Geschrieben von Samstag, 04 Dezember 2010 02:29

Deftones & Coheed and Cambria - Berlin, C-Halle

deftones_berlin

Bald sieben Monate ist es her, dass die DEFTONES, fast schon Groß-Väter des Nu-Metals, ihr phantastisches sechstes Album "Diamond Eyes" auf den Markt geschmissen haben. Nun laden Chino Moreno und Besatzung nach ihrem ersten spontanen Clubgig im Frühling dieses Jahres zum zweiten Berliner Tanzgelage, diesmal schön groß angelegt in der C-Halle mit den Kumpanen von COHEED AND CAMBRIA.


Anstrengend gleich zu Beginn ist, dass ich über die Hälfte der Show von COHEED verpasse, da die -14 Grad Außentemperatur nicht nur meiner Beindurchblutung schwer zu schaffen machen, sondern auch ein ganzes Arsenal öffentlicher Verkehrsmittel ausfallen lassen. Tolle Sache.

Allgemein hält sich die Stimmung auch recht bedeckt in der C-Halle, als ich mir nach Gadrobenabgabe die Jungs von COHEED AND CAMBRIA zu Gemüte führe. Aushängeschild der Band ist sofort und ganz klar erkennbar Sänger und Klampfer Claudio Sanchez mit seiner stattlichen Körpergröße, der Antennenfrisur und seiner unverkennbar hohen Stimme. Die Musik der vier Amerikaner gestaltet sich angenehm vielschichtig, aber eben auch wenig(er) mitreißend. Insgesamt hält die musikalische Komplexität die Menge davon ab, die Jacken abzustreifen und sich warm zu wackeln. Als letzter Song rollt "Welcome Home" an, ein Hammer von einem heavy Rocksong.

Nach gut 20 Minuten Umbaupause endet die unterhaltsame HipHop-Mukke über die PA abrupt, und alle Lichter ersterben in einem sonoren Summen von der Bühne. Plötzlich ist sie da, diese knisternde Stimmung aufgekratzter Erwartung, die hier in der Halle bis jetzt auf sich warten ließ. In schummrigem lila Licht betreten die DEFTONES entspannt die Bühne. Die Menge fängt an zu kreischen, zu brüllen und streckt freudig die Arme Richtung Hallendeck - und auf einmal steht er da auf seinem Podest, der Mann mit dem Patent für coole Tennissocken Marke Oldschool, Chino Moreno. Ohne ein Wort zu verlieren, leitet Carpenter mit den saftigen Riffs von "Rocket Skates" das Konzert ein. Alter, was für ein Sound!

Was die Menge vorher auch immer frieren ließ, die Wand hier pustet es weg. Nahtlos wird angeknüpft mit den Bestsellern "Around The Fur", "My Own Summer (Shove It)" und "Be Quiet And Drive (Far Away)", bevor die DEFTONES den Besuchern eine Verschnaufpause gönnen. Von den Winterjacken sehe ich ganz nebenbei keine mehr. Weiter wird schwer mit "Elite" geschnetzelt, wobei Chino beweist, dass er gesanglich genauso wieder auf'm Dampfer ist, wie als fieser Schreihals. Immer schön rein ins Holz mit dem Nagel, so wünscht man sich diese Formate. "Knife Party" und "Korea" folgen direkt hintereinander und erinnern an die Veröffentlichung des epischen Albums "White Pony" und an alle wunderschönen Schauer, die das Album zehn Jahre danach immer noch auslöst.

Nach "Bloody Cape" versinken Band und Publikum in die Sphären deftonischer Klangkunst. "Xerces", "You've Seen The Butcher", "Beauty School", "Minerva", "Sextape" und das umwerfende "Digital Bath" erzeugen eine mörderische Gänsehaut, die ich in diesem Augenblick gerne geteilt hätte. Zurück in die Wirklichkeit reißt's die Fans dann mit der Übersingle "Diamond Eyes" sowie mit "CMND/CTRL", "Change (In The House Of Flies)" und dem für Chi geschriebenen "Risk", der sich als ganz besonderer Livebrocken herausstellt.
DEFTONES beweisen nach 23 Jahren Bandgeschichte (und vielen Tiefpunkten in puncto Liveperformance und Bandharmonie), dass sie heute eine geschlossenen Einheit sind. "Passenger" und "Back To School" mit seinen genialen Rapeinlagen bilden den Vorabschluss des Abends.

Nach kurzem Zugabe-Rufen, fliegenden Bierbechern und ambientem Gitarrengezupfe seitens Carpenters versammelt sich die Band erneut auf der Bühne. Jetzt wird's richtig lustig, denn nun lebt die alte Schule tatsächlich auf. Wer das Debütalbum "Adrenaline" mochte, liebte, vergötterte, ihm etwa seine heutige musikalische Grundeinstellung verdankt, bekommt mit "Engine No.9", "Roots" und dem Abschlussfeuerwerk "7 Words" so richtig ins Gesicht!

Und plötzlich ist es vorbei. Der Sturm hat sich gelegt, das Licht ist wieder an, die Bühne ist voller Staffmembers, der traurigschöne Zauber ist auf und davon. Ich hole meine Jacke aus der Gadrobe, mir wird langsam wieder kalt. Danke für eineinhalb Stunden back to school.