Geschrieben von Samstag, 12 Juni 2010 20:35

Motorpsycho - Heidelberg / Halle 02

motorpsycho



29.05.2010 - Ich stehe in einer fast dunklen Halle und fühle mich - marionettengleich - an akustischen Fäden bewegt. Der Ort, an dem ich mich befinde, ist komplett mit Schallwellen gefüllt. Sie tragen mich, wiegen weich und rütteln heftig, lassen wallen und beben, halten mich fortwährend in Bewegung. Völlig nach Belieben der Männer auf der Bühne. Mal scheint der Bass die Hauptfäden in der Hand zu halten, mal das Schlagzeug, dann die Gitarre. Dann wieder alle zusammen. Es fühlt sich unsäglich gut an, dies zu fühlen. Um mich herum mögen sich weitere gut vier- bis fünfhundert Menschen aufhalten, die ich aber lediglich als Randerscheinungen wahrnehme. Schließe ich die Augen, verschwinden Zeit und Raum, lösen sich in wunderschönes Nichts auf, welches sogleich vollständig von Musik ausgefüllt wird, die Körper, Geist und Seele sämtlich in Anspruch nimmt.
Nur wenige Tage nach ihrem Berliner Gastspiel bin ich erneut in der vom Glück begünstigten Lage, MOTORPSYCHO live erleben zu dürfen. Dabei wussten mich die Herren Ryan, Saether und Kapstad wiederholt auf´s Äußerste zu beeindrucken: es wurde mit wahrlich nicht zu bändigender Lust gespielt, Songs traten häufig und großzügig aus bekannten Gewändern hinaus, es reihten sich unendlich viele kleine teuflische Augenblicke aneinander, die Band rockte und rockte und rockte, als wäre sie gleichzeitig von Engeln, Dämonen und dem Teufel selbst geritten...

Es war kurz vor halb zehn, als die Norweger ihren so grandios kreativen Reigen an Klangkonstruktionen zu wirken beginnen ließen. Nach einem kurzen "Good evening" von Snah ging´s direkt los mit "Cornucopia (...or Satan, uh... something)" - ja, das Lied heißt (laut Plattencover) wirklich so. Nahtlos floss dies in "Starhammer" über, welches irgendwann zu "Riding The Tiger" mutierte. Danach gab´s eine erste winzige Pause zwischen den Stücken, in welcher der "Unknown Drummer" (so stand´s auf seinem Shirt zu lesen, welches er bereits jetzt schweißdurchtränkt ablegte...) das Intro zu "Plan #1" vom Band abrief. Ich war hin und weg...

Freundlicherweise wurden den Anwesenden auch Verschnaufpausen gegönnt: so wusste Snah bei "Giftland" per Keyboardklängen hervorragend die Atmosphäre zu verzaubern. Für zusätzliche Auflockerung der Improvisationen und kurze Erholung von dauerhypnotisch auf den Hörer niederpeitschenden Killer-Riffs sorgten außerdem gelegentliche Ansagen in höchst sympathischem Charme. So z. B. Bents Hinweis auf seine Traurigkeit über den Tod von Ronnie James Dio, was auch umgehend mit einer Hommage in Form eines RAINBOW-Covers ("Light in the Black") dem Publikum eindrucksvoll durch´s Gehör geschmettert wurde. Der Schwerpunkt des Sets lag indessen deutlich auf den letzten beiden Alben. Wenn mich die Erinnerung nicht trügt, waren davon noch "Whole lotta Diana" im Programm, "W.B.A.T." sowie "The Bomb-Proof Roll and Beyond".

Selbstredend  fehlten auch ältere Stücke nicht, wie "Like Always" (wie geil!!) und "A Shrug & A Fistful". Den Abschluss des regulären Sets bildetete das knallig treibende "X-3 (Knuckleheads In Space)", bevor mit "Mountain" krachend die Zugaben eröffnet wurden, welche in "Sinful, Wind-borne" überging und schließlich in einer wundervollen Version von "Greener", beide vom betagten Album "Blissard", endete. Nun war es an der Zeit, die Band ein wenig zu feiern, bevor diese ihren nicht nur höchst freudig dargebotenen, sondern musikalisch mal wieder absolut herausragenden Auftritt mit einem sehr starken "Gullible´s Travails" nach über zweieinhalb Stunden exzellent abrunden durfte.

An diesem Abend war Bent übrigens ausschließlich am Bass zu Werke, der von Anfang an schon sehr gute Sound wurde im weiteren Verlauf immer noch besser. Nicht weniger als blitzsaubere Arbeit des Mischers, der sich gar einmal direkt einmal ins Geschehen einmischte, indem er darum bat, die Gitarre ein wenig runter zu drehen, was der Kollege am Bass aushelfend übernahm und dabei amüsiert meinte, dies fühle sich an, als sei man wieder jung...

So darf ich hier also restlos begeistert verkünden, dass sich MOTORPSYCHO meines dezenten Erachtens derzeit auf einem weiteren, ganz hohen Gipfel ihres sich ohnehin schon in exorbitanten Höhen angesiedelten Schaffensgebirges bewegen.