Geschrieben von Donnerstag, 26 August 2010 00:00

Vainstream Rockfest Münster 2010 - Der Bericht


vainstream2010

Was lange währt, wird endlich gut: Das Vainstream Rockfest ging am Samstag, den 26.06.2010 bereits in die fünfte Runde.
Von Beginn an stand das Event unter keinem guten Stern – es hieß, das ursprüngliche Gelände in Münster sei zu teuer. Dann wurde das Festival von zwei auf einen Tag reduziert, obwohl es zuerst wie im letzten Jahr zwei Tage sein sollten. Das Konzert sollte nun in Dortmund stattfinden, doch dort fehlte anscheinend die Genehmigung. Außerdem wollte die Mehrzahl der Besucher wohl lieber wieder in Münster feiern. So entschieden sich die Veranstalter, das Festival doch wieder auf dem alten Gelände durchzuführen. Allerdings wurden die Karten teurer, der Eingang wurde verlegt... und durch die Änderung des Einlasses von einer auf die andere Seite des Geländes war der Platz kleiner geworden. Dennoch tummelten sich schließlich knapp 10.000 Leute auf dem viel zu vollen Festivalplatz. Schattenplätze gab es leider nicht, so dass es ein sehr volles, sehr heißes Konzerterlebnis wurde.
Doch genug von den negativen Seiten erzählt, kommen wir zum Positiven: Das Wetter war wirklich hervorragend. Bereits am frühen Mittag standen gute Bands auf einer der beiden Bühnen, auch wenn RAISED FIST ihren heiß ersehnten Auftritt kurzfristig absagen mussten. Mit THE FACELESS begannen recht früh am Samstagmorgen ein paar Amis, die dem Publikum schon zu sehr unrock n rolligen Zeiten die ersten Lächler ins Gesicht schrauben konnten. Ihre Mischung aus technischem, progressivem Deathmetal, Hardcoregroove und Endzeit-Spacigkeit wirkte für viele eventuell erst mal etwas verwirrend,  aber der Fünfer machte seine Sache gut, präzise und wirkte absolut Trend-ungebunden. Der Sound ging ok, und sogar das Stück vom letzten Album, dessen Vocals nur aus Sampels bestehen, wurde geboten. Für mich fing das Festival also direkt mit einem Highlight an.

Mit BLEEDING THROUGH gab es dann schon etwas bekanntere Gesichter zu betrachten. Die Band aus Orange County versuchte sich auch direkt daran, das volle Festival-Program abzuspulen. Keyboarderin Marta sang die Texte gekonnt mit, während sie hin und her schwankte, um den Songs etwas Black-Metal-Feeling zu geben. Schon seltsam, dass Frauen immer noch leichte Exoten in der Hartwurst-Szene sind. Sehr schön fand ich, dass sie direkt mit dem Opener von „This Is Love…“ anfingen und von diesem grandiosen Album auch später noch ein paar Takte brachten. Ich hatte erwartet, die Band etwas später im Programm zu finden. Aber egal, denn so richtig essentiell waren sie an diesem Tag auch nicht wirklich.

JOB FOR A COWBOY habe ich letztlich geknickt, da der Sound eigentlich nur aus der getriggerten Basedrum bestand und ich von den Riffs eigentlich nichts mehr mitbekommen habe. Schade, denn ich hätte der Band gerne länger zugesehen, ab so war das kein wirklicher Genuss.

Bei NEAERA war das allerdings beinahe egal, da hier Heimspiel gefeiert wurde. Die Münsteraner wussten, dass sie zu Hause waren und gaben sich spielfreudig. Glücklicherweise wurde auch viel altes Material gespielt und der Fokus nicht auf die letzte, doch sehr blackmetallische Scheibe gelegt. Der Fünfer hatte sein Publikum in der Hand, und Songs wie „Armamentarium“ und „Let The Tempst Come“ wussten zu überzeugen. Immer wieder schön, diese Band in ihrer Heimstadt zu sehen!

