Geschrieben von Donnerstag, 12 August 2010 00:00

Punchers Plant - Interview mit Sänger Phil zur "Homesick" EP



Wie überlebt man in einem Haifischbecken? PUNCHERS PLANT aus München versuchen es mit der Flucht nach vorne: die fünfköpfige Band hat eine EP aufgenommen und stellt diese Mischung aus melodischem Hardcore und dreckigem Punkrock für lau ins Netz. Da die Idee (zwar nicht neu, aber) gut und die Qualität der Songs mehr als hörenswert ist, baten wir Sänger Phil, uns ein paar Fragen zu beantworten. Schön, wenn eine Band den DIY-Gedanken so verinnerlicht und dabei noch was zu sagen hat!


Stell doch mal bitte dich und deine Band vor und erzähl uns eure Geschichte.


Wir sind Philip, Andy, Phil, Jasper und Beni von Punchers Plant. Die Geschichte in aller Kürze: 2005 haben wir uns gefunden, schlechte Songs vor wenigen Leuten für null Kohle gespielt. Tja, und 2010 spielen wir bessere Songs vor deutlich mehr Leuten und immer noch für so wenig Kohle, dass wir um eine schwarze Null auf Deutschlandtour bangen müssen. Davon haben wir seit der Veröffentlichung unseres Debuts "State of Fear" 2008 auf BSC/Roughtrade immerhin drei gespielt, was uns überglücklich macht. Danach haben wir die besten sechs neuen Songs ausgewählt, "Homesick" in den hauseignen Equalies Studios aufgenommen und für Umme ins Netz gestellt. Das war verdammt viel Arbeit, aber wir sind unglaublich glücklich mit der Scheibe und den vielen positiven Reaktionen!
Wie kamt ihr dazu, eure Platte für lau online zu stellen - und gab es vorab intern viele Diskussionen?

Oh Mann, ich weiß gar nicht, wie viele Stunden wir über die beste Möglichkeit der Veröffentlichung eines Nachfolgers von "State Of Fear" nachgedacht haben. Wir machen uns echt viele Gedanken über unsere Schritte, was ich für sehr wichtig halte. Insgesamt sind wir aber auf den selben Nenner gekommen: wir wussten, dass du als kleine Band in einer Musik abseits des Mainstreams nur überlebst, wenn du dir einen Namen erspielst. Du wirst nicht mit ein paar Zigtausend Euro in die MTV-Rotation oder auf Magazincovers gekauft. Nein, du bist auf jeden einzelnen Liebhaber auf einer Show im noch so kleinen Jugendzentrum angewiesen. Und genau diese Leute soll HOMESICK erreichen. Die sollen die Scheibe kostenlos runterladen, neugierig werden, ihren Freunden den Link schicken und sie schließlich mit auf ein Konzert von uns schleppen. Wenn ihnen dann die Live Show gefällt, so sind sie bereit, Bands auch finanziell zu unterstützen, indem sie sich das alte (oder das kommende) Album kaufen, Shirts tragen oder auch einfach im nächsten Jahr wieder die Tour zu besuchen. Für uns ist dieser Weg sinnvoll und wir hoffen, dass viele Leute ihn mit uns gehen werden.

Habt ihr einen Überblick, wie oft das Teil bereits runtergeladen wurde?

Wir sind jetzt seit längerem im vierstelligen Bereich. Das freut uns sehr, da es die EP erst seit knapp drei Monaten gibt. Ein toller Nebeneffekt: das Teil wurde in sämtlichen Punk- und Hardcore-Blogs von Frankreich über Tschechien bis Russland und Asien verbreitet. Das war ein Selbstläufer, und wir sind total überwältigt davon, wo man "Homesick" nun überall findet. Deren Downloadzahlen kennen wir aber nicht. Viel wichtiger ist für uns, dass Punk- und Hardcore-Fans in allen Teilen der Welt Zugriff auf sechs Songs haben, die hoffentlich noch lange in ihren Playern rotieren werden.

Denkt ihr bereits darüber nach, diese Praxis auch bei folgenden Veröffentlichungen anzuwenden?

Wir sind bereits in der Planung des nächsten Albums. Das wird wieder ein Full-Length mit etwa zehn bis zwölf Songs sein. Wir können noch nicht zu viel verraten, aber die Erscheinungsform wird sicherlich wieder anders sein. "Homesick" als Vorgeschmack ist super. Wem die Songs gefallen haben, der wird sicherlich daran interessiert sein, eine CD oder ein Vinyl der nächsten Scheibe zu kaufen. Bei "Homesick" konnten wir nur die reine Online-Version anbieten, keine gepresste CD mit Booklet. Aber genau das ist eigentlich wunderschön: ein Album als Gesamtkunstwerk, am besten zusätzlich als edles Vinyl. Die Kosten für tolles Artwork und eine CD aus dem Presswerk müssen natürlich finanziert werden, daher wird das nächste Release wieder verkauft werden.

Warum heißt die Platte "Homesick"?

