Geschrieben von Montag, 08 Oktober 2007 16:55

Area 4 2007 - Der Festivalbericht


Review

 
Da versammeln sich etwa 10.000 Leute auf dem Flugplatz Borkenberge bei Lüdinghausen, um sich innerhalb von drei Tagen 27 angekündigte Bands anzusehen. BurnYourEars war mit drei Leuten dabei. Das Problem: Nicht jeder hat alles gesehen. Soweit normal. Noch blöder: Sowohl Kai als auch Lars wollten bzw. mussten das Gelände zwischendurch verlassen, so dass wir nun zwei Berichte abliefern. Kai legt vor, Kirsten und Lars ziehen gemeinsam nach.


Kai:

So, das war also jetzt das erste dreitägige AREA 4-Festival in Lüdinghausen. Nachdem es im ersten Jahr an einem Tag in Oberhausen stattfand und im zweiten Jahr leider durch die Absage von AUDIOSLAVE ausfallen musste, wurde diesmal der Borkenberger Flugplatz gerockt – und das Fazit ist auf jeden Fall klar: Klasse war's!

Auch wenn die Bandauswahl nicht unbedingt deutlich meinen persönlichen Geschmack repräsentierte, blicke ich auf drei mehr als gelungene Tage zurück. Und das hat vor allem mit der Atmosphäre und der Organisation des Festivals zu tun. Ich erinnere mich zum Beispiel noch schwitzend an die Wege, die wir beim belgischen GROEZROCK vom Park- bis zum Campingplatz zurücklegen mussten (und dabei mit Zelten und Kaltgetränken bepackt waren) oder die Horrorgeschichten, die einem beim Thema zum ROCK AM RING erzählt werden. Gut, das AREA 4 steckt noch in den Kinderschuhen und ist mit ca. 10.000 Besuchern auch wesentlich kleiner, aber selbst dafür war es noch große Klasse. Da ich so ziemlich „um die Ecke“ wohne, sind wir jeden Tag hingefahren (und abends wieder zurück) und haben eigentlich fast durchgehend lediglich ein paar Meter vom Eingang entfernt parken können. Drei Minuten später waren wir bereits bei unserer Zeltburg angekommen. Weitere fünf Minuten später konnte man bereits auf dem Festivalgelände sein (wenn nicht grade eine Band sehr viel Publikum anzog)! 
Die Wege waren also schon mal der absolute Komfort, und so ähnlich verhielt es sich auch mit anderen Rahmenbedingungen. Das „Wachpersonal“, die Leute an den Kassen und Eingängen und die paar Polizisten (die teilweise sogar an so wunderlichen Festivalsportarten wie „Hodenball“ teilgenommen haben sollen) waren alle überaus freundlich und verhielten sich nach der Maxime „easy going!“. Ähnlich auch die Besucher selbst: alles war sehr friedlich und entspannt – die Feuerwehr musste lediglich ein Dixi-Klo löschen…
Mit anderen Worten: alle waren zufrieden. Die Besucher, die Ordnungskräfte, die Besitzer des Platzes (obwohl man die eventuell erst nach den Aufräumarbeiten dazu befragen sollte…), die Veranstalter und alle anderen beteiligten. Lediglich die Zuschauerzahl war zu gering um auch nur annähernd kostendeckend zu arbeiten. Aber damit wurde gerechnet, da das Festival ja noch am Anfang steht und sich erst noch einen Namen in der hiesigen Festivallandschaft machen muss. Die ganze Sache wurde als Investition in die Zukunft gesehen.
Kommen wir also nun zu den Bands und werden persönlich.

Nachdem ich LEO CAN DIVE und die DATSUNS verpasst habe (beziehungsweise bewusst außen vor gelassen habe), waren die DONOTS für mich die Eröffnung der drei Tage. Vor einigen Jahren hatte ich sie mir mal satt gesehen und hab sie daher in den letzten Jahren nicht mehr so auf dem Schirm gehabt, aber ehrlich gesagt ist das mein eigener Fehler. Denn was immer man über die poppig gewordenen Ibbenbürener denken mag: Sie sind eine gute Live-Band. Und das stellten sie wieder mal unter Beweis. „Outshine The World“ wurde leider nicht gespielt, dafür aber ein paar andere ältere Stücke und witzigerweise mag ich live sogar ein paar von den Stücken, die ich auf Platte gar nicht ab kann. Die Jungs sind sympathisch, agil und wissen, wie man mit einem Publikum umgehen sollte. Da gibt es keinerlei Berührungsängste und es wird sich ungekünstelt publikumsnah gegeben. Und wenn man als Emo/Poppunk-Band schon mal ein Solo spielt, lässt man sich dafür auch schon mal beklatschen (vor allem, wenn man vor dem Song das Publikum nett darum gebeten hat). Sie selbst waren überaus stolz und glücklich zu erzählen, dass sie sich bald mit einem neuen Album zurück melden werden. Ich bin gespannt. Wenn ich mich recht erinnere, wurde das Akustikstück „Goodbye Routine“ so ziemlich zum Schluss gespielt, was ich etwas deplaziert fand. Da hätte man doch lieber den Platz auf der Setlist mit „We`re not gonna take it“ tauschen sollen. Aber egal. Schöner Einstieg!

SOULFLY
habe ich Volldepp leider nur streckenweise gesehen, da wir die Kaltgetränke (na ja…“Warmgetränke“) erst noch in ausreichender Form zu uns nehmen wollten. Aber selbst vom Zeltplatz aus war klar, dass hier gerade Großartiges passiert! Spätestens, als ein Stück auch von weitem deutlich hörbar von einer Akustikgitarre dominiert wurde, die dabei mächtig abging, hätte ich mir am liebsten selber in den Hintern getreten. Das klang richtig klasse! Endlich angekommen, konnte man die Bühne als eine Art Kampfplatz mit Tarnflecknetzen und Gasmasken etc. erkennen. Max schien ein wenig abgekämpft zu sein, legte aber noch eine gute Show hin und war alleine schon durch seine Präsenz ein Blickmagnet. Dabei war es vor allem der andere Gitarist, der durch sein Gekicke für Show sorgte. Aber eine Vollbedienung davon bekamen wir spätestens, als sich Max und seine beiden Saiteninstrumentalisten von selbigen verabschiedeten und sich an ein Percussion-Set stellten und anfingen „Stomp“ für Paramilitär-Fans zu veranstalten. Richtig geil! Natürlich habe ich auch noch „Roots Bloody Roots“ gesehen und kann jetzt einen Klassiker auf meiner Noch-Live-Zu-Sehen-Liste durchstreichen. Ich denke, dass der SOULFLY-Auftritt bereits ein ziemlich frühes Highlight des Festivals war, den ich leider nur zur Hälfte gesehen habe. Hätte ich gar nicht erwartet, dass die so gut sind. Also „so“ mit ca. drei „o“. Sehr gerne wieder!

Soulfly
SOULFLY

Auf die (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY habe ich mich aus ähnlichen Gründen gefreut: Auch Sänger Dennis steht zum Teil ja immer noch irgendwie für REFUSED und repräsentiert also wieder einen Klassiker der Marke „froh, das zumindest irgendwie mal live gesehen zu haben“. Aber damit täte ich TINC unrecht, da sie vollkommen eigenständig in Sachen Musik und Außenwahrnehmung sind. Ich fand den Auftritt der in Rot/Schwarz uniformierten Schweden gut und unterhaltsam, wobei mir Kollegen berichteten, sie in Clubshows schon um Einiges besser erlebt zu haben. Stark im Gedächtnis ist mir vor allem der Eindruck geblieben, sie alle nach Hause mitzunehmen und ihnen erstmal eine Suppe zu kochen. Ist das wohl schon Kleidergröße 0? Auf Albumlänge kenne ich die „Beat-Musiker“ gar nicht und war deshalb am meisten bei bekannteren Songs wie „Smash It Up“ unterhalten. Und irgendwie habe ich Sänger Dennis anscheinend auch immer unterschätz, denn so schlecht hat er gar nicht mal gesungen. Eine sehr nette „Rock-Show“, aber nach SOULFLY war das ein leichter Rückgang.

