30.11.07 - Ich falle immer wieder darauf rein. Als eigentlich pünktlicher Mensch habe ich mich daran gewöhnt, ein wenig zu warten. Denn kommt man dann doch zu spät, haben die Bands, die man sehen wollte, schon gespielt. Grund für mich also, bereits eine halbe Stunde nach offiziellem Beginn auf der Matte zu stehen. Außer den Bands waren eine Hand voll zahlender Gäste und die Mannschaft um das Kulturzentrum in Selbstverwaltung gerade dabei, den Abend ins Rollen zu bringen.
Als eine gute Stunde später immer noch keine Massen in den Räumen streunten, begannen KAZAN, die an die Stelle der heimatlichen Damenband LIPKICK gerutscht waren, trotzdem zu spielen. Die Lockrufe der getragenen, rohen und weinerlichen Stücke sorgten für ein paar dünne Reihen vor der niedrigen Bühne im größeren der beiden Kellerräume. Das Dargebotene hatte kein Format von Welt, dröhnte aber angenehm emotional und authentisch.
Unter wenigen, aber zufriedenen Augen ließen die Franzosen den Vortritt dann aber HIRO. Auch Franzosen, auch in etwa die gleiche von Schreien, Weltschmerz und Melancholie getränkte Fahne. Im Gegensatz zu ihren Vorrednern waren diese aber nun wesentlich flotter und kantiger unterwegs. Nach dem vergleichsweise ruhigen Einstieg genoss ich die treibenden Rhythmen, und ehe ich mich versah, war der Spuk auch schon wieder vorbei.
Aufgewärmt und mit etwas mehr Besuchern versehen machte das mit einer niedrigen Decke versehene Gewölbe die Beine für DO ANDROIDS DREAM OF ELECTRIC SHEEP? breit. Melancholie und Herzschmerz mussten nun Politik, Geschwindigkeit und technischen Spielereien weichen. Die Luxemburger machten sich mit Schaum vor dem Mund über das Schild mit den musikalischen Spielregeln her, schlugen den Konventionen in den Bauch und tanzten irre über die versierten Fingerübungen an den Saiteninstrumenten. Neben dem krönenden Abschluss mein persönlicher Höhepunkt an diesem Abend.
GRAVE SHOVEL LET'S GO! waren zwar durchaus ordentlich, zeichneten sich aber nicht mit der Experimentierfreudigkeit der vorhergegangen und folgenden Bands aus. Trotz Geschrei und verzogenen Gesichtern fand ich keinen Zugang zu den Stücken, die nach dem wilden Epilepsieanfall wenige Minuten zuvor leicht belanglos wirkten. Die jungen Herren machten ihre Sache nichtsdestotrotz ganz gut und wurden auch von den inzwischen zahlreich Anwesenden mit Künstlerbrot bedacht.
JUNE PAIK sollten Freitag nun für die Schicht im Schacht sorgen. Mitternacht lag bereits ein zwei Runden hinter uns, und nach einem anstrengendem Tag rückte mein Bett im Kopf immer näher, das Haus war immer noch gut gefüllt und JUNE PAIK ließen mir einfach keine Wahl. Die kraftvollen und chaotischen Stücke, in denen die wilden und rasenden Passagen Hand in Hand mit den getragenen, bedachten und ruhigen - teils auch lärmenden - Zwischenspielen hervorragend harmonierten und eine spannende und angenehme Atmosphäre schufen, fesselten mich.
01.12.07 - Obwohl zahlreiche Konkurrenzveranstaltungen um meine Anwesenheit buhlten, entschied ich mich für den zweiten Tag. Erneut viel zu früh hing ich so ein wenig herum, aß etwas und erfreute mich auch schon bald an der Gesellschaft bekannter Gesichter. X-RAY CHARLES hatten abgesagt, aber es lagen trotzdem noch einige Perlen und akustische Bollwerke vor mir.
ALERT aus Kiel spielten eingängigen Hardcore-Punk mit viel Kopf. Die Ansagen vor den recht dünnen Reihen wirkten durchdacht, und obwohl ich mit der Musik nicht allzu viel anfangen konnte, nickte ich wohl unterhalten mit.