"To be homesick" bedeutet so viel wie "Heimweh haben". Für uns bezeichnet das so viel wie die Suche nach einer geistigen Heimat. Wir sind Teil einer Generation, mit der wir uns kaum identifizieren können. Für uns sind Freundschaft, unsere Mitmenschen, gesamtgesellschaftliche Probleme und nicht zuletzt unsere Musik wichtiger als kurzfristiger Profit, Egozentrismus und die Flucht in die heile Konsumgüterwelt. Mir wird ganz anders, wenn ich daran denke, dass der Großteil der Münchener Studenten lieber vor DSDS abhängt, statt für freie Bildung aktiv einzustehen, und Überwachungskameras eigentlich doch als recht sicher bewertet. Das ist einfach nicht unsere Welt, und das verkörpert "Homesick". Wenn wir gemeinsam mit den Menschen vor der Bühne 60 Minuten absolute Erlösung genießen, wissen wir wieder, wo die geistige Heimat ist, nach der wir uns sehnen.

Ich habe euch in meinem Review als eine Mischung aus ANTI-FLAG und RISE AGAINST mit etwas mehr Hardcore beschreiben. Könnt ihr was mit dem Vergleich anfangen?

Erstmal ehrt uns das sehr, da beide Bands zu den Aushängeschildern der Musikrichtung gehören. ANTI-FLAGs "The Terror State" war ein grandios cleverer Rundumschlag in der Bush-Ära. Inzwischen hören wir die aber kaum mehr. RISE AGAINST dagegen sind für uns ein großes Vorbild, vor allem die Ära von "Revolutions Per Minute" bis "The Sufferer And The Wittness" hat uns sehr geprägt. Ich würde uns nicht unbedingt als Mischung aus diesen beiden Bands bezeichnen, da das eine Menge anderer Einflüsse unterschlagen würde. Aber sie haben unseren Bezug zu Punkrock und Melodic Hardcore sicherlich geprägt.

Eure Texte haben glücklicherweise wirklich Aussagekraft. Wie wichtig sind euch Inhalte?

Ich könnte nie über etwas singen, hinter dem ich nicht zu einhundert Prozent stehe. Aber die Inhalte sind für die ganze Band von großer Bedeutung. Ich denke, dass ein großer Teil der Energie - der auf der Bühne wie auch im Studio - dadurch zu Stande kommt, dass jeder von uns mit dem Text fühlt, wenn er sein Instrument spielt und die Wut, Resignation oder Hoffnung sich so auf die Musik überträgt. Das sind Betonungen auf bestimmten Wörtern, die mit einem Akkordwechsel und einem Beckenschlag zusammenfallen und erst so ihre explosive Wirkung entfalten. Das ist das Tolle an dieser Stilrichtung: nirgendwo sonst verschmelzen Musik und Inhalte so gut. Dabei muss das nicht ausschließlich politisch oder sozialkritisch sein. Es geht hauptsächlich darum, ehrliche Gefühle zu verarbeiten.

Ihr steht mit eurem Sound teilweise zwischen den Stühlen. In welcher Tradition würdet ihr euch sehen, bzw. welche Bands beeinflussen euch?

Wir sind froh, inzwischen eine ziemliche Nische in Deutschland zu besetzen: irgendwo zwischen New School Punkrock und Melodic Hardcore. Traditionsmäßig müssten wir da ja eine recht lange Linie ziehen, wahrscheinlich bis zu BLACK FLAG und Konsorten. Aber für uns war eher die spätere Generation einflussgebend: wir lieben STRIKE ANYWHERE, BOYSETSFIRE (R.I.P.), RISE AGAINST, IGNITE, ALEXISONFIRE, NO TRIGGER, WITH HONOR, COMEBACK KID und unzählige andere. Als Einflüsse kommen aber auch viele genrefremde Bands und Künstler hinzu, da darf man keine Schranken ziehen. Für den einen sind das Singer/Songwriter, für den anderen Künstler aus dem Jazz Bereich.

Was sind eure weiteren Pläne für dieses Jahr?

Jasper ist ein halbes Jahr in Neuseeland, ich bin in Mexiko. Daher sind unsere Live-Aktiviäten momentan auf Eis gelegt, was allerdings nicht bedeutet, dass wir inaktiv sind. Wir haben unzählige Ideen für das nächste Album, das wir nun angehen. Einige Songs und Texte stehen bereits, andere werden gerade geschrieben. Aber auch was Sound, Titel, Artwork etc. angeht, sind wir bereits am überlegen. Wir haben bei "Homesick" viel gelernt und fast ausschließlich positives Feedback von Hörern und Magazinen erhalten. Damit haben wir hohe Erwartungen an uns selbst, was die Zukunft betrifft. Schließlich wollen wir uns weiterentwickeln.

Famous last Words?

Erstmal danken wir dir und BYE für das Interview. Wir sind froh, dass es Leute gibt, denen unsere Musik etwas bedeutet. Euch ist "Homesick" gewidmet!
Ansonsten: www.homesickEP.com  - Spread the word!