Geschrieben von Robert Donnerstag, 25 März 2010 12:08
Engrained - Interview mit den Gitarristen Schorse und Carlos zu "Anger Roots & Rock'n Roll"
ENGRAINED aus Sarstedt bei Hannover sind eine dieser Bands, die es zwar in wechselnden Besetzungen schon seit Jahren gibt, die es aber aus unterschiedlichen Gründen nur bedingt über die regionalen Bekanntheitsgrenzen hinaus geschafft haben. Dennoch machen die Vier gute Musik in einer Schnittmenge aus Metal, Rock'n'Roll und Punk. Kürzlich kam die EP „Anger Roots & Rock `n Roll“ beim finanziell angeschlagenen Label SPV heraus. Warum das trotz Label-Krise geklappt hat, erklärten uns die beiden Gitarristen Carlos und Schorse.
Stellt euch doch einmal kurz vor.
Schorse: Ja hi, ich wäre dann Schorse. Ich spiele mit kurzer Unterbrechung ca. 10 Jahre bei ENGRAINED und vermeide es, zu singen. Die beiden, die hier jetzt nicht dabei sind, wären Fenne, das einzig verbliebene Gründungsmitglied der Band. Der spielt Bass und singt. Dann haben wir am Schlagzeug noch unseren nagelneuen Gonkel, der vorher bei ANSCHISS getrommelt hat. Wir sind froh, den gefunden zu haben, nachdem uns Axel (der alte Schlagzeuger) so kurzfristig und ohne Vorwarnung verlassen hat.
Carlos: Ja, und ich bin Carlos, Gitarrist und Backgroundsänger in einem…
Schorse: Stichwort Multitasking… bewundernswert.
Wie würdet Ihr eure Musik beschreiben?
Carlos: Ehrlicher, schnörkelloser Punkrock mit einprägsamem, eigenem Charakter.
Schorse: Das ist schwierig. Manche stecken uns in die Hardcore-Schublade, manche eher zum Punk Rock oder Punk'n'Roll. Also ehrlich gesagt mag ich solche Schubladen auch nicht gern. Wir machen irgendwie eine Mischung aus all dem, da jeder von uns spezielle Vorlieben hat. Auf jeden Fall ist es guter, schmutziger, ehrlicher Rock'n'Roll, und der Begriff passt ja für fast alles. Das gute an ENGRAINED ist, dass wir rockige Sachen spielen können oder auch mehr so Punk-Rock-Zeug, aber wenn unser Fenne darauf singt, klingt es eben nur wie ENGRAINED. Wir nehmen uns auch die Freiheit, einfach so zu sein und in keine Schublade reinzupassen. Der Spaß an der Sache ist uns da einfach am Wichtigsten.
ENGRAINED gibt es ja schon viele Jahre, warum habt ihr den wirklichen Durchbruch nie geschafft?
Carlos: Wir sind nie irgendwelchen Trends hinterhergelaufen. Unser eigener Stil und Spaß an der Musik standen immer Vordergrund.
Schorse: Da hat der Carlos Recht. Wir sind nicht wie die Geisteskranken dem Erfolg hinterhergelaufen und haben auf Biegen und Brechen versucht, irgendwo einen Deal zu bekommen. Es gab in der Zwischenzeit auch Angebote, aber nichts was uns jetzt begeistert hätte. Das soll jetzt um Gottes willen nicht arrogant klingen, aber was nützt es, wenn du alles selbst finanzierst, dann einen Partner hast, der deine Platte rausbringt (zu kaufen gibt es die dann auch nirgendwo so richtig), der keine Promotion macht und du bekommst nie ne Rückmeldung, wieviel du verkauft hast oder so? Dann kannst du es auch gleich selbst machen. Ich denke, mit Steamhammer / SPV haben wir jetzt genau den richtigen Partner – nicht zu groß, und die Jungs machen auch nen guten Job und tun das, was sie machen, korrekt und mit Leidenschaft.