Bei den EAGLES OF DEATH METAL habe ich mal wieder gelernt, wie unbefangen ich in den letzten Jahren auf dem Sektor „Alternative“ geworden bin. Ich hab ja stumpf vermutet, Josh Homme von den QUEENS OF THE STONEAGE wäre nach wie vor hinter dem Drumkit der Band, wie auf ihrem Debütalbum (in welche Kategorie der fällt kann man sich vermutlich langsam denken – KYUSS und so…). Aber weit gefehlt. Das einzige mir bekannte Gesicht war bekennender Schnurrbartträger Jesse Hughes, der sich sehr rock'n'rollig gab und meine Enttäuschung durch seine Performance beinahe wett machen konnte. Der totale Entertainer eben und ganz witzig dazu. Die Band selbst wirkte wie eine Horde alteingesessener Musiker, die sich jetzt ein wenig dem Bluesrock hingeben. Das hätten auch TITO AND TARANTULA sein können. Na ja, beinahe. Warum sie aber so weit hinten in dem LineUp waren, verstand ich nicht ganz – ich hatte ja Josh Homme erwartet und sah jetzt „einfach irgendeine BluesRock/Alternative-Kapelle“. Sorry an die Fans der Band, ist nicht so gemeint. War halt einfach nicht wirklich mein Ding. Auch wenn Hughes zugegebenermaßen wusste, wie man eine Bühnenshow inszeniert, und nein, ich gebe ihm Recht, ich bin „noch nie von einem Schnauzbart so gerockt worden!“

Was wir bis zu dem Zeitpunkt gerüchteweise bereits gehört hatten, wurde nun von der Bühne aus bestätigt: SILVERCHAIR haben ganz spontan abgesagt. Es soll angeblich eine Lebensmittelvergiftung des Sängers gewesen sein. Schade, denn eigentlich hatte ich mich auf die Australier gefreut, aber was soll`s.

Dafür durften dann die MelodyPunkRock-Veteranen NOFX länger und früher spielen. Und ehrlich gesagt hat mich das auch entschädigt. Die Kalifornier waren eh einer meine Favoriten des kompletten LinUps. Ich hab sie früher zwar schon ein paar mal gesehen, aber in den letzten Jahren eben nicht mehr. Und so kam schon richtig Vorfreude auf, als Fat Mike und Co. anfingen. Und das taten diese natürlich nicht, ohne noch ein wenig über SILVERCHAIR und ihre Absage herzuziehen („Let`s give SILVERCHAIR a big hand for not showing up here!“). Aber hier bekam sowieso jeder sein Fett weg, ob SC oder UNDEROATH, Emos im allgemeinen, BIOHAZARD, welche laut Mike ja gar kein Hardcore wären (was er ihnen aber laut El Hefe ruhig schön selber und alleine erklären dürfe), MY CHEMICAL ROMANCE undundund. So ein wenig hat man das ja schon erwartet – gibt sich Mike doch eigentlich immer ein wenig als Lästermaul, aber trotzdem war das fast genauso witzig wie die Musik. Diese wurde von dem Quartet ziemlich solide gespielt. Und das ist auch ein kleiner Kritikpunkt von mir. Denn so sehr ich mich auch über den Gig gefreut habe, der Nachgeschmack, dass sie irgendwie etwas „routiniert“ klangen, blieb erhalten. Aber nach gefühlten 100 Jahren Punkrock und Shows passiert so was vermutlich. Sie selber sagten auch einige der Stücke mit solchen Sprüchen wie „There is no way that we are gonna play this next song right“ – es handelte sich anscheinend um den Tourauftakt. Aber ein wenig Understatement war das schon, denn spielerisch war es ja eben – solide. Witzig fand ich da auch den Bühnenbackdrop, der nicht viel größer als ein Bravoposter gewesen sein kann. Da haben wesentlich kleinere Bands auf dem Festival eine Ecke mehr für investiert. Neben einigen neuen Stücken und vielen Klassikern (vor allem Stücke von der „Punk In Drublic“ haben mich begeistert) gab es noch ein paar lustige Breakdance-Einlagen von El Hefe, die Auskunft, dass Fat Mike das dreifache des Geldes von Eric Melvin macht und am Schluss natürlich „Theme From A NoFX-Album“, also die bandeigene Hymne. Und dabei spielt ja bekanntermaßen der Melvin Schifferklavier. Und wenn der erstmal anfängt, hört der auch so schnell nicht mehr auf. Nach dem die Band bereits beim Abbauen (besser gesagt beim Trinken) war, spielte er noch lustig vor sich hin. Nicht wirklich gut, aber höchst unterhaltsam. Neben der Melodie von „Theme...“ kamen noch Versatzstücke aus einem Volkslied und einem ELVIS-Song drin vor, und immer wenn man meinte, er hat aufgehört, setzte er von vorne an. Lustig war`s!

NOFX
NOFX

Da ich ein Weichei bin, genoss ich den Komfort, abends wieder nach Hause zu fahren (bzw. gefahren zu werden) um im eigenen Bett zu nächtigen und die Vorzüge einer sauberen Toilette nutzen zu können. Herrlich, so ein Festival vor der Haustür. Frisch geduscht ging es dann am nächsten Mittag zurück auf das Gelände, um TURBOSTAAT anzusehen. Und das war auch genau die richtige Entscheidung! Ich hab zwar nur die erste Platte im Schrank, aber was ich bei MySpace von den letzten Alben gehört hatte, klang nicht weniger verheißungsvoll. Und genauso gut waren sie dann auch. Der Deutschpunk-Faktor ist um einiges zurückgeschraubt worden und sie klingen im positiven Sinne moderner. Coole Show, sympathische Band, gänsehautartige Atmosphäre, Nachttischlampen auf der Bühne und kein Verständnis meinerseits dafür, dass sie bereits als erste spielen mussten. Man merkte zwar, dass am Samstag mehr los sein würde als am Vortag, aber ich hätte zum Beispiel die Nordlichter an einer Stelle wie später MADSEN durchaus begrüßt. Aber wir haben sie ja zumindest gesehen. Und das „Leb` doch mehr wie deine Mutter“ hat uns irgendwie noch das halbe Festival über begleitet.

Von ITCHY POOPZKID kannte ich das aktuelle Album und war daher auch bereits voller wohlwollender Vorfreude, die vom Trio mehr als erfüllt wurde. Aber wer so einen dämlichen Namen und dann so geile Shirts wie „Itchy Who? Poopzkid, Motherfucker!“ rausbringt, ist mir schon mal sympathisch. Und genau dieses Wort umschreibt den Gig der drei Punker ziemlich gut. Sie schienen froh zu sein, auf so einem Festival spielen zu dürfen und feuerten vor allem aktuelle Songs in den frühen Nachmittag. Ein paar kleine Blödeleien mit dem Publikum und knackige Songs standen hier im Vordergrund. Auch ein Kollege von mir, der eher mit der „Pah, PopPunk - langweilig“-Attitüde an die Sache gegangen ist, konnte voll überzeugt werden. Das Trio war tight, der Sound war gut und sie nahmen sich selbst nicht allzu ernst. Würde ich mir ohne zu zögern noch mal ansehen!

MUFF POTTER
waren wie immer eine Bank. Direkt rotzig angefangen mit einem Lied über die deutsche Befindlichkeit und dann gut weitergerockt. Mit am meisten haben mich allerdings ältere Stück wie von der „Bordsteinkantengeschichen“ fasziniert. Auch hier gab man sich sehr publikumsnah – kein Wunder, die Band kommt ja aus Münster, was nur einen Katzenwurf weit entfernt liegt. Der Vater vom Schlagzeuger soll auch angeblich mal für einen Kinderbuchautor aus Lüdinghausen gearbeitet haben – da schließen sich Kreise. Und was mir vor allem im Gedächtnis blieb, war die unfassbar hässliche Jacke des zweiten Gitarristen. Junge, Junge, wohl vorher noch auf dem Flohmarkt gewesen? Gute Show, gute Songs, gute Stimmung!