ALPINIST aus Münster sperrten nun die eingängigen Melodien in die lichtlose Abstellkammer und schüttelten eine Ladung Gewalt und Schwermut aus dem Ärmel. Dröhnender, dynamischer Hardcore mit vielen, vorrangig düsteren und bedrückenden Einflüssen, schwang zwischen den Kellerwänden. Ungeschliffen, roh, massiv, schmutzig und schwer wie ein russischer Tanker; und überzeugend.
SOFY MAJOR habe ich mir bereits einen knappen Monat zuvor am gleichen Ort entgehen lassen. Französischer Screamo war es bisher meistens wert, etwas näher untersucht zu werden, jedoch mischten diese Herren den Laden etwas heftiger auf. Chaotische und lärmende Strukturen hielten das Ungetüm lebendig und machten ein romantisches Wegträumen bei Kerzenschein eher schwierig. Der Bewegungsdrang äußerte sich also so nicht nur in ausgelassenen Aufenthalten im Publikum, sondern auch in der stetigen Unruhe der Stücke. Zwar hatte ich mir etwas anderes vorgestellt, war aber trotzdem ganz gut unterhalten.
DANSE MACABRE stellten zusammen mit dem Schlusslicht des Abends die vordere Front der durchaus renommierten Bands. Mit SLAYER-Shirt, dessen Ärmel modisch abgeschnitten war, und Maurer-Dekolte legten sich die Trierer ins Zeug. Der direkte und zackige Weg, den die Herren einschlugen, unterschied sich aber dennoch durch einzelne Herzblutpfützen von der viel befahrenen Technikautobahn, auf der Geschwindigkeit und Unzugänglichkeit die einzigen Maßstäbe sind. Wie nicht anders zu erwarten also ein ziemlicher Spaß.
LT. MOSH, die ebenfalls aus dem schönen Münsterland in den spätherbstlichen Schwarzwald angereist waren, machten bei ihrem nun folgenden Auftritt auch eine hervorragende Figur. Wie ihre Vorgänger auch wurden sie mit einem ordentlich gefüllten Raum und reichlich Wohlwollen empfangen.
Wirkten manche Passagen kurzzeitig verchromt und glatt, so dauerte es nur wenige Sekunden, bis ein erneuter, innovativer Epilepsieanfall der Regelmäßigkeit den Saft abdrehte. Unwahrscheinlich kurzweilig, engagiert und überzeugend hackten sich die Jungspunde durch ihre geschätzte habe Stunde Spielzeit.
Auf DENY EVERYTHING hatte ich mich zwar ziemlich gefreut, verpasste aber Dank ein paar kurzweiliger Gespräche den größten Teil. Als ich es dann doch noch schaffte, war ich auch nicht wirklich übermäßig begeistert. In dem teilweise genormten Hardcore-Punk fehlte die Experimentierfreude oder wenigstens ein Auftrieb, den man vielen konventionellen Bands ähnlicher Spielart nur schwer absprechen kann. Ordentlich, aber für mich keine Reise wert.
Vor TRAINWRECK kam nun eine alte Freundin auf mich zu. Die Müdigkeit legte wärmend und verführend ihre Arme um meinen Hals und ich rieb mir die Augen. Wirkten die dichten und gewaltigen Stücke der Ausnahmeband auch noch so überzeugend, mir fiel es schwer, mich auf den Beinen zu halten. Der Einsatz und Aufwand, der hier aufgeboten wurde, sei an dieser Stelle noch einmal ganz besonders lobend erwähnt. Mit Gänsehaut und einer so tollwütigen Aufführung im Rücken schlich ich mich in Richtung meines Fahrrads und fiel nach wenigen Minuten Halbschlaf glücklich und erschöpft ins Bett.
Fazit: Ein Wochenende, das schwer an Vielseitigkeit und Atmosphäre zu überbieten sein wird. Und obwohl im letzten Jahr das Angebot fast noch eine Nuance verführerischer aus dem Flyer guckte, werde ich im nächsten Jahr, sollte ich in der Nähe sein, auch wieder vorbeischauen.
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