Geschrieben von Dienstag, 29 Oktober 2013 15:28

Phinehas - Interview zu "The Last Word Is Yours To Speak"

Die Metalcoreler PHINEHAS sind hierzulande eher noch ein unbeschriebenes Blatt. Die vier Kalifornier haben die Band vor knapp fünf Jahren mit dem Vorsatz gegründet, den Hoffungslosen und Abgelehnten da draußen Gottes Liebe und Hoffnung näherzubringen. Wer jetzt an ewige Predigen und ruhige Töne mit Orgeluntermalung denkt, liegt falsch, denn PHINEHAS machen reinsten Metalcore, der ohne elektronische Spielereien auskommt und durch exaktes Timing, enorme Spielfreude und Frische überzeugt. Die vier Jungs beherrschen ihre Instrumente erschreckend gut und daher hagelte es bereits für ihr 2011 erschienenes Debüt "The Godmachine" von Kritikern und Fans jede Menge Lob und Anerkennung. Seit Juli steht der Nachfolger "The Last Word Is Yours To Speak" in den Startlöchern, welcher dem Debüt in nichts nachsteht. Ich bin begeistert und habe dies zum Anlass genommen, den super sympathischen Sänger Sean Thomas McCulloch mit ein paar Fragen zu löchern.

Hallo Sean, lieben Dank, dass Du Dir die Zeit für das Interview für BurnYourEars nimmst. Als erstes wäre es toll, wenn Du unseren Lesern Eure Band mal ein wenig vorstellst. Wie würdest Du Eure Musik beschreiben?

Ich würde sagen, wir machen Melodic Metalcore im Stile von HASTE THE DAY, AS I LAY DYING und KILLSWITCH ENGAGE. Wir konzentrieren uns ein wenig mehr auf die Metal-Seite des Metalcores: Gitarrensoli, Riffs und Grooves. Von trendigen, elektronischen Spielereien versuchen wir komplett die Finger zu lassen. Metal sollte meiner Meinung nach „pure“ und „raw“ gespielt werden.

Viele Leuten sagen dem Metalcore Genre nach, dass es langsam ausstirbt und überhaupt sehr stark stagniert und überflutet ist von ähnlich klingenden Künstlern. Was unterscheidet PHINEHAS Deiner Meinung nach von anderen Künstlern des Genres?

Wir versuchen mit unserer Musik definitiv nicht, das Rad neu zu erfinden. Wir spielen die Musik, die wir lieben, im Rahmen unserer Möglichkeiten und Fähigkeiten. Wir versuchen, gute Songs zu schreiben, wohingegen viele andere Bands des Genres sich darauf konzentrieren, den härtesten Breakdown aller Zeiten zu schreiben. Für mich zählen unsere Songstrukturen und unsere Gitarrenarbeit zu den Schlüsselfaktoren, die uns von anderen Bands abheben.

Wen würdest Du zu Euren musikalischen oder auch nicht-musikalischen Einflüssen zählen?

Unsere musikalischen Einflüsse sind extrem breit gefächert. Sie reichen von BRAND NEW bis zu CHILDREN OF BODOM. Mein größter, nicht-musikalischer Einfluss ist definitiv mein Bruder, der mein persönlicher Held ist und ein paar meiner Freunde, die immer an mich geglaubt haben und mich durch ihre Unterstüzung zu einem besseren Musiker und Menschen gemacht haben.

Als großer HASTE THE DAY Fan weiß ich, dass deren ehemaliger Gitarrist Scotty Whelan einst Mitglied bei PHINEHAS war. Hat Scotty PHINEHAS verlassen, um bei HASTE THE DAY einzusteigen und war sein Weggang ein großer Verlust für die Band, da er neben seiner Funktion als Gitarrist ja auch maßgeblich an den Vocals beteiligt war?

Ja, Scotty hat PHINEHAS verlassen, um bei HASTE THE DAY einzusteigen. Wir hatten damals noch keine konkrete Richtung eingeschlagen und die Zukunft der Band war unsicher. Er hat ein tolles Angebot bekommen und es angenommen. Als Musiker und Freund war sein Weggang ein großer Verlust, aber letztendlich hat es beide Parteien weitergebracht. Als Scotty nicht mehr da war, war ich gezwungen, den Part des Sängers komplett zu übernehmen und habe dadurch meine eigene Stimme erst richtig entdeckt.

Neben Scottys Weggang hattet Ihr noch ein paar weitere Veränderungen im Line-Up in der Vergangenheit. Wie habt Ihr diese Veränderungen kompensiert und was hat Euch motiviert, trotzdem weiterzumachen?