Muff Potter
MUFF POTTER

Und mit FROM AUTUMN TO ASHES stand danach wieder einer meiner Favoriten auf der Bühne. Schlagzeuger Francis ist ja mittlerweile ans Mikro gewechselt, da der alte Shouter nicht mehr dabei ist. Würde nun also die tiefe Stimme fehlen? Der ehemalige Drummer hat ja eher eine hohe Keifstimme. Die Antwort ist: ein bisschen ja und ein bisschen nein. Ich hätte nämlich nicht gedacht, dass sie das Fehlen der Stimme so gut kompensieren können. Aber die ganze Band half mit und sang und schrie aus vollen Kehlen. Und auch wenn Francis seinen Job sehr gut machte (und teilweise doppelt so viele Einsätze hatte wie früher) war die Stimme auf Dauer doch ein wenig dünn. Nicht so weit, dass es wirklich stören würde, aber trotzdem fehlte etwas. Aber sei es drum. Die Band jedenfalls und allem voran Neu-Sänger Francis, der sich wie ein 120 kg Tier gebärdete, die Luft nur stoßweise ausatmete und sich immer wieder gegen die Brust hämmerte, als hätte er den NY-HC erfunden (und bei den gefühlten 40 kg Lebendgewicht sah das schon ein wenig lustig aus), gab Vollgas. Auch wenn der Fokus auf das aktuelle Material gelegt wurde, gab es noch das ein oder andere ältere Stück, welche auch am meisten abgefeiert wurden. Besonders „Alive Out Of Habbit“ hat mich eiskalt erwischt und überrascht. Ich hatte das Stück gar nicht als so dermaßen intensiv im Kopf gehabt. Und auch wenn Francis manchmal rumhampelte, als käme er aus der Pupsburger Augenkiste und hätte ein paar Fäden verloren, wurde der Auftritt den Erwartungen gerecht. Ich fände es zwar besser, FATA holten sich wieder einen Shouter mit dunkler Stimme an Bord, aber zwangsweise notwendig ist es nicht. Der Funke sprang auch so über und die Screamo/Metalcore-Band legte einen überzeugenden Gig hin.

From Autumn To Ashes
FROM AUTUMN TO ASHES

Nachdem ich jetzt vier Bands am Stück gesehen hatte, war erstmal eine Pause angesagt, und so verpasste ich die grandiosen BLACKMAIL. Aber jetzt war Bier und Festival-Fraß wichtiger. Auf ART BRUT hatte ich keine Lust, da mir die ganze Britpop/Rock-Geschichte nicht sonderlich viel gibt. Zum Schluss des Sets bin ich dann mal kurz hin und sah eine „nette“ Bühnenperformance. Irgendwas mit „Top Of The Pops“. Das Lied wurde dann ewig lange gespielt und so ziemlich jede Band des Festivals wurde in den Song integriert. Die Band wirkte souverän, aber nicht leidenschaftlich und die Bassistin mehr als nur abgeklärt – so stelle ich mir eher eine Probe als ein Konzert vor. Einzig der Sänger fiel da aus dem Rahmen und sorgte für gute Show. Diejenigen Weggefährten von mir, die ART BRUT mochten, relativierten aber meinen Eindruck, das Konzert soll also sehr unterhaltsam und witzig gewesen sein. War halt nicht mein Fall, aber das kann ich der Band ja schließlich nicht übel nehmen.

Welcher Band ich aber etwas übel nehme, ist die folgende. THE 69 EYES war mit Abstand das Langweiligste, was ich an den drei Tagen gesehen habe. Ich weiß, das viele der schwarz gekleideten Menschen vor allem für diese Band angereist sind und mich vermutlich überhaupt nicht verstehen werden, aber ich fand das albern. Die sahen aus, als würden die MISFITS versuchen als VILLAGE PEOPLE Geld zu verdienen und die Musik klang wie eine ganz schlechte und ganz langweilige SISTERS OF MERCY Kopie. Aber die habe auch mal live gesehen und das war Gold gegen das, was sich mir jetzt bot. Immer wieder der gleiche langweilige Midtempo-Beat, die gleichen berechenbaren Rocksongs, die lediglich durch die grabestiefe Stimme des Sängers in den Bereich Gothic gedrückt wurden. Ansonsten war das noch einfallsloser als die meisten HIM-Platten. Uhhhh, schnell weg, bevor ich vor der Bühne einschlafe.

JULIETTE & THE LICKS
dagegen waren eine der Überraschungen des Festivals. „Ist halt ne Schauspielerin“ habe ich vorher noch so bei mir gedacht – aber denkste! Die hat ja richtig Stimme! Und mit ihrer knallengen Latexhose und der Indianerfeder im Haar hat sie so richtig Gas gegeben. Ihre Band spielte bluesigen Rock mit Punkwurzeln, der gut nach vorne ging, nicht spektakulär aber schwer in Ordnung war, während sie die totale Frontsau gab. Sie wusste, wie man mit einem Publikum umging, warf sich ordentlich in Pose und rockte, was das Zeug hält. Das hätte ich dieser spindeldürren Schauspielerin wirklich nicht zugetraut. Ich bin mehr als angenehm überrascht!

Auch wenn ich die HIVES nicht sonderlich mag, wollte ich mir zumindest das Spektakel nicht entgehen lassen. Der Platz vor der Bühne war jetzt zum ersten Mal so stark gefüllt, dass man endlich das Feeling eines großen Festivals bekam und die Light-Show wurde durch die Dunkelheit intensiver. Ich hab die HIVES mal vor ein paar Jahren im Vorprogramm der ÄRZTE gesehen und fand sie damals schon nicht so berauschend. Und genauso wie damals, hatte sich ihre Show nicht sonderlich verändert. Im Kern des Ganzen ging es darum, dass sie dem Publikum erzählten, wie toll sie doch seien und was für ein Glück die Menschen doch hätten, sie live sehen zu dürfen. Wer will, kann sich da vor Ironie kugeln gehen, aber wenn das die einzige Aussage auf der Bühne ist, langweilt mich so was. Allerdings gebe ich zu, dass mir ein paar Stücke ganz gut gefallen haben (was meist dann auch die Singles wie „Idiot Walk“ etc. waren) und man den Beat schon ziemlich unbewusst in den Tanzbeinen hatte. Auf der anderen Seite war der Beat aber auch irgendwie immer gleich und die Songs strotzen ja nicht grade vor Abwechslungsreichtum. Sehr positiv ist mir allerdings ein bis dato unbekanntes Stück im Gedächtnis geblieben. Ich will ja jetzt nicht „Fick-Lied“ sagen, aber so ein wenig ging das schon in Richtung „You Can Leave Your Hat On“. Zum Großteil nur aus zwei Akkorden bestehend und durch die Scheinwerfer in ein beinahe laszives Rot getaucht, viel das Stück schon ziemlich aus dem Rahmen. Und in der Mitte des Stückes setze die Band auf einmal aus und verharrte ein bis zwei Minuten einfach als Standbild auf der Bühne, um dann unvermittelt wieder einzusetzen. Das war schon ein sehr witziger Showeffekt. Ich habe mir erzählen lassen, dass es da wohl auch ein Video zu gibt, in dem sie ähnliches machen. Kam auf jeden Fall sehr gelungen rüber und stach deutlich aus dem Set heraus.

Headliner des Abends waren dann BILLY TALENT, die ich mir auch nicht entgehen lassen wollte. Ich höre die Band zwar privat nicht auf Albumlänge, mag aber die Singles durchaus und habe auch auf ihren Alben schon die ein oder andere Perle entdeckt. Nur am Stück ist mir das halt zuviel. Nicht ganz so aber doch zumindest ähnlich verhielt es sich dann auch mit ihrem Auftritt. Die Band war gut, dynamisch, hat sauber gespielt (selbst die sich überschlagende Stimme war zu ertragen) und der Sound war bestechend gut. Aber auf Dauer fiel mir dann schon auf, dass sich leichte Ermüdungserscheinungen breit machten. Aber davon mal abgesehen, legten die Kanadier ein beeindruckendes Set mit vielen Hits und sehr viel Spielfreude hin. Vor allem Shouter Ben war nicht zu stoppen. Und so sauber wie Gitarrist Ian seine teilweise schon recht abgefahrenen Riffs spielte, wurde mir auch klar, warum das Quartett Headliner auf so einem Festival sein konnte. Sie können das, was sie machen, einfach verdammt gut, und sie haben jede Menge Energie, die sie auf das Publikum loslassen. BILLY TALENT werden zwar auch nach wie vor nicht zu einer meiner Lieblingsbands, aber ich kann ihren Status mittlerweile nachvollziehen und verstehen, warum so viele Leute auf die Kanadier stehen. Schönes Konzert mit vielen bekannten Mitsingsongs und Hits!