Manchmal waren wir natürlich auch ziemlich faul oder es gab personelle Probleme, aber jetzt haben wir Blut geleckt und wollen mehr. Ich denke, mit dem derzeitigen Line Up werden wir auch auf jeden Fall die nächsten Jahre spielen. Na, vielleicht sogar bis ich in Rente gehen kann… das ist ja dann auch nicht mehr so lange, haha ...
Was ist in den letzten Jahren, in denen es immer ruhiger um euch wurde, bei euch so passiert?
Carlos: Wir haben immer unser Ding durchgezogen, obwohl es einige Wechsel in der Besetzung gab, die einen natürlich immer erstmal zurückwerfen. Aber jetzt drängt ENGRAINED umso stärker und gefestigter auf die Bühnen dieser Republik.
Schorse: Junge, Junge – schön gesagt, Carlos. Du bist ab sofort unser Pressesprecher.
Dann kam die EP. Wie seid ihr an den Deal mit SPV gekommen, einem Label, das gerade finanziell zu kämpfen hat?
Carlos: Wir haben verdammt viel Glück gehabt auf den SPV-Sampler "25 And Alive" zu kommen. Kann man nicht anders sagen. Unser Demo lag zum richtigen Zeitpunkt bei den richtigen Leuten auf dem Schreibtisch. Das war der Fuß in der Tür, dann kam eins zum anderen.
Schorse: Ja, die wollten neben den ganzen Helden wie SODOM, KREATOR usw. auch ne frische Band dabei haben, um nach der überstandenen Insolvenz zu zeigen, dass es weiter geht. Und das waren wir. Als der eiligst eingespielte Song – wir hatten genau einen Tag Zeit dafür, inklusive Mischen – dann auch ganz gut ankam, haben wir das Angebot für die EP bekommen. Das musste dann auch wieder sehr schnell gehen. Daher haben wir im Horus Sound Studio Hannover alles live aufgenommen. Nur Soli und Gesang kamen später drüber.
Was hat euch bei der Songauswahl beeinflusst? Warum sind es gerade diese fünf Songs geworden?
Carlos: Diese fünf Songs spiegeln am besten die einzelnen Facetten unseres derzeitiges Sets wider, was der Titel der EP auch verdeutlicht: Anger steht für die Songs "Traitor" und "Leave You Behind". In denen geht es um den Ärger über menschliche Enttäuschungen, wie sie bestimmt nicht nur wir schon mal erlebt haben, das ganze aber frei von allen Anzeichen der Resignation. Nach den beiden Songs geht es einem einfach besser. "Roots" steht für die POISON IDEA-Coverversion "Plastic Bomb", die seit Jahren fester Bestandteil unseres Livesets ist. Rock'n'Roll steht für "Pretty City" und "Rock'n'Roll Scum". Die Texte dieser Lieder bedienen keine Schublade, sondern sind absolut ernst gemeint. "Rock'n'Roll Scum" kannst du regelrecht als Liebeslied an alle sehen, die auf Konzerten immer in der ersten Reihe stehen und sich die Seele aus dem Leib pogen. Wegen solcher Leute machen wir Musik. Solche Leute sind der Motor, der uns antreibt.
Schorse: Pressesprecher, ganz klar…
Gerade der Song „Leave You Behind“ klingt auf einmal ganz anders als live und auf dem letzten Demo. Wie kam es zu der Entscheidung, den Song abzuändern?
Schorse: Wir hatten vor den Aufnahmen im Proberaum schon ein wenig an dem Song herumgebastelt, und da wir im Studio dann trotz Termindruck noch etwas Zeit hatten, haben wir etwas experimentiert. Der Song klingt so nun ein bisschen psychedelisch, finde ich. An dem Tag haben wir z.B. auch die zwei riesigen Lesley Kabinetts in einer Ecke des Studios entdeckt – so was gibt es heute gar nicht mehr, höchstens noch als Digital-Effekt - die haben wir dann für Rückkopplungen missbraucht. Also alles absolut analog, ja teilweise mechanisch, was da so auf unserer CD zu hören ist. Auf tolle Studioeffekte haben wir verzichtet. Wir wollten die Dinger eigentlich auch mitnehmen, als wir unseren Kram im Horus wieder zusammengepackt haben, aber leider passten die nicht in unsere lächerlich kleinen Autos rein. Ihr seht also, reich wirst du mit Rock'n'Roll nicht, aber wir haben jede Menge Spaß, und das ist ja auch was.
