
28.06.08 - Auch in diesem Jahr zog es mich zum Vainstream-Rockfest nach Münster. Denn im vergangenen hatte mich dieses kleine aber feine Ein-Tages-Festival mehr als nur überzeugt. Diesmal stimmte das Line-Up noch mehr, im Endeffekt war das Vainstream dann auch gar nicht mehr so klein. Zwei große Bühnen nebeneinander, 18 Bands und etwa 10.000 Besucher und insgesamt drei Motorcross Shows sprechen doch eine deutliche Sprache. Es wird interessant sein, was im nächsten Jahr beim Vainstream passiert.
Aber bevor ich vorausschaue, kommt erst mal eine kleine Nachbetrachtung der Ereignisse vom 28. Juni 2008. An diesem Samstag brachen wir zwar sehr früh auf, verpassten aber CALLEJON und bekamen auch draußen leider nur noch einen Song von SHAI HULUD mit. Was wirklich schade war, denn der klang mal richtig fett. Überhaupt soll die Hardcore Combo, die immer wieder deftige Metallbretter in ihre Musik mit einbaut, wirklich gut gewesen sein. Schade, das erste Highlight hatten wir schon mal verpasst, und da war es gerade erst 11 Uhr. Nachdem wir die Bändchen geholt hatten und durch den Eingangsbereich geschleust worden waren, bekamen wir auch vom zweiten Highlight nur noch drei Songs direkt mit.
THE GRIT aus London spielten wieder einmal ein wirklich gutes Set. „Surrender“, „I Came Out A Whom An Angry Cunt“ und „Geordies Song“ sahen wir noch, welche auch ausnahmslos zu den besten Songs der Band gehören. THE GRIT machten wir eine mehr als ordentliche Show und gingen nicht auf der großen Bühne unter. Mit ihrem Rockabilly meets Punkrock kamen die fünf Herren auch wirklich schon gut zu dieser frühen Stunde an. Nach THE GRIT gingen wir erst mal wieder zum Auto, denn sowohl BRING ME THE HOROZON mit ihrem Chaos-Metal und ihren Emo-Gedächtnis-Frisuren als auch NEAERA mit ihrem Metalcore wollten wir uns nicht anschauen. Bei BRING ME THE HORIZON ist mir auch noch der Abend von vor einem Jahr in Hannover im Gedächtnis, wo die fünf Herren sich erstmal schon keine Freunde mit ihrer Musik machten, und danach auch noch den Backstage-Bereich verwüsteten, so dass ein beträchtlicher Schaden entstand, den der Veranstalter übernehmen musste. Auch ein Grund, warum mir diese Band so was von am Allerwertesten vorbeigeht.
NEAERA dagegen sahen wir dann zum Schluss doch noch. Sprüche wie „kommt, macht mal ne Wall Of Death“ sind aber mittlerweile so out und lächerlich plakativ, dass eigentlich nicht mehr mit ihnen gerechnet werden kann. Und doch, NEAERA fuhren genau darauf ab. Und lieferten zusätzlich eine eher langweilige und schon tausend Mal gesehene Show ab. Dennoch kamen die Ruhpottler beim Publikum ganz gut an.
Es folgten NEGATIVE APPROACH aus Boston. Die Band hat sich 1983 bereits aufgelöst, gilt aber noch als eine dieser Wegbereiter Bands des 80er Jahre Hardcore. Nun haben sich die Herrschaften wiedergefunden, mit zwei von vier Originalmitgliedern. Aber was NEGATIVE APPROACH da ablieferten, war dann doch als grauenhaft zu beschreiben. Der Sänger war einfach nur am Bellen und Brüllen, was aber zu den Oldschoolgitarren und Riffs einfach nicht passen wollte. Da zeigte sich einmal mehr, dass nicht jede Reunion eine wirklich gute Idee ist.