Billy Talent
BILLY TALENT

Nach der nächsten Nacht im heimischen Bett haben wir morgens doch glatt verpennt und THE DRAFT zum Großteil verpasst. Sauerei, da ich die ja eigentlich sehen wollte. Auf der anderen Seite fand ich die beiden Stücke, die ich noch gesehen habe, ziemlich genauso, wie vor ein paar Monaten in Münster. Irgendwie waren die einfach nur „gut“. Dabei müssten sie bei der Vorgeschichte mit HOT WATER MUSIC doch eigentlich „verdammt gut“ oder besser sein. Naja, sehr solider Punkrock mit leichtem Emoeinschlag (falls ich mir das nicht sogar nur durch besagte Vorgeschichte einbilde) mit eben dieser sehr außergewöhnlichen Stimme. Kann man sich eigentlich immer wieder anhören, wenn es dann auch nicht unbedingt eine Offenbarung ist.

THE FILMS
habe ich mir gespart, da die Jungs schon so nach langweiligem Britrock aussahen und bei den ersten paar Tönen auch schon genauso klangen. Also lieber wieder zurück auf das Zeltgelände und mal langsam angehen lassen. Und da wir grade so schön dabei waren, es locker angehen zu lassen, habe ich auch direkt mal JINGO DE LUNCH verpasst. Naja, so genau hab ich die damals eh nicht mitbekommen und war dann auch nicht sonderlich scharf, sie im neuen Jahrtausend mal zu sehen. Ein ebenfalls schreibender Kollege erzählte mir aber, sie hätten schon ziemlich wie „Altrocker“ gewirkt und waren eher unspektakulär. Sie selber sollen allerdings sehr angetan davon gewesen sein, vor frischem Publikum zu spielen. 

Kommen wir nun also wieder zur deutschen Alternative Szene. Obwohl MADSEN im Vergleich zu TURBOSTAAT oder MUFF POTTER vermutlich schon Mainstream sind. Und so ein kleines bisschen bin ich auch an dieses Konzert herangegangen – und wurde eines Besseren belehrt. Die Jungs rockten sich ordentlich durch ihr Programm und ließen Hits wie „Die Perfektion“ (das Geschrei wurde vom Publikum übernommen) oder „Goodbye Logik“ vom recht gut vertretenen Fanvolk abfeiern. Der riesige Bühnenbackdrop erinnerte mich an NOFX, welche am ersten Tag lediglich ein kleines Poster für den Job verwandten. Na ja, jedem das seine. Die Band selber wirkte sympathisch und hielt dem Publikum immer wieder augenzwinkernd vor, wie müde es nach drei Tagen Festival aussieht. Aber je länger der Gig dauerte, umso wacher wurden die Massen vor der Bühne, was natürlich auch von der Band honoriert wurde. Ehrlich gesagt hat es mich gewundert, dass mir MADSEN doch so gut gefallen haben. Scheiß auf Charts – die Band war doch gar nicht so schlecht!

Madsen
MADSEN

Mit SPARTA kam dann eine Band auf die Bühne, die ich zwar sehen wollte, aber keine großen Erwartungen mit verknüpft hatte. Ich kannte und mochte kleine Teile ihrer Diskografie, aber hatte ihre Musik nicht sonderlich präsent. Und das war definitiv mein Fehler, denn die Band hat anscheinend mehr Aufmerksamkeit verdient, als ich ihnen bis jetzt zugebilligt hatte. Denn im Endeffekt war sie eine der Überraschungen des ganzen Festivals für mich. Die Band war tight, gut gelaunt (direkt im ersten Song segelte der Gitarrist durch seine Bewegungsfreude bedingt in seinen Verstärkerturm und sorgte erstmal richtig für Aufsehen auf und vor der Bühne – aber die Band nahm es gelassen und ließ sich dadurch eher noch weiter motivieren) und heiß auf ihr Publikum. Wer SPARTA immer noch als „nur die kleinen Brüder von AT THE DRIVE IN" sieht, tut ihnen definitiv unrecht, da ihr Posthardcore über unheimlich viel Atmosphäre und Spielfreude verfügte und ein absolut gerechtfertigtes Selbstbewusstsein vor sich her trug. Ganz im Stile der Großen ging der Sänger an die Barrikaden, ließ die Fans mitsingen und gab sich publikumsnah. Je länger der Gig dauerte, umso größer wurden unsere Münder – so gut hab ich die echt nicht auf dem Zettel gehabt. Wer die Möglichkeit hat, diese Band mal live zu sehen, sollte sich das nicht entgehen lassen. Auf dem Area 4 waren sie auf jeden Fall energetisch, ausgelassen und leicht berauschend.

Sparta
SPARTA

Ähnlich erging es mir auch bei …AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD, die mir direkt im Anschluss an SPARTA zeigten, dass ich hier einige Bands unterbewertet hatte. Ihr Alternative- bzw. beinahe schon psychedelischer Rock hat mich und ziemlich viele andere Menschen umgehauen. Nur mal so als Beispiel: selbst der Roadie der Band hat sie ohne Unterlass abgefeiert! So stand er in eine orange Sicherheitsweste gekleidet neben der Bühne, stimmte gefühlte 100 Mal Gitarren, riss die Arme in die Luft, sang mit und hüpfte quer über seinen Teil der Bühne. Und ein ähnliches Bild wird man wahrscheinlich auch von der Bühne auf das Publikum aus gehabt haben. Das Musiker-Kollektiv wechselte andauernd zwischen den Instrumenten und sorgte so für immer neue Konstellationen und Soundmöglichkeiten. Besonders beeindruckt war ich, wenn zwei Schlagzeuger gleichzeitig gespielt haben. Selbst bei schwierigen Passagen waren sie absolut synchron und aufeinander abgestimmt. Während des kompletten Konzertes gab es keine Sekunde Langeweile und immer wieder neue Impulse von der Bühne. Man hatte teilweise das Gefühl, bei einer riesigen, verdammt gut funktionierenden Jam-Session dabei zu sein. AYWKUBTTOD (das wollte ich immer schon mal abkürzen!) hatten Druck, Vielfalt, Genie und vor allem Einzigartigkeit und stachen mit ihrem Konzert der irgendwie anderen Art absolut aus dem Rahmenprogramm heraus. Und auch die Intensität, mit der die Musiker selber in ihren Soundlandschaften und Rocksongs aufgingen, war inspirierend. Nach diesem grandiosen Konzert bin ich mit einem dicken Grinsen im Gesicht zurück zum Sammelpunkt unseres Trüppchens geschlurft – fertig, aber hoch zufrieden.

Da ich mittlerweile aber das Festival ziemlich in den Knochen spürte (bzw. die nicht unbedingt geringen Mengen Flüssigkeit) und am nächsten Tag wieder zur Arbeit musste, entschlossen wir uns dem Motto „Man soll gehen, wenn es am schönsten ist“ zu folgen und langsam den Heimweg anzutreten. So verpasste ich MANDO DIAO, die ich aber eh nicht unbedingt sehen wollte, und TOOL. Letzteres war natürlich ein herber Verlust, aber ehrlich gesagt, wollte ich mich noch ein paar Stunden auf der Couch runtertakten, bevor ich am nächsten Tag wieder mit Kindern arbeiten musste. Schade, aber ich war einfach ein bisschen fertig nach drei Tagen durchfeiern.



Kirsten und Lars

Endlich mal wieder ein Festival - Mann, das wird jetzt aber auch echt mal wieder Zeit. Okay, es ist von der Größe her nicht das Hurricane- Festival oder Rock am Ring, aber dafür ist das AREA 4-Festival als eines der letzten Festivals in dieser Saison gleich um die Ecke und immerhin haben sich einige sehenswerte Bands angekündigt, die man doch gerne mal mitnimmt, besonders für einen vergleichsweise günstigen Eintritt von knapp 70€. Doch bevor wir uns mit unserem rollenden Untersatz auf den Weg machen können, ruft erst noch die Arbeit. So kommen wir also erst am Freitagnachmittag auf dem noch beinahe leeren Parkplatz des Festivals an – und müssen erstaunlicherweise trotzdem in der letzten Reihe parken, schön weit entfernt vom Festivalgelände. Zu blöd, dass wir den abgetrennten Presse- Parkplatz nicht bemerken, so dass wir also den weiten Weg auf uns nehmen und unser Festivalinventar erstmal zum gewünschten Plätzchen schleppen. Vom Campinggelände aus hören wir noch die letzten Klänge von den DONOTS, die als dritte Band nach THE DATSUNS und LEO CAN DIVE spielen. Macht aber nix, denn für uns startet der Festivaltag sowieso erst richtig mit der folgenden Band, nämlich SOULFLY.