Unser letzter Manager Mitch Levine hat einen großen Teil dazu beigetragen, uns zu motivieren, immer weiterzumachen. Wir waren emotional wirklich kurz davor, unseren Traum aufzugeben und alles hinzuschmeißen, da alles so unsicher war. Ich denke, dieser Prozess war notwendig, um uns auf die Zukunft vorzubereiten. Wir sind alle durch diese Erfahrung gewachsen und schreiben das Ganze Gott und seiner Fürsorge gut.

Wie stehst Du persönlich zur heutigen Musikbranche? Ist es sehr schwer für Newcomer Bands, Aufmerksamkeit zu erlangen und sich mit der Band das Leben zu finanzieren?

Die Musikbranche ist mir immer noch fremd. Wir sind seit Jahren auf die DIY-Methode getourt, bis uns vor einem Jahr Frank Fanelli, der mittlerweile unser Booking Agent ist, eine Mail geschickt hat. Eine Sache, die ich sicher weiß, ist, dass ein großer Teil der Branche nur auf die abgefahrensten Trends baut. Ich denke, es ist extrem schwierig für junge Bands, aus eigener Kraft so richtig in Fahrt zu kommen. Es ist ein Teufelskreis: Ohne selbstständig zu touren, erhältst Du keinerlei Möglichkeiten – aber auf der anderen Seite ist es extrem hart, ohne die richtigen Leute und Möglichkeiten überhaupt auf Tour zu gehen.

Was sind Eure Jobs neben der Band? Ich habe beispielsweise gelesen, dass Du auch Shirts selbst designst?

Ich versuche mich ein wenig daran, für andere Bands Shirts, Artwork oder Web-Zeichnungen zu entwerfen. Außerdem entlade ich Schaukästen antiker Ausstellungen, wenn ich zu Hause bin.

Kommen wir zu Eurem aktuellen Album „The Last Word Is Yours To Speak“, welches Ende Juli erschienen ist. Ich persönlich finde es großartig und bin total dankbar dafür, nach HASTE THE DAY eine Band gefunden zu haben, die ebenbürtig ist. Wie seid Ihr den Schreibprozess des Albums angegangen – besonders auch auf die Lyrics bezogen?

Ich danke Dir! Ich freue mich, dass Dir das Album gefällt. Wir wollten, als wir den Schreibprozess für das Album angegangen sind, die Songs nichts zu sehr zu überdenken. Wir wollten einen natürlichen Fluss für die Songs, aber dennoch viel Abwechslung von Track zu Track. Textlich gesehen war ich gewaltig unvorbereitet, da ich zu sehr damit beschäftigt war, mit Jason (Combs; Gitarrist) an den Gitarren und den Songstrukturen zu feilen. Als wir ins Studio gingen, hatte ich lediglich für den Song „Fleshkiller“ die Lyrics fertig. Den Rest habe ich ein wenig in Eile nebenbei erarbeitet.

Für mich fühlte es sich so an, als hätte Gott im wahrsten Sinne „das letzte Wort“ im Studio, da ich so unvorbereitet war. Meine Herangehensweise an das Schreiben der Lyrics veränderte sich. Zuerst wollte ich davon schreiben, was ich anderen Menschen mitteilen möchte. Letztendlich schrieb ich darüber, was ich unbedingt von Gott hören wollte. Für mich persönlich hat sich „This Last Word“ textlich gesehen somit in ein sehr verletzliches und persönliches Album entwickelt.

Euer Debüt „The Godmachine“ wurde von Fans und Kritikern sehr positiv bewertet und aufgenommen. Standet Ihr daher sehr unter Druck, als Ihr angefangen habt, an „The Last Word Is Yours To Speak“ zu arbeiten?

Wir spürten den Druck definitiv und wollten keinesfalls einen halbgaren zweiten Aufguss vom Debüt abliefern. Dennoch haben wir uns, wie bereits erwähnt, vorgenommen, nichts zu überdenken. Wir glauben alle aneinander, nicht nur an unsere einzelnen Instrumente, sondern generell an uns als Musiker und diese positive Einstellung hat uns sehr geholfen.

Wie habt Ihr Euch musikalisch weiterentwickelt und wo siehst Du die Unterschiede, wenn Du „The Last Word“ mit Eurem Debüt „The Godmachine“ vergleichst?

Wir mussten uns gegenseitig immer wieder antreiben, um den geschriebenen Songs gerecht zu werden. Ich finde, auf „The Last Word“ sind wir im Vergleich zu „The Godmachine“ präziser und mehr auf den Punkt. Wir haben einfach versucht, gute, solide Songs zu schreiben, statt von Riff zu Riff zu springen. Für mich ist „The Last Word“ in jeglicher musikalischer Richtung unserem Debüt einen Schritt voraus.

Welcher ist Dein Lieblingssong vom neuen Album und warum?