Nun war es Zeit für sommerliche Musik. Und passend dazu begann es erst leicht, dann immer stärker zu regnen. Die MAD CADDIES waren an der Reihe. Und irgendwie hatte ich starke Befürchtungen, dass die Band hauptsächlich ihr eher ruhiges und sehr reggaelastiges neues Album „Keep It Going“ spielen würde. Und dieses gefällt mir ja nun überhaupt nicht. Aber jegliche Angst war unbegründet, denn die Jungs legten eine wirklich starke Show hin. Auf jeden neuen Song folgte mindestens ein alter Hit, und so blieben keine Wünsche offen. Insbesondere die Songs von ihrem vielleicht besten Album „Duck and Cover“ wurden begeistert gefeiert. Und da war es ganz egal, dass das Wetter nun eben nicht mitspielte. Songs wie „Monkeys“ oder „Road Rash“ sind aber auch richtige Partykracher. Nach 40 Minuten, der Zeit, die die meisten Bands zur Verfügung hatten, machten die MAD CADDIES Platz. Allerdings waren die Amis das erste richtige Highlight und überzeugten durch eine starke Songauswahl und viel Action auf der Bühne. Und wenig später, nach Beendigung der musikalischen und fröhlichen Sommerparty, kam auch die Sonne wieder raus, die sich dann auch nicht mehr vertreiben ließ.
Auch nicht durch den nächsten Metalcore-Hassbrocken. Denn ALL SHALL PERISH standen auf dem Programm. Und obwohl das ja überhaupt nicht so meine Musik ist, machten die Amis ihre Sache doch wirklich gut und wurden auch mehr als gut vom Publikum aufgenommen.
Und der Stilmix ging danach nahtlos weiter, denn nun standen die BROILERS auf dem Programm. Sammy und Co mussten aber auf Bassistin Ines verzichten, die sich unlängst das Schlüsselbein bei einem Fahrradsturz brach. Allerdings war sie dabei und half bei dem einen oder anderen Gesangspart mit aus. Aber auch der Ersatzbassist machte seine Sache sehr gut und fegte richtiggehend über die Bühne. Musikalisch gab es Punk, gemixt mit Soul und etwas Oi, interessanten Texten und einer gehörigen Portion Power. Immer wieder muss aber betont werden, dass insbesondere die Stimme von Sänger Sammy die Musik der Düsseldorfer so stark macht. Und so gab es neben Songs vom aktuellen Werk „Vanitas“, wie „Meine Sache“, „Geboren zu Gewinnen“, „Ruby Light & Dark“ oder „Zurück zum Beton“ auch viele alte Hits wie „Hexenjagd“ oder „Nur die Nacht weiß“. Auch wenn einige Titel-Highlights leider nicht gespielt wurden, so war das doch mal wieder ein mehr als gelungener Auftritt der BROILERS, die wieder unter Beweis stellten, dass sie zur Zeit vielleicht zu den besten deutschsprachigen Livebands im Punk/Oi-Sektor gehören.
Nun wurde wieder die Hardcorekeule geschwungen, kurz nachdem die nächste Motorradshow vorbei war. Insgesamt gab es davon drei, die aber wenig spektakulär und im Grunde auch ein wenig Fehl am Platz waren.
Aber zurück zum Line-Up, denn MADBALL waren an der Reihe. Die New Yorker Hardcore Heroen um Sänger Freddy prollten sich nun durch ein Programm, das viele alte Hits beinhaltete, wie „Set It Off“ oder „Hold It Down“. Aber es wurden auch jede Menge neuere Songs von den letzten Outputs „Legacy“ und „Infiltrate The System“ gespielt. Und die Songs kommen nun mal einfach nicht an alte Hits heran. Auch sonst gab es die üblichen plakativen Ansagen über die "Hardcore-Family" und die "Hardcore-Friends". Irgendwie war das alles aber zu unspektakulär, als dass diese Show von MADBALL mir lange im Gedächtnis bleibt. Das können die Herren auch einfach besser.