Am Freitag ist also SOULFLY gegen 17.30 Uhr die erste Band, die unser zu diesem Zeitpunkt noch aus nur zwei Leuten bestehendes Team zu sehen und hören bekommt. Max Cavalera, wie so häufig in Camouflage-Klamotten gekleidet, und seine aktuellen Mitstreiter legen erstmal ein Brett vor, oder genauer gesagt deren vier, bis mit dem SEPULTURA-Klassiker "Roots Bloody Roots" ein erster Höhepunkt des Sets erreicht wird. Da lässt sich auch das - bei einem Alternative-Festival nicht verwunderlich - eher dem Alternative-Lager zuzuordnende Publikum nicht lumpen und schüttelt die in unterschiedlichstem Ausmaß vorhandene Haarpracht. Genug Platz hat es dafür auch, denn auch wenn sich das Volk artig direkt vor der Bühne zusammenballt, kann von Enge nicht die Rede sein. Nach besagtem "Roots Bloody Roots", das natürlich im lauten Applaus endet, greift Marc Rizzo für "Mars" zur Doppelgitarre und beweist, dass er neben brachialen Thrash-Riffs auch die eleganten Flamenco-Licks beherrscht, die für unseren Geschmack sehr gut in das ansonsten eher harte Set passen. Mit "Breed“ folgt dann aber sofort ein bekannter und typischer SOULFLY-Brocken, bei dem ein uns unbekannter Gastsänger stimmlich und mikrofonwirbelnd mitwirkt.
Ansonsten fallen uns die vielen Drehkicks des Herren Rizzo ebenso auf wie ein Schuh, der auf die Bühne fliegt… ohne den dazugehörigen Menschen natürlich! Oder besser: Leider ohne den dazugehörigen Menschen, denn ohne das menschliche Anhängsel sahen der Schuh und dessen Flugkurve im Vergleich zur Show doch ein wenig langweilig aus…
Ungefähr als Frontmann Cavalera "Germany, start the fucking mosh pit now!" in die Menge ruft, gesellt sich Kollege Kai zu uns und vervollständigt unser kleines Reportergrüppchen.
SOULFLY blasen kurz darauf zum Sturm auf das Rhythmusgefühl der Hörer. Zu diesem Zweck gesellen sich zu den sowieso schon Tribal-lastigen Drumstick-Wirbeleien des Joe Nunez' nach und nach die anderen Bandmitglieder mit weiteren Percussions hinzu. In Kombination mit dem herrlich sonnigen Wetter und dem kühlenden Schatten, den die Bühne auf uns wirft, endet so ein gleichzeitig entspannter und hoch energetischer Auftritt der Brasilianer in einem wahrhaften Crescendo.

Tja, das war neben FROM AUTUMN TO ASHES und TOOL eine der drei Bands, deren Musik man in irgendeinem Sinne als hart bezeichnen könnte. Die anderen Bands des Festivals gehen da einen ganz anderen Weg.

So zum Beispiel THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY, die in "fesche" rote Kostümchen gekleidet die Bühne betreten. Offenbar glauben die dünnen Endzwanziger auch im engen Outfit ihre politische Botschaft loswerden zu können. Ihr wichtigstes Agitationsmittel ist aber der gepflegte Retro-Beat-Sound, den sie abliefern. Dazu passend versucht Ex-REFUSED-Sänger Dennis Luxzén eine theatralische Mick Jagger-Gedächtnisgeste nach der anderen hinzulegen. Das ist nicht unbedingt schlecht, aber zumindest tapfer, denn noch ist es hell und ohne große Lightshow wirkt sowas gelegentlich leicht befremdlich. Letztlich sind es die Hits des 2000er Albums "Survival Sickness", die das Publikum in Fahrt bringen. Und auch wenn bei uns der ganz große Funke nicht überspringt, so groovt doch immer ein Fuß mit.

The (International) Noise Conspiracy
THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY

18.45 Uhr: Nach tatkräftiger Besichtigung der Dixi-Klos ist es nun Zeit für den On-Stage-Hillbilly-Porno namens EAGLES OF DEATH METAL. Jesse "The Devil" Hughes ist bekanntlich ein begnadeter Selbst- und Klischeedarsteller. Logisch, dass der Auftritt deswegen nicht nur rockt, sondern auch noch sehr lustig ist. Die singende Schenkelbürste aus South Carolina schäkert ungehemmt rum und feiert sich ansonsten selbst – logisch, da er sich wahrscheinlich für die geilste Sau weit und breit hält. So will es zumindest die Show. Da wird schonmal das Kämmen des gesichtsprägenden Pornobalkens ausführlich zelebriert und vom Publikum mit Applaus quittiert. Und was geht außer massig Späßchen sonst? Ein Cover des ROLLING STONES-Songs "Brown Sugar" und eine gestreckte Version des Hits "I Only Want You". 

Eagles Of Death Metal
EAGLES OF DEATH METAL

Nach den Death- Metal- Adlern soll nun eigentlich unser erstes großes Highlight des Festivals landen. Denn es haben sich nach einer viel zu langen Schaffenspause SILVERCHAIR als Co- Headliner des Freitags auf dem AREA- 4 angekündigt. Obwohl das neue Album nach unserer Meinung bei weitem nicht an seine Vorgänger anknüpfen kann, so sind wir dennoch voller Hoffnung auf ein geniales Rockkonzert. Diese zerplatzt allerdings ziemlich schnell wieder, als wir von der Bühne eine brüchige Lautsprecheransage vernehmen, die uns etwas von einem verdorbenen Fisch und einem in ein Pariser Krankenhaus eingelieferten Daniel Johns erzählt. Soll heißen: SILVERCHAIR werden nicht auftreten! Das ist nicht nur enttäuschend, sondern auch wirklich ärgerlich, denn wir sind anscheinend nicht die einzigen, die seit der Veröffentlichung des Line- Ups auf diesen Auftritt gespannt waren. 

Zum sehr spaßigen Auftritt von NOFX hat der Kai schon alles gesagt, außer dass Eric Melvin wahrscheinlich bis heute irgendwo in einem Winkel des Flugplatzes Borkenberge rumsteht und Akkordeon spielt… Wenn also jemand von euch zufällig dort vorbeikommt und einen verwirrten, nicht mehr ganz jungen Dreadlock-Punk (siehe Bild) antrifft, der manisch in die Tasten greift, dann schickt ihn an: Fat Wreck Chords, P.O. Box 193690, San Francisco, California 94119, United States Of America.

NOFX
NOFX


Auch am Samstag hat das Wetter noch kein Erbarmen mit uns, und so zieht es uns bei geschätzten 40°C im winzigen Iglu- Zelt schon früh (viel zu früh für einen Samstagmorgen) zu den von männlichen wie weiblichen Leutchen gleichermaßen belagerten Waschanlagen. Wenn man auf das Duschen verzichtet (wer duscht schon auf nem Festival???), dann dauert’s auch nicht lang, bis man immerhin seine Zähne mit etwas Zahnpasta befeuchten darf, so dass man sich wenigstens wieder wie ein halber Mensch fühlen kann. 
Nach den ersten kühlen bzw. lauwarmen Getränken werden wir denn auch so langsam wach und genießen sogar ein bisschen die Sonne, die unerbärmlich auf das Flugplatzgelände brennt. Da unserer Reporterkumpane es bevorzugt, während des Festivals zu Hause zu nächtigen, machen wir uns gegen halb zwölf erstmal zu zweit auf den Weg zum Festivalgelände. Hauptsache nah an die Bühne heran und den leicht verkaterten Körper im Schatten nicht sogleich wieder der Sonne auszusetzen. 

