wir einfach so lange zusammen gelernt und geübt haben, also klingt das Album für mich sogar sehr nach Savatage.

Hast du das Material für das Album allein geschrieben oder ist es aus der Band heraus entstanden?

Das Meiste habe ich geschrieben und bei ein paar Stücken hat mir Matt (Laporte – JOP Gitarrist) geholfen. Außerdem habe ich einige Riffs von Chris benutzt, die ich in verschiedene Songs eingebaut habe.

Wie sehen eure Pläne mit JON OLIVA’S PAIN dieses Jahr aus? Wann kommt ihr auf Tour?

Die Tour beginnt im April hier in den USA und danach geht es für ein paar Auftritte nach Südamerika. Der erste Auftritt in Amerika ist, glaube ich, das Graspop Festival im Juni. Außerdem sind wir beim Bang Your Head gebucht. Wir versuchen, ähnlich wie im letzten Jahr, möglichst viele Festivals anzufahren. Wir werden den Großteil des Sommers in Europa bleiben. Es gibt bei euch einfach so viele schöne Open Airs.

Vermisst du eine Festivalszene, wie sie sich in Europa etabliert hat, in den USA?

Oh ja, ich wünschte wirklich, wir hätten hier noch Festivals mit einer Atmosphäre wie in Europa. Wir haben hier zwar auch große Open Air Shows, aber die sind meistens ein Alptraum. Es gibt immer Schlägereien, immer Polizeieinsätze. Ständig muss die Polizei auf das Gelände und gewalttätige Gruppen abdrängen. Ich glaube, ich war noch bei keinem Open Air in Amerika, bei dem nicht irgendwann das Chaos ausgebrochen ist. Seien es Ausschreitungen, Schlägereien mitten in der Show oder Equipment, das nicht funktioniert.
Dann gehst du nach Europa und spielst auf einem Festival wie dem Graspop, dem Bang Your Head oder dem Rock Hard, die einfach gut organisiert sind und wo die Leute Spaß haben. Klar hast du da auch mal das Quoten-Arschloch, aber die große Mehrheit der Leute ist einfach da, um Spaß zu haben. Natürlich ist es für uns auch viel schöner, in so einer Atmosphäre zu spielen, weil man selbst einfach gute Laune bekommt, wenn alle um dich herum Spaß haben. Und da frage ich mich natürlich schon, warum das in Amerika nicht möglich zu sein scheint. Es scheint hier einfach mehr Arschlöcher zu geben.

Dein zweites, oder vielleicht sogar erstes, Standbein ist das TRANS-SIBIRTIAN ORCHESTRA. Wieviel deiner Zeit nimmt das Projekt ín Anspruch?

Ich bin hauptsächlich an der Studioarbeit beteiligt, und da habe ich oft sehr viel freie Zeit. Wir nehmen oft von zwölf Uhr mittags bis drei oder vier Uhr in der Nacht auf. In dieser Zeit ist Paul (O’Neill – ehemaliger SAVATAGE Manager und TSO Gründer) oft in Studio A und arbeitet mit den Sängern oder an etwas anderem, und ich arbeite in Studio B an Material für meine Band und er ruft mich dazu, wenn er mich braucht.
Wir haben den Luxus, in einem großen Studio mit mehreren Aufnahmeräumen zu arbeiten. TSO braucht auch unheimlich viel Zeit, weil so viele Menschen daran beteiligt sind, die ein uns aus gehen. Wir haben Solisten, Chöre, Kinderchöre, Cellisten, Hornisten… das ist ein verdammter Zirkus (lacht). Und das gibt mir viel Zeit, an den JON OLIVA’S PAIN Sachen zu arbeiten.

Ist TSO für dich vor allem eine Einnahmnequelle oder auch künstlerisch interessant?

Das ist für mich auch deshalb sehr befriedigend, weil ich für TSO alles schreiben kann, von einem Märchenstück oder einem Wiegenlied bis zu intensivem Material wie „12/24“ oder „Night Castle“ vom neuen Album.
Und ja, damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt. In großen Städten spielt TSO oft mehrere Abende in Häusern mit 20.000 Sitzen, zwei oder drei ausverkaufte Shows in jeder Stadt.  

Du hast gerade „Night Castle“ erwähnt. Das ist das erste vollwertige Album, das sich nicht mit Weihnachten beschäftigt. Habt ihr genug von Santa?

(lacht) Santa Claus ist mein Held. Nein, wir haben uns einfach entschieden, dass wir uns mit dem Weihnachts-Thema genug auseinandergesetzt haben. Wir haben die Trilogie dazu veröffentlicht. Jetzt war es für TSO Zeit für den nächsten Schritt. Und das Album hat jetzt, nach ein paar Monaten, bereits Gold-Status und wird wohl irgendwann im Sommer Platin erreichen. Und das ist toll. Die Band ist hier in den USA ein ziemlich großes Ding, auch wenn ich weiß, dass sie bei euch in Europa nicht so bekannt oder eigentlich überhaupt nicht bekannt ist. Wir verkaufen hier mehr Tickets als jede andere Band. Letztes Jahr haben wir vor fast einer Million Menschen gespielt, und das ist doch eine Menge.

Wie erklärst du dir, dass TSO in Europa bisher nicht so erfolgreich ist?