„Dyson Sphere“ ist mein Favorit. Er hat sich in einer Jam-Session entwickelt und folgt keinerlei Formel. Ich bin ein riesiger Post-Rock Fan und war absolut begeistert vom Potential des Songs, nachdem Jason das Hauptriff geschrieben hatte. Außerdem hat einer meiner besten Freunde – Garrett Russel von der Band SILENT PLANET – einige Vocals zu dem Song beigetragen und ich finde die Art, wie er den Song beendet, einfach perfekt.

Du bist bei PHINEHAS ja sowohl fürs Growlen als auch für den Cleangesang zuständig, wodurch Ihr sicherlich im Studio auch häufiger mit verschiedenen Tonspuren arbeitet. Ist es live für Dich daher schwierig, den Studiosound umzusetzen oder helfen dort Deine Bandkollegen gesangstechnisch aus?

Es gibt generell immer kleine Veränderungen, wenn aus einem Studio-Song ein Live-Song wird. Wir versuchen tatsächlich, alle Stimmspuren auch live beizubehalten und teilen sie zwischen uns Vieren auf. Bryce (Kelley; Bassist) ist beispielsweise ist ein extrem talentierter Screamer und Sänger und Jason (Combs; Bassist) und Lee (Humerian; Dummer) sind ebenfalls unglaublich gute Sänger.

Ich bewundere Deine Lyrics und die positive Botschaft von Hoffnung und unendlicher Liebe, die Du mit ihnen vermittelst. Aber neben diesen Parts beinhalten viele Songs auch sehr brutale und düstere Textpassagen, die musikalisch beispielsweise durch aggressive Breakdowns unterstrichen werden. Daher gibt es bei Euren Shows sicherlich das ein oder andere Mal Aggressivität in den Moshpits. Wie steht Ihr als Christen zu den „violent Moshpits“?

Wir glauben, dass das Vermitteln dieser brutalen und grenzwertig-wütenden Parts sehr wichtig ist. Aber wir ermutigen die Fans bei unseren Liveshows keinesfalls zu Kämpfen oder gewaltätigen Ausschreitungen. Wir integrieren sie eher in unsere Shows mit Dingen wie dem Hochreißen der Metalhorns, durch Sprünge oder Circle Pits. Ich halte nichts davon, meine Lyrics zu beschönigen, damit sie genau zu meinen Ansichten passen. Jeder weiß doch, dass der jeweilige persönliche Moral-Kodex und die Art, wie wir letztendlich auf bestimmte Dinge reagieren, komplett voneinander abweichen können.

Ich versuche, was die Lyrics angeht, so ehrlich zu sein, wie es nur geht und manchmal beinhaltet das dann auch Emotionen, auf die ich absolut nicht stolz bin. Aber all diese Dingen sollen letztendlich darauf zurückführen, dass PHINEHAS eine Gruppe von Leuten sind, die ein enge Beziehung zu Gott haben und keine Bibel klopfenden Roboter, denen durch die Glaubenslehre eine Gehirnwäsche verpasst wurde. Unsere Lyrics und unsere Liveshows sollen die Werte Liebe und Zusammengehörigkeit vermitteln.

Die Leute hier in Europa sind, im Gegensatz zu den Amerikanern, nicht gerade offen, was ihren Glauben angeht. Ich persönlich bin sehr gläubig und das seit dem Tag, als meine Eltern mir als Kind mitgeteilt haben, dass wir alle sterblich sind. Von diesem Tag an habe ich angefangen, die Bibel zu lesen, fast täglich zu beten und auch häufiger zur Kirche zu gehen. Ich bin auch die einzige von fünf Geschwistern, die konfirmiert wurde. Ich persönlich weiß, woran ich glaube und es hat mir geholfen, meine Ängste und Dämonen besser zu verstehen und mit ihnen umzugehen, aber die meisten Menschen entgegnen dem eher mit Sätzen wie „Ah, Du wünschst Dir einfach nur, dass Gott existiert, damit Du Dich besser fühlst, aber eigentlich weißt Du genau, dass es ihn nicht gibt.“

Daher meine Frage: Wie hast Du zu Deinem Glauben gefunden und was hat Dich davon überzeugt, dass Gott existiert?


Ich kenne solche Sprüche von anderen Leuten nur zu gut. Ich empfinde es als tief verwurzelten Stolz, einfach zu sagen „Alles, was ich habe, ist genug und ich brauche keinen Gott“. Was Dir persönlich niemand nehmen kann, ist Dein eigenes Glaubenszeugnis und die Dinge, die Du mit eigenen Augen gesehen und mit Deinem Herzen gefühlt hast. Die Art und Weise, wie Du es erlebt hast, dass Gott Dich und Dein Leben bewegt hat. Aus diesem Grund weiß ich für mich persönlich, dass Gott existiert.