Kurze Zeit später taucht dann auch schon die erste Band des Tages auf der Bühne auf. Und die rocken nicht schlecht. So fangen die Jungs von TURBOSTAAT gleich mit einem lauten „Guten Tag“ (Harm Rochel) an und zeigen damit gleich, dass man auch von ihrem neuen Album „Vormann Leiss“ jede Menge schnelle und rotzige Beats erwarten kann. Und Sänger Jan Windmeier erweist sich als ausgezeichneter Nicht-Sänger (und sollte in dieser sehr speziellen Kategorie am heutigen Tag nicht der einzige bleiben). Erstaunlich gut gelaunt - trotz relativ dürftigen Publikums – legten die Flensburger einen Song nach dem anderem auf, der selbst die Alkoholleichen des vergangenen Abends wieder auf die Beine holt und sogar den ein oder anderen Zeh mitwippen lässt. Die etwas Ausgeschlafeneren wirbeln derweil zum ersten Mal an diesen Tag den staubigen Boden vor der Bühne auf. Insgesamt also ein sehr genialer Start in den Nachmittag (bzw. Morgen).

Anschließend ist dann Mittagessen angesagt - dank der freundlichen Leihgabe eines Gaskochers von unseren Zeltnachbarn. Es gibt schließlich immer was, was auf nem Festival nicht so laufen will, wie man es geplant hat. Währenddessen stehen ITCHY POOPZKID auf der Bühne und legen gleich los mit ihrem Punkrock der fröhlicheren Sorte, dem wir aber, zumindest aus der Ferne, nur wenig abgewinnen können.

Vor die Bühne zieht es uns erst wieder, als MUFF POTTER auf dem Plan stehen. Und wir sind dabei nicht die einzigen. Ist ja auch klar, wenn man bedenkt, dass die Jungs von MUFF POTTER quasi in ihrer Heimat spielen. 
Hinzu kommt, dass sie einen wirklich fetzigen Auftritt hinlegen, ganz wie man es von ihnen und ihrem deutschsprachigen Emo-/Punk-Rock gewöhnt ist. Da wird dann so manche alte Scheibe aufgelegt, aber auch die neuen Sachen vom aktuellen Album „Steady Fremdkörper“ bekommen ihren Auftritt. Und die können tatsächlich mit ihren Vorgängern mithalten. Jedenfalls erkennt man im Tanz- Rumspring- Pogen- Stil des Publikums kaum Unterschiede. Alles in allem also ein geiler Auftritt, der an die alten Punkzeiten in uns erinnert.

Als nächstes folgen schließlich FROM AUTUMN TO ASHES, eine für Lars zwar zunächst mal uninteressante Band, die ihn dann aber doch recht bald überzeugen kann, noch nicht wieder das Zeltgelage aufzusuchen. Immerhin kommt mit FATA endlich mal wieder ein bisschen mehr Abwechslung in die Running Order, denn mit ihrer Mischung aus Metalcore, ein wenig Screamo und Hardcore gehört diese Band sicherlich zu den „härteren“ Bands auf dem AREA 4. Obwohl man zunächst verwundert auf die Bühne schaut, wenn man dort den eher klein und schlacksig geratenen Sänger Francis Mark stehen sieht, mit einem Micro und unglaublich großen Halsadern bewaffnet. Aber das schadet dem musikalischen Auftritt der Band keineswegs. Obwohl die Musik uns (mit Ausnahme von Kai) nicht gerade zum Moshen oder Pogen bewegt, ist zumindest doch Kirsten versucht, sich bei dem ein oder anderen Moshpart mitreißen zu lassen. Und auch wenn man dem Metalcore, bzw. Hardcore gerne mal unterstellt, ziemlich eintönig zu sein, sind FATA mit ihrer Bandbreite zwischen Screamo und Metalcore alles andere als langweilig, so dass es sich für uns letztlich doch gelohnt hat, noch auf dem Festivalgelände zu bleiben.

Laut der auf der Area 4-Homepage verbreiteten Running Order wären jetzt eigentlich ART BRUT dran, aber auch bei unserem kleinen Abstecher zum Zelt wird nach den ersten Tönen klar, dass bereits BLACKMAIL spielen. Obwohl sie für viele unserer Zeltnachbarn ein absolutes Muss darstellen und auch der Lars ein gewisses Interesse nicht verhehlen kann, reicht es uns, den Auftritt aus der Entfernung zu beobachten, bzw. zu hören. Während direkt nebenan die ersten schon wieder betrunken die Erde umarmen und vergessen geglaubte Fortbewegungsarten wiederentdecken, machen wir es uns erstmal im Schatten unseres Pavillons gemütlich und legen bei Dosenbier und Toastbrot unsere Beine hoch.

Mit ART BRUT erobert nun ein gepflegter englischer Akzent die Bühne. Und eine ziemlich merkwürdig aussehende Truppe dazu. Anstatt sich lange mit variantenreichem Singen aufzuhalten, legt denn auch sogleich Sänger Eddie Argos los, seine skurrilen Texte unter musikalischer Begleitung regelrecht vorzutragen, was dem Gute-Laune-Flair der Songs aber keinen Abbruch tut. Bassistin Freddy Feedack zupft zwar während des gesamten Auftritts eher etwas unbeteiligt auf ihrem Instrument herum, dafür machen Eddie Argos und Gitarrist Ian Catskilkin aber umso mehr Stimmung auf der Bühne. So wird beispielsweise ein Mikro-Kabel mal eben zum Hüpfseil umfunktioniert.
Obwohl man nun meinen könnte, dass vorgetragene Texte zusammen mit Musik à la sehr englischem Indie etwas langweilig rüberkommen, entfaltet diese Mischung live vor allem durch den Charme von Sänger Eddie Argos eine super Stimmung auf dem Festival- Gelände. Wer jetzt noch nicht verstanden hat, wer oder was ART BRUT sind und was sie eigentlich machen, der sollte sich die Formation unbedingt einfach mal selbst live ansehen.

Art Brut
ART BRUT

Am mittlerweile frühen Abend steht nun (zumindest für Kirsten) ein erstes Highlight des Festivals auf dem Programm. Denn als nächstes gehört schließlich den Finnen von THE 69 EYES die Bühne. Mit ihren düsteren Glam-Rock-Outfits und ihren schwarz umrandeten Augen schrecken THE 69 EYES jedoch beinahe alle anderen Festivalbesucher eher ab, und aus verschiedenen Richtungen hört man Wortfetzen wie „Rock-Opas“ oder „Möchtegern-Goths“. Kirsten für ihren Teil überhört dies jedoch geschickt und freut sich über den sehr klischeehaften Auftritt der Glam-Goth-Rocker, die bewusst eine übertrieben dunkle Show abziehen, wobei sich selbst Gitarrist Timo-Timo ein Lächeln nicht verkneifen kann. Der tiefe Gesang von Sänger Jyrki69, der den 69 EYES den düsteren Flair verleiht, ist für unseren Geschmack allerdings viel zu leise eingestellt. Die meisten anderen stört dies aber wohl weniger, zumal man sich eh nur vor der Bühne versammelt, um nachzusehen, weshalb sich da der Himmel plötzlich verdunkelt über dem Festival-Gelände. 
Für 69 EYES Fans ist dieser Auftritt aber dennoch eine willkommene Abwechslung zum restlichen Line-Up, auch wenn die Songs vom neuen Album „Angels“ nicht mehr so rocken wie zu Zeiten von „Blessed Be“ oder „Wasting the Dawn“.

The 69 Eyes
THE 69 EYES

Nachdem sich bei den 69 EYES noch eher einige wenige Menschen vor der Bühne versammelt hatten, ist schon direkt nach ihrem Auftritt kaum noch ein Durchkommen nach vorne möglich. Kein Wunder, haben sich doch als nächstes JULIETTE & THE LICKS angekündigt. Diese werden auch diesmal wieder ihrem Ruf als hervorragende Live-Band gerecht. Wie immer sorgen aber vor allem der unglaublich biegsame Körper und der rotzige Auftritt der Sängerin Juliette Lewis für eine energiegeladene Atmosphäre auch vor der Bühne. Als gelernte Schauspielerin weiß Juliette natürlich, wie man sich Präsenz verschafft. 
Aber auch der klassische (Blues-) Rock der Band heizt dem Publikum mächtig ein, wobei das hohe Tempo der ersten Songs leider nicht gehalten werden kann. Dafür aber zeigt sich auch bei diesem Auftritt einmal mehr, dass Juliette Lewis nicht nur eine singende Schauspielerin ist, sondern tatsächlich als ausgezeichnete Rockröhre gesehen werden muss.