Von etwas weiter weg – nämlich Massachusetts – kamen UNEARTH, die auch wirklich so begeistern konnten, wie ich es mir vorgestellt hatte. Lediglich der kleine Gitarrenschlumpf nervte ein wenig mit seinem Rockstar-Gepose. Mal im Ernst: Wenn sich da auf der Bühne einer über die Finger leckt, bevor er ein Tapping spielt, ist das schon etwas hart (vor allem in Kombination mit den Klamotten und der Frise!). Aber die Songs der selbsternannten Metalkings (na gut, es war die Plattenfirma, die mal mit dem Slogan warb) saßen Tight und die Melodien schraubten sich wunderbar ins Gehör, während die Breakdowns schön in die Knochen gingen. Gelungener Auftritt. Aber wie um alles in der Welt Sänger Trevor in einem dicken Pullover spielen konnte, während sich bei uns allen schon den Schweiß in der Kimme sammelte, bleibt mir wirklich ein Rätsel.

SKINDRED waren für mich so ziemlich die Überraschung des Tages. Der Sänger wirkte erst mal wie ein durchgeknallter, afrikanischer Warlord, der für das krasse Wetter viel zu warm angezogen war. Aber es brauchte auch nur diesen einen Moment, bevor besagter Mensch die Sympathien auf seiner Seite hatte. Mit wilden Tanzbewegungen und einer echt geilen Stimme frontete er seine ziemlich gute Band, die sich zwischen Metal, Alternative, Reggae und Dub bewegt und dabei wirklich Laune machte. Normalerweise scheint den MAD CADDIES auf solchen Festivals die Sonne aus dem Arsch, aber auf dem diesjährigen Vainstream kam der Slot wohl den Engländern zu. Und so verbreiten sie gute Laune und schwingende Hüften über das ganze Festival. Und soweit ich gehört habe, war ich nicht der einzige, der überrascht war, wie gut die Band live ist. Schönes Ding!

Danach kam dann eines der absoluten Highlights: ALEXISONFIRE. Die Kanadier hatten von Anfang an das Publikum in der Hand und ich wundere mich ernsthaft, warum sie so früh gespielt haben. Die Vorfreude vor dem Gig war im Publikum beinahe greifbar. Und nachdem sich Dalls Green ein wenig darüber lustig gemacht hatte, dass so früh am Tag die Nebelmaschine auf ihrer Bühne angeschmissen wird, legten sie auch direkt mit „Young Cardinals“ los und starteten damit eine wahren Triumphzug. Freunde von mir standen im Pit mit gekreuzten Fingern, damit sich Dallas Green doch mal richtig verhaspeln möge. Aber diesem absoluten Stimm-Wunder kann man einfach nichts anhaben. Und so spielten sie sich durch ein meiner Meinung nach viel zu kurzes, grandioses Set voll alter Hits und neuen Stücken und bewiesen mal wieder, dass sie einfach anders sind. Vor allem im Vergleich zu dem, was sonst so unter „Screamo“ fällt. Denn „gestylt“ passt nun wirklich nicht zu den fünf Kanadiern. Schade, dass sie nicht einfach mal zwei Stunden spielen konnten.

ATREYU hab ich mir nur von Weitem angesehen und kann nicht viel dazu sagen, aber ihre letzten Platten konnten mich auch einfach nicht mehr begeistern. Wie das dann so ist, verquatscht man sich natürlich dann auch mehr, als man eigentlich beabsichtigt hatte. Und so fielen dem Essen, Trinken und Quatschen dann auch 36 CRAZYFISTS zum Opfer, die laut Aussage eines Freundes echt gut gewesen sein sollen.

Nach ALEXISONFIRE, waren DANKO JONES die nächste interessante Band. Die Amis legten einen wirklich starken musikalischen Auftritt hin und spielten nicht nur Songs vom neuen Album „Below The Belt“. Auch alte Hits wurden ins Publikum abgefeuert, was das Publikum dankend annahm. So hinterließen DANKO JONES einen guten Eindruck, auch wenn die Show der Band ein wenig unspektakulär wirkte.

Nun folgten A DAY TO REMEMBER. Die Stimmung schien schier zu explodieren. Die Amis gehören zu den Senkrechtstartern des letzten Jahres und konnten mit ihrer Bühnenshow wirklich punkten. Von Beginn an legte das Quintett die Messlatte ziemlich auch. Die Gitarren wummerten und A DAY TO REMEMBER zogen das Publikum mit ihrem Metal-, Hardcore-, Poppunk-Gemisch in den Bann. Schwerpunkt des Sets war das aktuelle, großartige Album „Homesick“ von dem insbesondere der Opener „The Downfall Of Us All“, welcher auch als erstes gespielt wurde, „Have Faith In Me“ und der Titeltrack „Homesick“ richtig gut ankamen.

