Punkt 20:00 Uhr trifft man sich vor dem kleinen Club an der Elbe. Mir schwante schon, dass der Gig ziemlich ausverkauft sein würde, und so gut kann man im Ballroom eh nicht sehen, weil da diese dicke Säule mittenmang steht. Darum – so war der Plan – wollten wir Mädels lieber gleich ganz nach vorne. Aber erstmal heisst es warten, Freunde begrüßen und auf den Support UNCUT warten. Diese noch ungesignte, junge Band aus Hamburg ist so ein Ding für sich. Allesamt sehen sie aus wie kleine Buttjes, aber wenn die anfangen zu spielen, fallen regelmäßig Kinnladen runter. Besondern Sänger Tim (der mit Abstand am allerjüngsten aussieht, ca. 13 oder so) hat eine Rockröhre wie weiland Bon Scott selig. Ein Band-Durchschnittsalter von 20 trifft auf eine musikalische Qualität von etwa 30 Jahren Bühnenerfahrung. Unglaublich. Rotzrock der guten Sorte, Airbourne trifft AC/DC trifft Rose Tattoo. Das Publikum geht ab wie Zäpfchen. Den einen oder anderen Motzer hört man schon, aber ich bewerte das mal als puren Neid. Kann ja nicht angehen, dass so junge Kerle so gut sind… Einige Zeit später, gegen halb zehn, kriegt man kaum noch Luft im Laden. Hier sind eindeutig ca. 30 Leute zuviel drinnen, selbst für den 5-Meter-Weg zu den Toiletten braucht man locker zehn Minuten. OHRENFEINDT sind mittlerweile auf der Bühne angelangt und starten mit "Energie" voll durch. Kickstart, whooom! Die Stimmung ist innerhalb von wenigen Sekunden am kochen. Die ersten Reihen tanzen, wackeln und singen lauthals so ziemlich jeden Song mit. Ich wundere mich ein wenig über das Aussehen des Drummers, das ist doch nicht Stefan? Nein, der nette Mensch in Schlabbershirt und Jeans ist der Drummer von Torfrock, Olliwood. Er ist aushilfsweise eingesprungen, weil Stefan sich sein Knie geschreddert hat. Später humpelt der Arme noch an Krücken auf die Bühne und stellt lapidar fest : "Mann. Der macht das gut. Da brauch ich ja gar nicht wiederkommen…" Gitarrist Dennis geht wie immer völlig in seinem Spiel auf, wirbelt seine Matte und grinst in die Menge. Nur einmal guckt er irritiert, als zwei sehr kreischende Mädels ihm einen Hut vor die Füße pfeffern. Soll er wohl aufsetzen. Macht er aber nicht. Ich muss grinsen. Die Frau neben mir auch. Blöd, wenn der Angebetete so gar nicht reagiert… "Rock n Roll Sexgott", "Es Wird Tag Auf St. Pauli", "Mit Vollgas Und Blaulicht". Die Jungs um Sänger Chris Laut lassen nun wirklich keinen einzigen Song aus. Über zwei Stunden geht die Sause, die letzten Songs stehe ich hinten am Tresen, um wenigstens noch einen Kubikzentimeter Sauerstoff zu erhaschen. So, meine Damen und Herren, zelebriert man Rock n Roll! Ein verschwitztes Publikum und eine genauso lädierte aber glückliche Band haben sich gegenseitig immer höher gepusht. Perfekter Start in ein Wochenende. Wer immer mal die Gelegenheit hat, sich OHRENFEINDT live anzugucken: hingehen. Das dürfte niemand bereuen.
Foto (c) by Andy Wenk
Ein kalter, nasser Freitagabend nach einer langen stressigen Arbeitswoche. Was tun? Entweder mit einem Buch auf dem Sofa verkrabbeln und alles abschalten, oder – und das war die bessere Wahl – mal wieder in den Ballroom Hamburg fahren, um eine der coolsten Kapellen Deutschlands abzufeiern.
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