Juliette And The Licks
JULIETTE & THE LICKS

Insgesamt bleibt bloß zu sagen: Ein ziemlich heißer Auftritt, der genau die richtige Stimmung für die nachfolgenden THE HIVES liefert. 

Und diese beweisen anschließend, dass sie zu Recht als Co-Headliner des Samstags zur Prime Time ab 22 Uhr auftreten dürfen. So stürmt zunächst Gitarrist Vigilante Carlstroem auf die Bühne, um sogleich mit dem bekannten Riff von „Hate To Say I Told You So“ zu starten. Nacheinander gesellen sich dann Schlagzeuger Chris Dangerous, Bassist Dr. Matt Destruction und Gitarrist Nicholaus Arson dazu, bevor Sänger Howlin’ Pelle Almqvist nach weiteren zwei Minuten THE HIVES komplettiert und auch sofort gewaltig loslegt. Nach „Hate To Say I Told You So“ folgen schließlich auch fast nur noch bekannte Hits, was für einen etwa einstündigen Auftritt schon sehr ordentlich ist. Dazu zelebrieren die Schweden gewohnt Arroganz als Konzept. Sänger Pelle bedient sich dabei fleißig aus dem Gestenrepertoire des großen (und ebenfalls nicht für Bescheidenheit berühmt gewordenen) James Brown. Immer wieder hört man, wie glücklich sich das Publikum schätzen darf, THE HIVES zu sehen und zu hören. Und das tun die meisten sogar wirklich. Kein Wunder, denn auch wenn wir die grauen Matrosenanzüge der Bandmitglieder ein bisschen albern finden, so kommt doch der Charme der Schweden mit ihrem rockigen Repertoire an Songs auch bei uns ziemlich gut an. Im Nachhinein ist es sogar ein bisschen ärgerlich, dass wir uns das ganze Spektakel eher von der Seite aus angeschaut haben, anstatt uns in die Menge zu kämpfen und die Stimmung direkt mitzuerleben.

The Hives
THE HIVES

Anders als Kollege Kai sind wir nach den HIVES allerdings nicht mehr besonders scharf darauf, uns noch BILLY TALENT komplett reinzuziehen. Nicht zuletzt wegen des quietschigen Gesangs beschließen wir nach zwei, drei Liedern uns den Rest des Konzertes vom Zelt aus anzuhören. Dabei hätte es sich, wenn man nicht so k.o. gewesen wäre, mit Sicherheit gelohnt, auch hier die Stimmung von der Mitte des Publikums aus mitzubekommen, denn auch bei BILLY TALENT ist der Platz vor der Bühne noch immer so voll, dass man sich tatsächlich wie auf einem „großen“ Festival vorkommt. 
Aber wie gesagt reicht es uns, die Show vom Zelt aus zu verfolgen, immerhin kommen die Lichter und die Sounds gerade im Dunkeln noch ziemlich deutlich an unserem Zeltplatz an.


Am Sonntag ist schließlich Ausschlafen angesagt – soweit man dies bei dem allgemeinen Gegröle auf dem Campinggelände und den frühmorgendlichen Megaphondurchsagen unserer trinkfesten Nachbarn überhaupt kann. Muss ja wohl nicht sagen, mit welcher Stimmung man verkatert im Zelt seine Gehirnwindungen zu ordnen versucht, während das in das Megaphon eingespeicherte „Hallo Nachbarn!!!“ als Endlosschleife abgespult wird: „Hallo Nachbarn!!! Hallo Nachbarn!!! Hallo Nachbarn!!!...“

Nachdem wir dann aber schon mal wach sind und unsere letzten Reste gefrühstückt haben, nimmt sich Lars erstmal eine kleine Auszeit und macht sich auf den Weg nach Hause. Schon blöd, wenn in der Woche nach nem Festival wichtige Prüfungen auf einen warten… 
Kirsten bleibt derweil, baut im Laufe des Tages schonmal das Zelt ab und stellt denn auch sehr bald fest, dass sich frühes Aufstehen auch nicht wirklich gelohnt hätte, da gleich die erste Band des Tages, nämlich BOOZED, abgesagt hat. 

Auch zu der folgenden Band THE DRAFT kann ich mich trotz kurzen Weges nicht so recht aufraffen. Aber auch vom Zelt aus kann ich feststellen, dass die Nachfolgeband von HOT WATER MUSIC mit erstaunlich eingängigen Punk-Rock-Songs aufwartet, die einen guten Start in den letzten Festivaltag bieten.
Weniger überzeugend ist dafür anschließend der etwas lahme Auftritt der Jungs von THE FILMS. Ihr Brit-Pop-Rock- Mix lockt nur wenige Zuhörer auf das Festival- Gelände. 

Große Erwartungen habe ich dafür aber umso mehr bei der Band JINGO DE LUNCH mit Frontfrau Yvonne Ducksworth, die noch immer ordentlich auf der Bühne Gas gibt. Zwar reicht Yvonne Ducksworth bei weitem nicht an die Power von Juliette Lewis heran, doch auch nach 20 Jahren ist ihre Stimme noch immer eindrucksvoll. So hat JINGO DE LUNCH auch einige Fans mitgebracht, die ebenso gespannt sind auf das Comeback der Band, die sich 1996 getrennt hatte und nun auf ihrer Tour zum 20jährigen Jubiläum noch einmal die Bühne rockt. Insgesamt ein ordentlicher Auftritt, der zwar mit Sicherheit nicht ganz den Geschmack des eher jüngeren Publikums trifft, aber dennoch Stimmung unter die Leute bringt.

Als nächstes erobern dann die Jungs von MADSEN die Festivalbühne. Trotz des noch nicht weit vorangeschrittenen Nachmittages gelingt es den Madsen- Geschwistern und ihren Bandkollegen, allen voran Sänger Sebastian, die Stimmung auf dem Festivalgelände noch weiter anzuheben. Ganz ohne Starallüren wird hier und da ein Witz über miefende Fans und unausgeschlafene Gesichter gemacht. Neben den bekannten Songs wie „Du schreibst Geschichte“, „Ein Sturm“ oder „Good Bye Logik“ gibt es jedoch wenig Neues und Aufregendes zu hören, so dass ich nur sagen kann: Ein wirklich netter Auftritt.

Leider verpasst habe ich schließlich dank langer Warteschlangen vor den „Damentoiletten“ die Band SPARTA, die ich aber auch dank der geringen Größe des Festivals und der guten Technik vom Campinggelände aus genießen konnte. 
Mittlerweile ist dann auch wieder der Lars zurück, der sich nach ausgiebigem Lernen nun auf einen entspannten letzten Festivaltag freuen kann. Zu seinem Glück bekommt er sogar beinahe noch den kompletten Auftritt von SPARTA mit und genießt sehr schöne Gesangsmelodien und feine Gitarrenarbeit der AT THE DRIVE IN-Splitterband.

Überrascht waren wir von …AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD, die anders als auf ihren Alben, die wir beide ganz nett finden, teilweise ordentlich die Bühne rocken. Obwohl man sich eventuell zunächst fragt, was die merkwürdigen Männer vorangeschrittenen Alters in ihren merkwürdigen Nerd-verdächtigen Looks dort oben machen, zeigen TRAIL OF DEAD, dass sie etwas von Live-Auftritten verstehen. Besonders beeindruckend ist dabei die musikalische Vielfältigkeit der einzelnen Bandmitglieder, die ständig und durchweg die Instrumente wechseln und untereinander austauschen. Mit je zwei Keyboards und Drums kann man ja auch mal ordentlich laut werden! Und dabei raus kommt schließlich ein richtig geiler Auftritt, sehr rockig und ein bisschen durchgeknallt, aber vor allem künstlerisch, wie man es von den Alben gewohnt ist. Live sind TRAIL OF DEAD also wirklich jedem zu empfehlen, der auf kunstvolle und trotzdem rockbare Sounds mit hohem Gute-Laune-Faktor steht.