MADBALL bewiesen dann wieder einmal, dass sie eine der absolut besten Livebands des Hardcoregenres sind. Sie legten mit dem Opener „Demonstrating My Style“ die Messlatte aber auch enorm hoch. Doch auch danach konnten MADBALL das Niveau spielend halten. Es folgten Songs aus allen Alben, auch wenn „Hold It Down“ leider fehlte. Dennoch, die Zuschauer waren begeistert. Hut ab, denn in dieser Form sind MADBALL immer sehenswert.

KIZ waren die Fehlbesetzung schlechthin. Das, was dieses Hip-Hop Trio unter dem Mantel „Sexismus gegen Rechts“ bietet, soll sicher ironisch und witzig sein. Doch im Ganzen ist dieser prollige Deutsch-Hip-Hop einfach nur nervig und überflüssig. Das bewies die Band eindeutig. Es ist auch nicht wirklich nachvollziehbar, dass vom Metaller bis hin zum Punker alle diese Band abfeiern. Vielleicht habe ich auch einfach nur den Sinn dahinter noch nicht verstanden?

Was war das für eine Schockmeldung, als sich HOT WATER MUSIC vor einigen Jahren auflösten. Doch sie sind wieder da. Der Auftritt auf dem diesjährigen Vainstream belegt außerdem, dass es ihnen offensichtlich wieder viel Spaß macht, auf der Bühne zu stehen. Die Band aus Gainesville/Florida legte ein großartiges Set hin, spielte alle Hits der letzten großen Alben und wirkte zusätzlich unglaublich gelöst und entspannt. Die Songs wurden abgefeiert, auch wenn die Zuschauerresonanz ein bisschen geringer war, als bei einigen anderen „angesagteren“ Bands. Dennoch, HOT WATER MUSIC waren nicht nur für mich die überragende Band des Festivals. Ein Best Of-Album hätte wahrscheinlich weniger tolle Songs, als dieser Auftritt des Quartetts. Insbesondere das Zusammenspiel zwischen Chuck Ragan und Chris Wollard funktioniert wieder. Außerdem gaben HWM auch noch einen neuen Song zum Besten, als Kostprobe auf ein mögliches neues Album. Und dieses Lied macht Lust auf mehr ...

Die BROILERS waren als nächstes dran. Sammy und Co. legten eine ordentlich Show auf die Bretter und wurden wie viele andere Bands von Beginn an ordentlich abgefeiert. Schon bei den ersten Klängen des "Vanitas"-Intros stimmten die Fans, die dicht gedrängt den Weg vor die Bühne gefunden hatten, die Gesänge an und waren von da an lautstark mit dabei. Es wurde ein intensives Set mit vielen Songs vom letzten Output „Vanitas“, einigen alten Songs, wie z.B. „Lofi“ oder „Nur die Nacht weiß“. Die Show war wirklich gut, und so gehörten auch die BROILERS zu den klaren Gewinnern an diesem heißen Tag.

Es folgten die Spanier SKA-P, die ich zum ersten Mal sehen sollte. Die politischen Skapunkhelden legten die vielleicht beste Show des Festivals hin und konnten auch musikalisch voll punkten. Der Sänger schlüpfte während der Show immer wieder in andere Kostüme, die passend zu den Themen in den Songs gewählt waren. Mal kam er als Priester, dazu wurde der Text ins Deutsche übersetzt und stellte sich als Anklage gegen die Kirche im Bezug auf Kindesmisshandlungen heraus. Ein anderes Mal erschien er als Gorilla in Polizeiuniform. Neben den politischen Themen waren auch viel Witz, Sarkasmus und Charme Inhalte der Show. Musikalisch gab es spanischen Skapunk, die Band war nur in Bewegung auch vor allem die Bläser entpuppten sich als wahre Frontsäue.