Ich denke das liegt daran, dass wir bisher nie ernsthaft versucht haben, TSO nach Europa zu bringen. Unser Ziel waren immer die USA und der amerikanische Markt. Von da wollten wir uns dann den Rest der Welt vornehmen. Allerdings wurde es in den USA immer größer und größer. Es ist, als wenn du einen Schneeball einen Berg herunter rollst. Wenn er am Fuß des Berges angekommen ist, kann er so groß sein wie ein Haus. Das passierte in etwa mit TSO, und es wächst noch immer.
Wir haben dieses Jahr in Städten gespielt, in denen wir vorher noch nie aufgetreten sind. Es kommen immer noch neue Märkte dazu, wir haben uns also bisher nicht auf Europa konzentriert. Es gibt Überlegungen, mit einem kleineren Ensemble einen Abstecher zu machen, sozusagen um mal das Wasser zu testen. Ich kann dazu aber auch noch nichts Festes sagen. In diesen Bereich des Managements bin ich weniger involviert. Man hat nach meiner Meinung gefragt und ich denke, es wäre eine gute Idee, so lange wir das langsam aufbauen - also so, wie wir es auch in den USA getan haben.

Kommen wir noch zu einer anderen Band aus deiner Vergangenheit. Im Jahr 2007 hast du das Kapitel SAVATAGE für abgeschlossen erklärt. Viele Fans hatten noch auf ein letztes Album oder eine letzte Tour gehofft, etwa zum 25. Bandjubiläum. Warum ist es nicht dazu gekommen?

Das Problem war einfach der enge Zeitplan und die Verpflichtungen der verschiedenen Musiker. Für mich war es wichtig, dieses Greatest Hits Album zusammenzustellen, das jetzt erscheint. In meinen Augen fasst das die ganze Geschichte von SAVATAGE zusammen und schließt den Kreis. Diese CD wird es für immer geben, genau wie unsere Alben. Aber eine Show… man müsste alles andere runterfahren, man müsste TSO und JOP runterfahren. Und das für ein SAVATAGE Konzert? Das macht in meinen Augen keinen Sinn. Die Band hat seit zehn Jahren nicht mehr zusammen gespielt. Man müsste innerhalb weniger Wochen eine Show zusammenstellen mit Jungs, die teilweise all die Jahre keinen der Songs mehr gespielt haben. Wir bräuchten mindestens drei oder vier Monate Zeit, um eine wirklich große Show auf die Beine zu stellen, sonst würde sich das in meinen Augen einfach nicht lohnen. Ich will da nichts schnell zusammenzimmern, um dann sagen zu können, wir hatten ein Re-Union-Konzert. Das wäre ok, wenn ich das für Geld machen würde, aber Geld interessiert in dieser Frage nicht.

Für mich war SAVATAGE vorbei, als mein Bruder Criss gestorben ist. Alles danach ist für mich aus heutiger Sicht nur ein Vorspiel für TSO gewesen, bis wir dann endlich den Namen geändert haben. Und das alles wieder zusammen zu bringen, für eine Show, ist für mich einfach nicht interessant. Ich habe jetzt gerade mein fünftes Album mit JOP veröffentlicht, und für mich sind JOP mehr SAVATAGE als es SAVATAGE nach Criss’ Tod waren. JOP trägt immer auch seine Handschrift, durch meine. Ich singe und er klingt mehr nach der Phase um „The Mountain King“, „Power Of The Night“ oder „Gutter Ballet“. Außerdem spiele ich das alte SAVATAGE Material live, und meine Band spielt die Songs jetzt seit fünf Jahren. Und damit sollte eigentlich jeder zufrieden zu stellen sein. Denn selbst wenn ich John und Chris in der Band hätte, wäre ich immer noch das einzige Gründungsmitglied. Für mich ist das viel Aufregung um einen Namen. Wenn du dir die Credits anschaust, kannst du sehen, dass jeder das Beste aus beiden Welten haben kann.

Wenn du Fan der alten SAVATAGE mit Criss Oliva bist, dann solltest du mit JOP glücklich werden, denn Criss ist auf jeder Scheibe zu hören. Und wenn du Fan der SAVATAGE mit Zack Stevens am Mikrofon bist - „Dead Winter Dead“ usw., die ich immer noch für großartige Alben halte - ist TSO genau diese Band. Die gleichen Musiker, die gleichen Songschreiber, nur eben weitere Sänger und ein anderer Name. Aber die Musik ist dieselbe. Man verliert vielleicht den Namen SAVATAGE, aber man bekommt mit JOP und TSO das Beste aus beiden Phasen.

Eine Frage noch: Du hast vorhin erwähnt, dass ihr zum Beispiel die Show beim Sweden Rock aufgenommen habt. Gibt es Pläne für ein Live-Album oder eine DVD?

Ja, wir werden die Show am 19. März in Tillburg in Holland für eine DVD mitschneiden. Die soll dann voraussichtlich um Weihnachten erscheinen, und danach werde ich mich gleich an die Arbeiten zur nächsten JOP Platte machen.

Hast du noch irgendwelche letzten Worte für unsere Leser?

Danke für eure Unterstützung und viel Spaß mit dem neuen Album. Ich freue mich schon auf euch in Deutschland und kann es nicht erwarten, wieder rüber zu kommen.

Vielen Dank für dieses Gespräch.