Es gibt keinerlei Beweise oder überzeugende Argumente, die meine persönliche Meinung diesbezüglich erschüttern könnten. Es ist, als würde man Quantenphysik jemandem erklären wollen, der lediglich an das glaubt, was er direkt mit eigenen Augen sieht. Natürlich wird er kein interdimensionales, mächtiges Lebewesen sehen, da er jenseits von uns ist. Es ist seine bedingungslose Liebe, die den Unterschied macht, keine gut durchdachte Hypothese oder irgendein Argument. Wenn ich in meinem Leben mal am Boden bin, ist die einzige Richtung, in die ich schauen kann, nach oben. Die Bibel veränderte sich für mich von einem Lehrbuch oder historischen Stück Literatur in ein Leben, welches aus einem Leuchtfeuer aus Hoffnung und Liebe besteht.

Ein Bekannter, der Geschichte studiert hat, sagte mir einmal, dass er überzeugt ist, dass Jesus zwar existiert hat, aber dass er nur ein Held seiner Ära war. Und dass die Bibel ein Buch ist, welches aus überlieferten Geschichten besteht, die zwar zum Teil wahr sind, aber eben auch viele erfundene Dinge enthalten. Was denkst Du darüber?

Ich würde sagen, wenn man Jesus nur als einen „Helden seiner Ära“ sieht, ist man absolut fehlinformiert über das Leben, welches er geführt hat. Durch die Dinge, die er behauptet hat, wie "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich" ist er entweder der, der er behauptet zu sein, oder einfach ein lügender Irrer. Es gibt eigentlich keine Grauzone in Bezug auf Spekulationen, wer Jesus wirklich war.

Ist es auf Tour teilweise schwierig für Euch, Eurem Glauben treu zu bleiben – besonders, wenn Ihr mit anderen Bands tourt, die gerne ausgelassen feiern?

Wir sind ja bereits mit einigen Party-Bands getourt und bisher war es nie ein Problem. Wir lieben es, mit anderen Bands anzuhängen und das komplett unabhängig von ihrem Glauben oder ob sie gerne feiern oder nicht. Dennoch denke ich, dass wir noch nicht in vollem Umfang erlebt haben, wie sich das Tourleben auf unseren Glauben auswirken könnte, aber auch das werden wir sicherlich sehr bald feststellen. Der beste Weg, meinem Glauben treu zu bleiben, ist die Rechenschaftspflicht meinen anderen Brüdern in der Band gegenüber.

Was sind Eure Träume und Ziele, die Ihr gerne mit PHINEHAS erreichen möchtet?

Ich habe dieses eine ganz bestimmte Ziel – einmal in der Lage zu sein, beim Wacken Open Air zu spielen. Für mich wirkt Wacken buchstäblich wie das coolste Metal-Festival, welches überhaupt noch existiert. Wir haben bereits auf so vielen Festivals gespielt, aber Live-Footage vom Wacken Festival haut mit jedes Mal komplett um. Dann würde ich gerne weitere, unterschiedliche Alben mit der Band schreiben, die unseren Sound und das Genre ausweiten: ein totales Metal-Album im Stile von CHILDREN OF BODOM und ein super melodisches und teilweise akustisches Album, das aber immer noch als Metalalbum durchgehen muss.

Meinst Du, wir bekommen in naher Zukunft die Möglichkeit, PHINEHAS auch mal hier in Europa live erleben zu können?

Ich denke, die Chance besteht definitiv und zwar sehr, sehr bald! Ich darf noch nicht zu viel verraten, aber wir befinden und bereits in der Planungs- und Vorbereitungsphase.

Wart Ihr denn privat schon einmal in Europa?

Lee, unser Drummer war bereits einmal in Europa. Wir anderen alle noch nicht. Wir sind alle super gespannt – es ist ein Traum, der wahr wird.

Was steht als nächstes an für PHINEHAS?

Als nächstes steht eine US Tour mit WAR OF AGES, THOSE WHO FEAR und COLLOSSUS für uns an, auf die wir uns bereits riesig freuen. Dann haben wir noch ein paar andere großartige Möglichkeiten und Angebote, über die ich aber wie gesagt noch nicht so viel verraten darf. Haltet einfach die Augen offen!

Ganz viel Glück für Eure Zukunft! Möchtest Du unseren Lesern eventuell noch etwas mitteilen?

Es wäre toll, wenn Ihr in unser aktuelles Album „The Last Word Is Yours To Speak“ reinhört. Ich denke, es hält für jeden Metal Fan etwas parat. Ich hoffe, Euch alle ganz bald persönlich zu treffen! Gott segne Euch! \MM/