Nächstes Highlight: ANTI FLAG! Oder zumindest hätten sie das sein sollen, denn es folgten 40 Minuten Langeweile. Vor ein paar Jahren habe ich die Band in Hannover gesehen, und es war großartig. Aber nun mit neuem Album wurden hauptsächlich neue Songs gespielt, die Ansagen langweilten genauso wie viele der neueren Stücke. Irgendwie bewegt sich die Band mittlerweile in den Bereich der Unglaubwürdigkeit, was sie auf dem Vainstream unterstrich. Wir sind gegen jede Politik, gegen jede Art von Kapitalismus, aber haben einen Majordeal... irgendwie will das nicht passen. Zusätzlich waren einige Ansagen einfach nur peinlich. Auch wurden wenig alte Hits gespielt, die gerade auf einem Festival aber eigentlich immer Pflicht sind. So waren ANTI FLAG für mich bis hierhin die größte Enttäuschung im Line-Up des Vainstream Rockfests 2008.
Aber lange grübeln oder sich ärgern ging ja auch nicht, denn postwendend standen bereits die nächsten Musiker parat. Nun waren COMEBACK KID dran. Und die Hardcore Combo zog von Beginn an jede Menge Publikum in ihren Bann. Bei mir ist das aber etwas anders. Mir gefallen die Amis, die eine ganze Hardcore-Stilrichtung neu prägen, auf Platte immer besser. Live können COMEBACK KID einfach nicht so überzeugen, egal ob auf großer oder kleinerer Bühne, und so war es auch in Münster. Außerdem habe ich immer den Eindruck, dass jeder sowieso nur auf den Überhit „Wake The Dead“ der Band wartet. Und der kommt eben immer erst zum Abschluss eines Konzerts. So auch in Münster. Und bei diesem Lied rastet dann auch jeder aus. Wie dem auch sei, den Massen gefiel es, und so wurde das Publikum auch schon auf das nächste Highlight vorbereitet.
FLOGGING MOLLY brechen gerade alle Rekorde und spielen auf den größten Festivals in Europa. So war es auch nicht verwunderlich, dass die Band aus LA mit ihrem Folk-Punk auf dem Vainstream einheizen durfte. Und FLOGGING MOLLY waren wohl auch eine der besten Bands, obwohl Frontmann Dave King etwas angeschlagen wirkte, was er dem hohen Rotweingenuss vom vorherigen Abend zuschrieb. Dennoch brachten die Amis mit ihrem stark irisch geprägten Sound das Publikum in Wallung. Dabei mischten FLOGGING MOLLY Songs vom aktuellen Output „Float“, wie „Requiem For A Dying Song“, „Float“ oder „Paddy´s Lament“, mit älteren Übersongs wie „Drunken Lullabies“, „Whats Left of the Flag“ oder “Devils Dance Floor“. Selbst angeschlagen und nicht ganz auf der Höhe sind FLOGGING MOLLY immer noch eine der besten Livebands des Genres. Lediglich die etwas kurze Spielzeit, nach 35 Minuten war Schluss, schlug etwas negativ zu Buche, da wären sicher noch ein bis zwei Songs möglich gewesen. Aber an einem solchen Tag, an dem die Highlights ohne Pause ineinander übergingen, war das zu verschmerzen.
Und das, obwohl nun CALIBAN anstanden. Irgendwie gehen mir die Ruhrpottler immer gewaltig auf die Nerven. Ein Großteil des Publikums sah das freilich anders, und so hatten auch CALIBAN ihre Fangemeinde, die sie gehörig abfeierte. Da ich aber mit dieser Band nichts anfangen konnte, nutzte ich die Gelegenheit für ein Pläuschen und einen kleinen Einkaufsbummel bei den vielen Ständen, die auf dem Festivalgelände aufgebaut waren.
Als nächstes standen COHEED AND CAMBRIA auf der Bühne, die wohl lauteste Band des Tages, die sicherlich auch die Geister spaltete. Denn ihr Progressiver Post Metal, oder wie er auch sonst bezeichnet werden will, ist nicht jedermanns Sache. Dennoch zogen COHEED AND CAMBRIA alle Register und wussten zu begeistern. Und das, obwohl hier im Vergleich zu den bisherigen Bands etwas völlig anderes geboten wurde. Songs wie "No World For Tomorrow", "Welcome Home" und "The Running Free" kamen aber doch an. Und dann wurde auch “The Trooper” von IRON MAIDEN gecovert. Ich denke, spätestens da hatten COHEED AND CAMBRIA dann auch jeden Metal-Fan in ihren Bann gezogen. Auch wenn die Musik nicht so mein Fall ist, das war doch kein schlechter Auftritt und bereicherte das Rockfest ungemein.