Mit AS I LAY DYING kam nun einer der beiden richtig großen Headliner auf die Bühne. Allerdings muss ich direkt mal vorne wegschicken, dass sie mir in einem geschlossenen Laden bisher besser gefallen haben, als hier auf dem Festival. Zwar starteten sie mit „94 Hours“ und hatten damit auch direkt alle Hörer in der Hand, spielten danach aber - glaube ich - gar nichts mehr von ihrem Überalbum „Frail Words Collapse“, was vermutlich nicht nur ich sehr schade fand. Hauptaugenmerk wurde auf „An Ocean Between Us“ gelegt, und natürlich kamen auch Songs von „Shadows…“ nicht zu kurz. Mit Songs vom neuen Album hielten sie sich aber noch etwas zurück und schienen diese wohl für ihre kommende Tour zurück halten zu wollen.
Irgendwie war es witzig, dass hier total in schwarz gekleidete Menschen auf der Bühne standen, die beim Spielen moshten, wenn man wusste, dass NoFX danach kommen würden. Die Band aus San Diego strengte sich richtig an, und das Publikum dankte es ihnen (kann es sein, dass es zu dem Zeitpunkt bereits einiges leerer war als Nachmittags?). Einige grandiose Hits wurden gespielt, aber obwohl ich mich auf die Band gefreut hatte und mich selber als kleinen Fan bezeichnen würde, konnten sie mich nicht ganz so umhauen, wie ich es eigentlich erwartet hatte. Da konnten auch das genaue Zusammenspiel und Tims Fronter-Qualitäten nichts daran ändern. Aber vielleicht lag es gar nicht an der Band, sondern an mir und den Strapazen des Tages mit dem absolut überfüllten Festivalgelände und der nahezu aussichtslosen Suche nach Schatten.

Wer darf so besoffen spielen, dass er seine Einsätze und Songs nicht mehr ganz auf die Reihe bekommt und es ihm trotzdem nicht übel genommen wird? Richtig,: Fat Mike! Dessen Haltung zum „professionellen Auftreten“ wurde mal wieder recht deutlich. Dafür gibt es bei einem NoFX-Konzert aber auch wesentlich mehr zu Lachen und saugute Stimmung als bei, sagen wir mal,  AS I LAY DYING. Und so wurde beinahe mehr geredet als gespielt, und natürlich machte sich die Band über alles und jeden lustig. Ein Skin im Publikum soll echt wütend geworden sein, als die Kalifornier die Flagge der Schwulenbewegung auf die Bühne brachten und diese als Deutschland-Flagge anpriesen.
Wie Fat Mike bemerkte, muss man in Deutschland eigentlich nur „Frankreich ist scheiße im Gegensatz zu euch" sagen, um die die Herzen des Publikums zu gewinnen – und genauso kam es dann auch. Wie als Beweis bekam er anschließend „Champs Elysees“ nicht mehr auf die Kette und musste sich den Song während des Spielens von Melvin und El Hefe erklären lassen. Zum Schluss ihrer Show, die aus Klassikern und Klamauk bestand, spielte die Band noch ein kleines Mini-Musical zum Song „Everybody is a little bit racist“ und ulkte so noch ca. 10 Minuten nach Ende ihres Sets über die Bühne. Ein gelungener und würdiger Abschluss des Festvials.

Direkt nach NoFX zeigte das Vainstream aber schon die nächsten Schwächen: es gab kein Bier mehr! Um halb 11! Getränke-Marken wollten sie auch nicht zurücktauschen, obwohl an vielen Ständen mittlerweile gar keine Gegenleistung mehr geboten wurde – nicht mal Wasser. Es ist zwar eine Sache, von Anfang an klarzustellen, dass sie keine Marken umtauschen werden, aber dann sollte man auch eigentlich davon ausgehen können, bis zum Ende der Veranstaltung noch Getränke zu bekommen.

Für uns ging es jetzt nach Hause, aber viele andere strömten noch in die Sputnikhalle und das Tryptichon, um dort unter anderem noch BETWEEN THE BURIED AND ME und SONDASCHULE zu sehen. Wir mir berichtet worden ist, sollen die Shows noch ziemlich gut gewesen sein, nur hatten auch die Indoor-Shows das gleiche Problem wie das Festival an sich: es war zu voll. Also, liebe Vainstreamer: bitte beim nächsten Mal weniger Karten verkaufen. Das ist dann zwar weniger Geld, aber ich habe noch nie so viele Beschwerden bereits im Vorfeld gehört wie in diesem Jahr, obwohl das Line-Up wirklich klasse war.


Fotos (c) BurnYourEars / Robert Höwelkröger

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