Warum habt ihr euch mit „Plastic Bomb“ für einen Coversong entschieden und keinen eigenen Song gewählt?
Carlos: "Plastic Bomb" hat seit Jahren einen festen Platz in unserem Liveset. An ein ENGRAINED -Konzert ohne "Plastic Bomb" ist eigentlich nicht zu denken. Da lag die Entscheidung nicht fern, den Song auch auf die EP zu packen.
Schorse: Viele Leute, speziell die jüngeren, kennen POISON IDEA auch gar nicht mehr. Die wissen zwar, das ist ein Coverstück, aber von wem das ist – keine Ahnung. Nimm es als Hommage an diese fantastische Band. Wir alle lieben POISON IDEA.
Ihr kommt ja aus Sarstedt zwischen Hannover und Hildesheim. Wie würdet ihr die Musikszene, die zweifelsohne bei euch vorhanden ist, beschreiben?
Schorse: Na, für so eine kleine Stadt wie Sarstedt ist eigentlich schon ziemlich viel los. Es gibt eine Menge Bands verschiedener Stilrichtungen bei uns. Das ist gut und hat auch Tradition in Sarstedt. In den 80ern gab es bestimmt alleine bei uns acht oder neun verschiedene Punkbands. Dann gibt es noch das jährliche Sarstedt Open Air, seit zwei Jahren das Malzfeld Open Air – da üben die meisten der Sarstedter Bands, Mühle Malzfeld und auch Konzerte im Klecks und live Blues in Rainers Rockhouse.
Ist es einfacher für eine Band ihr Ding zu machen, CDs aufzunehmen und Shows zu spielen, wenn sie aus einer Kleinstadt kommt, oder ist die Großstadt da doch von Vorteil?
Schorse: Ich denke, wenn du in einer Stadt wie Berlin oder Hamburg musikalisch aktiv bist – da geht da noch so einiges mehr als bei uns. Du hast da mehr Musiker vor Ort, mehr Auftrittsmöglichkeiten usw. Die Szene ist einfach größer und es gibt mehr Möglichkeiten sich untereinander auszutauschen aber… wir wollen hier mal nicht meckern. Sarstedt ist auch ein sehr schönes Fleckchen.
Wann kann mit einem richtigen Album gerechnet werden, und was ist darauf dann zu erwarten?
Schorse: Die EP hat uns gute Kritiken eingebracht und ich denke, wenn wir jetzt noch ein oder zwei CDs verkaufen, machen wir dieses Jahr noch eine komplette CD auf Steamhammer / SPV, was natürlich großartig wäre. Also, wer noch keine EP hat – jetzt losrennen und eine besorgen. Eure Oma freut sich sicher auch über ne ENGRAINED CD zu Ostern, oder nehmt am besten gleich zwei, haha! Wir brauchen euch!
Was ist zu erwarten? Ehrlicher, schmutziger Rock'n'Roll. Was denn sonst, denn für Hip-Hop sind wir definitiv zu alt.
Wie sehen eure nächsten Pläne aus?
Schorse: Wir machen neue Songs und wollen Shows spielen. Einige Dates stehen ja, und es kommen auch noch mehr dazu, aber weil alles so schnell passiert ist mit der EP, war die Planung einer richtigen Tour leider nicht machbar in der kurzen Zeit. Klar wäre das schön gewesen, wenn wir genau jetzt mehr spielen könnten. Also, ihr braucht ne Band für das nächste Bikertreffen… here we are. Wir sind für alles offen – Kontaktdaten gibt’s hier. Dann wollen wir natürlich hoffentlich dieses Jahr die volle CD aufnehmen und ne anständige Tour dazu in die Wege leiten. Das wäre ein perfektes Jahr für uns.
Abschließende Worte?
Schorse: Stay Rock'n'Roll, play loud, have fun…
Carlos, Schorse, danke für das Interview!
Engrained bei MySpace
Alle Artikel zu