Geschrieben von Donnerstag, 02 November 2006 23:08

Amplifier, Grand Volume & Elikan Dew - Hamburg / Knust



31.10.2006 – AMPLIFIER live zu sehen, ist ohne Frage ein akustischer Genuss. Dass es auch optisch interessant werden würde, war klar, nachdem mir Sänger und Gitarrist Sel Balamir im Interview verraten hatte, dass die Jungs Massen an Effektgeräten mit sich rumkarren und mehrere Amps auf der Bühne benutzen. Dass die Band aber auch aus reiner Freude am Abgehen jede Menge für’s Auge bieten und das Publikum derart begeistern würde, das war vor Konzertbeginn nur zu hoffen. Es sollte genau so kommen, aber dazu später mehr.


Nach einigem Warten eröffneten die Jungs von ELIKAN DEW um 21.15 Uhr den Abend und spielten ihren süßlichen Indie-Rock, irgendwo zwischen COLDPLAY und BUSH. Eine interessante Mischung, und auch wenn der Einsatz der Kopfstimme von Sänger Henrik Käthe für meine Begriffe ein wenig überstrapaziert wurde, der junge Vierer aus Berlin spielte souverän und erntete freundliche Anerkennung vom Publikum. Nur an der Kommunikation und am Bewegungsdrang haperte es ein wenig, da kam nichts rüber, und die Songs blieben namenlos – davon abgesehen ein gelungener Auftakt.

Zweite Band, GRAND VOLUME. Drei coole Säue aus den UK, die einen herrlich abgehangenen Alterna-Rock der Marke MOTORPSYCHO zum Besten gaben, dass es nur so staubte. Hier ging der Funke zum ersten Mal auch richtig auf’s Publikum über, zu wuchtigen Riffs und Melodien, leicht noisig und trotz fehlendem Bass ungemein druckvoll. Die beiden Gitarristen bekamen denn auch beim letzten Song Unterstützung von AMPLIFIER-Bassist Neil Mahony, und sogar GRAND VOLUME verstiegen sich für einen Song lang zu Kopfstimme und ruhig-atmosphärischem Melodienspiel, bevor wieder ungeschliffen abgerockt wurde. Eine starke Vorstellung, auch optisch durch ordentliches Rumposen schön unterhaltsam.

Ein Bier und einen Toilettengang später sprangen zwei lustig verkleidete Figuren auf der Bühne herum, drückten Schalter und prüften Hebel an den Massen von Effektgeräten, die am Boden verankert waren. Die beiden AMPLIFIER-Roadies sollten den ganzen Abend lang für kleine, witzige Aktionen (über die Bühne springen, Tanzen, Crowd-Surfen) sorgen, schließlich war Halloween und somit (fast) alles erlaubt.
Am Bühnenrand standen denn auch wie erwartet die Boxentürme, die weniger durch imposante Größe, als durch ihre Anzahl auffielen: Vier Stück für jeden Saitendehner. Wozu das gut war, das sollte wenig später klar werden: Um den Sound der beiden AMPLIFIER-Alben eins zu eins auch live umzusetzen – eine Kunst für sich, bei einer Drei-Mann-Band!

Das übersichtliche Knust war mittlerweile ganz gut gefüllt, aber es hätten durchaus noch einige Leute mehr hineingepasst. Zudem fiel auf, dass AMPLIFIER keine Kiddie-Band sind - etwa 90 Prozent der Zuschauer waren volljährig und somit angenehm entspannt, als die Band schließlich um etwa 23 Uhr die Bretter bestieg und mit „Gustav’s Arrival“ loslegte.

Was soll ich sagen: der Sound stimmte, die drei waren bestens gelaunt und freuten sich riesig über den herzlichen Empfang in Hamburg. Was die Fans von diesem Augenblick an geboten bekamen, war der AMPLIFIER-typische Wechsel aus eruptiven Riffbrechern Marke malendes Kraftwerk und hypnotisch-atmosphärischen Songbauten mit progressivem Rock-Einschlag, und zwar in Perfektion. Die ausgewogene Mischung aus Songs des Debüts und seinem Nachfolger „Insider“ erwies sich als goldener Weg: So ergänzten sich die aktuellen, eher schleppenden, riff-basierten Lieder perfekt mit dem wabernden Klangrausch und der aufgeräumtem Leichtigkeit der älteren Titel, die wie kleine Ruhepausen zwischen die neuen Song-Kolosse platziert und vermehrt ans Ende der Setliste gesetzt worden waren. In den Songpausen wurde stets die Armada von Effektgeräten bedient, hier ein Pedal aktiviert und dort ein Rädchen feinjustiert, doch nie kam es zu störenden Brüchen oder Pausen, alles schien wie ein natürlicher Fluss ineinanderzuklingen, auszuhallen, überzugehen.

Sänger Sel wirkte mit seiner dünnen Gestalt in der Baggyhose und dem kantigen, hageren Gesicht nur optisch wie eine Marionette – ansonsten wusste er sehr wohl, was zu tun war, um das Publikum zu begeistern: Zwischendurch stets das Wort an die Fans richten, Gehörschutze an die ersten Reihen verteilen und fast ebenso abgehen wie Bassist Neil, der ebenfalls vor Glück strahlte und immer in Bewegung war, und sei es, um im Entengang seine Tretminen neu zu richten. Dass er gegen Ende für einige Takte ins Publikum sprang und am Schluss sogar Schlagzeuger und Dauergrinser Matt Brobin hinter seinen Kesseln hervorkam, um sich neben Sänger Sel als Crowd-Surfer zu bewähren, spricht für die phantastische Stimmung im Knust: Einfach alle waren begeistert, und so sprach denn auch die Band zum Abschied vom „best gig so far“. Zur Zugabe kamen noch die Jungs von GRAND VOLUME auf die Bühne und legten zusammen mit AMPLIFIER und ihren Roadies ein „leicht“ chaotisches Abschiedstänzchen hin. Großes Kino!

Um 12.15 Uhr ging das Licht an, der Laden leerte sich und es blieb die Erkenntnis, dass eine der innovativsten Alben-Bands unserer Zeit auch live mit einer Spielfreude und Leichtigkeit die Bude zu rocken weiß, als hätten sie nur einen Verzerrer vor dem Amp und spielten simplen Rotz-Rock. – Wirklich beeindruckend. Dass schlussendlich noch Bassist Neil vor die Bühne kam, um mit einigen Fans zu plauschen, ist da schon fast nicht weiter erwähnenswert und untersteicht nur einmal mehr, wie sympathisch und Fan-nah sich die Briten gaben.

www.amplifiertheband.com
www.grandvolume.com
www.elikandew.de


Setlist Amplifier

Intro
Gustav’s Arrival
O Fortuna
The Consultancy
Panzer
Mongrel’s Anthem
Insider
Strange Seas Of Thought
Motorhead
Neon
Hymn Of The Aten
Airborne
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UFOs
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Glory Electricity

Fotos (c) BurnYourEars