Nun bog das Festival auf die Zielgerade ein. Mit TIGER ARMY stand die vorletzte Band auf dem Programm. Und die Psychobilly-Vorzeigeband spaltet aufgrund ihre Popularität die Fans. Auf jeden Fall legten Nick 13 und seine beiden Mitstreiter einen wirklich guten Auftritt hin, und das obwohl der Sound besonders am Anfang wirklich schrecklich war. Beim Gesang blieb das dann auch bis zum Ende, denn der war eigentlich immer zu leise. Aber die Songauswahl war wirklich gelungen. Auch wenn nicht alle Hits gespielt wurden, so gab es doch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen älteren und neueren Liedern. „Nocturnal“, „Afterworld“ und „Ghost Tigers Rise“ wurden gespielt, um nur ein paar der Songs zu nennen. Auch wenn der Gig wirklich gut war, bleibt die Frage bestehen, ob es klug war, die Band wirklich als Co-Headliner zu bringen. Denn nicht alle Leute waren an TIGER ARMY interessiert.
Und dann kam schließlich der krönende Abschluss. Obwohl ich schon sehr müde war, wie viele andere sicher auch, wartete ich gespannt auf SICK OF IT ALL. Und das Warten sollte sich lohnen. Denn die New Yorker Oldschool Hardcoreler spielten ihre letzte Europa Show für längere Zeit und legten noch mal richtig eine Schippe drauf. Egal, wie gut alle anderen Bands waren, SICK OF IT ALL spielten alle locker an die Wand und bewiesen, dass sie zurecht der Headliner an diesem Tag waren. Denn die Koller-Brüder, insbesondere Gitarrist Pete oder auch Bassist Craig Setari, wirbeln auf der Bühne wie Derwische, obwohl die 40 Lenze schon überschritten sind. Das ist ein wahres Vergnügen und zieht auch Leute in den Bann von SOIA, die eigentlich mit der Musik weniger anfangen können.
Und auch sonst war die Show einfach großartig. Da wurde mal eben ein Circlepit um den mehr als 50 Meter entfernten Regieturm angeordnet, dem auch fast alle Fans im Pit folgten. Das war ein wahnsinniges Schauspiel. Auch sonst rastete das Publikum völlig aus und zahlte jedes Quäntchen Energie, das SICK OF IT ALL auf der Bühne ließen, mit barer Münze zurück. Das war sicher das fünfzehnte Mal, dass ich die Band live sah, aber es war auch sicher eins der besten Konzerte. Und dann tat natürlich die Songsauswahl, die einem Best-Of Auftritt nahe kam, ihr Übriges. So spielten die New Yorker in gut 55 Minuten unter anderem „Step Down“, „Scratch The Surface“, „Sanctuary“, „Us vs Them“, “Potential For A Fall”, “Shut Me Out”, “Call To Arms”, “America”, “District”, “Built To Last”, “Busted”, “Closer” und natürlich vom aktuellen Album “Death To Tyrants” den Titeltrack, “Take The Night Off”, “Die Alone”, “Make A Mark” und viele mehr. Dann war irgendwann Schluss, und die Massen strömten glücklich aber erschöpft in die Nacht. Die Aftershowparty mit LONG CALLED DISTANCE schenkten wir uns.
SICK OF IT ALL setzten in allen Belangen dem Festival die Krone auf. Dieser Auftritt und das gesamte Festival machen auf jeden Fall Lust auf mehr auf das nächste Jahr. Die Organisation war sehr gut und so bleibt zu hoffen, dass das Ganze nicht noch größer wird. Denn sonst könnte doch bald das tolle Flair dieses Festivals verloren gehen.
Auf ein Neues beim Vainstream Rockfest 2009! Link: http://www.vainstream.de
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