Was war passiert? Man weiß es nicht. Und man kann zweifeln, ob denn die direkt Beteiligten genau sagen könnten, was passiert ist. Klar ist, dass sich die Sache schon länger angebahnt hat und 2024 dann so langsam an die Öffentlichkeit durchgesickert ist. Symptomatisch ist wohl dieser Auszug aus einem Statement, mit dem die Band 2024, nach dem letzten Album "A Mortal Binding", eine diffuse Pause begründet hat:
Die Produktion unserer neuesten Platte war in so einem Maß schlauchend und herausfordernd, dass sie Brüche innerhalb der Band offengelegt hat. Diese Spannungen haben wir bereits beobachtet, während wir die zwei vorherigen Alben gemacht haben. Während der Corona-Phase haben sie sich nur mehr verstärkt.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die zwei vorherigen Alben waren "The Ghost Of Orion" von 2020 und "Feel The Misery" von 2015. Da hat man also rund neun Jahre – ja genau: NEUN JAHRE!!! – Unzufriedenheit angehäuft, sich gemächlich über die Bärte gestrichen und mit staunenen Augen "Spannungen beobachtet". Und obwohl man sich schon seit Ewigkeiten kennt, schafft man es nicht, mal was zu klären. Eine klassische Kommunikations-Katastrophe, wie sie in jeder zweiten Paarbeziehung vorkommt – nur, dass eine geschiedene Ehe nicht so viele enttäuschte Fans zurücklässt wie das Ende der Band MY DYING BRIDE, wie wir sie kennen.
Letztlich haben sich die beiden Hauptprotagonisten Andrew Craighan (Gitarre) und Aaron Stainthorpe (Gesang), beide als Gründungsmitglieder seit 1990 dabei, wohl irgendwie – auseinandergelebt. Beide beschuldigen den jeweils anderen, sich zurückgezogen zu haben und nicht ans Telefon gegangen zu sein. Und zwar so lange, dass man sich nicht anders zu helfen wusste, als eine öffentliche Schlammschlacht zu starten und in irgendwelchen Podcasts laut über rechtlichen Beistand nachzudenken. Und sich nicht zu entblöden, öffentlich kundzutun, man wisse derzeit auch nicht, wer aktives Bandmitglied sei und wer nicht.
Das ist so dämlich, dass man lachen könnte. Wäre es nicht gleichzeitig so verdammt schade und unwürdig, wir hier das Vermächtnis einer großartigen Band, die als Teil der sogenannten "Peaceville Three" Geschichte geschrieben hat, weggeschmissen wird. Schade für die Musiker:innen, die das Ding zum Teil 35 Jahre lang durchgezogen haben. Und schade für die Fans, die seit 2024 mit salamitaktischer Kommunikation im Unklaren gelassen werden. Noch ein Auszug aus einem Statement:
Wir entschuldigen uns dafür, euch so lange im Dunkeln gelassen zu haben, aber wir leben in wahrlich herausfordernden Zeiten.
Ja Mann, das tun wir wirklich. Krisen und Kriege allerorten. Aber was haben herausfordernde Zeiten damit zu tun, dass MY DYING BRIDE 2024 erst Konzerte absagen – und dann doch wieder planen, allerdings mit einer klitzekleinen Info am Rande, "Juhu, wir spielen doch, aber unser Aushängeschild am Mikro, das kann, aus Gründen, leider nicht dabei sein, das macht jemand anders". Als Ersatz war dann nämlich Mikko Kotomäki (SWALLOW THE SUN) dabei, der mit Skinny Jeans, Beanie und mittelprächtiger Performance eher Fremdkörper als sinnvolle Ergänzung war. Mann, Mann, Mann. Ganz ehrlich, Leute: Was soll der Scheiß?
MY DYING BRIDE hatten immer eine Aura britischer Zurückhaltung. Umso peinlicher, dass das mutmaßliche und mutwillig selbst eingeleitete Karriereende daherkommt wie ein lauwarmer Furz, der in den Echokammern der sozialen Medien verhallt. Und währenddessen bringen PARADISE LOST – genauso alt, genauso ikonisch, genauso britisch – das beste Album ihrer späten Karriere raus.
So geht's halt auch ...