Während es dann so allmählich wieder dunkel wird und sich immer mehr Massen vor der Bühne versammeln, heißt es schließlich erstmal warten… und warten… und warten… Denn die Co-Headliner des Abends, MANDO DIAO, lassen sich ordentlich Zeit - vielleicht, um ihre Fans noch gespannter auf ihren Auftritt zu machen, vielleicht aber auch einfach aus purer Arroganz. Letzteres erscheint uns im Nachhinein wahrscheinlicher, so Leid uns das auch für die vielen vor allem jüngeren Fans tut, die anscheinend extra mit ihren Eltern angereist waren, um die Jungs von MANDO DIAO zu sehen. Selbst Kirsten hatte einigermaßen große Erwartungen an die Schweden, obwohl die normalerweise kein großer Fan des neuen Schweden-Brit-Pop-Rocks ist. Aber MANDO DIAO haben schon einige Volltreffer mit ihren Songs gelandet. Umso enttäuschender ist schließlich der relativ langweilige und vor allem nervende Auftritt der Band, der besonders von der augenscheinlich schlechten Laune des Sängers Gustaf Erik Norén geprägt ist, welcher seine immerhin um einen ordentlichen Auftritt bemühten Kollegen mehrfach anzumotzen scheint. Zwar spielen MANDO DIAO zur Freude ihrer wirklich zahlreichen Fans ausnahmslos bekannte und rockige Songs aus ihrer Sammlung, doch ist es den Jungs nicht schwer anzumerken, dass ihnen selbst der Auftritt keinen großen Spaß bereitet. So verlassen MANDO DIAO die Bühne wieder nach nur wenigen, aber immerhin rockigen Songs. Aus den geplanten eineinviertel Stunden wird somit letztlich ein knapp 40minütiger Kurzauftritt, der mit einem lustlosen „Dankeschön“ des Frontmannes Norén und einigen Pfiffen beendet wird. Die (angeblich) geplante Autogrammstunde lassen die Jungs dann auch noch platzen. Kurzum: Die „zerdrückte Bierdose“ für den nervigsten Auftritt geht an die Herren aus dem Norden, die der Rolle als Co-Headliner in keinster Weise gerecht werden. Auch von unserer Seite gibt’s dafür ein lautes „Buh!“ hinterhergeschrien.

Mando Diao
MANDO DIAO

Das ist zwar insgesamt enttäuschend, aber dennoch kein echtes Problem, da ja noch last but not least der Auftritt von TOOL folgen soll, für die sich auch ein etwas längeres Warten lohnen würde. Und zu unserem Glück erklärt sich die so kamerascheue Band schließlich bereit, etwas länger zu spielen als geplant. Und obwohl wir schon dachten, alle verbliebenen Besucher (einige waren bereits im Verlauf des Nachmittags abgereist) hätten sich bereits bei MANDO DIAO versammelt, wird es bei TOOL dann doch noch voller als zuvor und wir haben Mühe uns einigermaßen weit nach vorn zu drängen, damit wir TOOL wenigstens gut sehen können, wenn wir sie schon nicht fotografieren dürfen.
Eingezwängt in einer Masse merkwürdig unterschiedlicher junger sowie älterer Menschen warten wir also gespannt auf TOOL, von denen man ja schon einiges über ihre Starallüren gehört hatte. Das alles ist jedoch bald vergessen, als die Rocker endlich die Bühne betreten und gleich imposant starten. Im Hintergrund die skurrilen TOOL- Videos, links vorne der Gitarrist Adam Jones (mit Mädchenzöpfen, Jeans und Wollpulli), rechts vorne Bassist Justin Chancellor, hinten rechts Schlagzeuger Danny Carey (wie immer in Unterhemd und Bermudas, dazu seine offen getragene wilde Mähne) und schließlich hinten links, eindrucksvoll vor einer der Leinwände postiert, Sänger Maynard James Keenan, wohl der einzige Mensch, der seinen Iro unbeschadet unter einen Cowboy-Hut klemmen kann. Die Positionen sind also klar verteilt, viel Bewegung ist nicht angedacht. Das würde auch viel zu sehr von der genialen Musik ablenken, die TOOL auch live auszeichnet.
Wer sich im Takt bewegen und vielleicht sogar ordentlich rocken will, ist natürlich bei den ständigen Rhythmenwechsel der TOOL-Songs völlig fehl am Platz, trotzdem scheint TOOL der Menge ordentlich einzuheizen. Nervig sind da bloß diejenigen, die trotz des absoluten Fotoapparat- Verbots immer wieder ihre Handys hervorholen und von den Security-Bären vermeintlich ungesehen versuchen, TOOL auf irgendeine Weise zu filmen oder zu fotografieren. Hat jemand sein Handy zu auffällig gezückt, erscheint auch sogleich ein Security-Mensch und spricht mit einer fiesen Taschenlampe ein Machtwort. Klar, dass man von so viel unnötigen Geblendetwerden irgendwann total genervt ist. Erstaunlich finden wir schließlich aber, als immer mehr Leute das Fotoapparatsverbot anscheinend vergessen, den Einsatz von Undercover-Securitys, die sich langsam und totaaaaaal unauffällig durch die Massen drängen, um sich den frechen Kameramenschen heimlich von hinten anzuschleichen. Abgesehen von diesem albernen Fotografierverbot erweist sich TOOL jedoch als überraschend gut gelaunt, so dass man hin und wieder ein Lächeln des Gitarristen sieht und später sogar ein ehrlich rüberkommendes „Dankeschön“ des Sängers vernehmen kann. 
Besonders spektakulär ist schließlich der Abgang der Band, die mit einer Lasershow zwischen Tower und Bühne ihre Fans beeindruckt und damit hervorragend ihren kunstvollen Musikstil unterstreichen.

Und wie geht's weiter? Leider müssen wir das Gelände schnellstens verlassen. Lars ist glücklich, zumindest drei Stunden Schlaf zu finden, bevor der Wecker klingelt.


Fazit


Kai:

Das erste richtige Area 4-Festival war einfach nur der Hammer. Auch wenn nicht alle Bands meinem Geschmack entsprachen, habe ich nur gute Konzerte gesehen (wenn man THE 08/15 EYES mal raus lässt). Aber viel wichtiger als das war die überschwängliche Stimmung allenthalben und die gute Organisation. Ich habe noch nie so kurze Wege auf einem Festival vorgefunden! Alles war extrem bequem zu erreichen und gut aufgeteilt. Die gute Stimmung war bei allen Beteiligten zu spüren und es hat einfach nur Bock gemacht. Im nächsten Jahr soll es wieder eins geben und ich möchte hiermit praktisch Webung machen. Kommt vorbei, es lohnt sich! Und mehr als 10.000 Leute verkraftet die ganze Sache locker. Schön war`s!


Kirsten & Lars:

Nachdem uns SOULFLY einen sehr guten Einstieg ins Festival geliefert hatten, war NOFX das zweite Highlight des Freitags, denn lustig sind die laberfreudigen Fun-Punk-Veteranen immer noch. Am Samstag gefielen vor allem ART BRUT und JULIETTE AND THE LICKS.
Die positive Überraschung des Festivals waren die sonntags angetretenen …AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD. Wir hatten nicht besonders viel erwartet und waren dann absolut begeistert, welch tolle Stimmung diese Truppe verbreitet! Bleibt noch die Sphinx des Festivals: TOOL. Einfach genial und somit eine der wenigen Bands, denen man es verzeiht, wenn sie (fast) nicht mit dem Publikum sprechen.

Die Enttäuschungen des Festivals waren zum einen die Absage von SILVERCHAIR und der peinliche Auftritt von MANDO DIAO.

Am AREA 4 insgesamt müssen vor allem die kurzen Wege, der tolle Sound und die, soweit wir das mitbekommen haben, reibungslose Organisation gelobt werden. Das Gelände ist gut ausgewählt und bietet zudem noch Platz für deutlich mehr Gäste. Eine zweite Bühne sollte ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Dass die angestrebte Besucherzahl nicht erreicht wurde, ist denn auch der zu verhaltenen Werbung und der zu späten Bekanntgabe großer Bands zuzuschreiben. Hier ist Verbesserung nötig und für das AREA 4 2008 (29.-31. August) von den Veranstaltern versprochen worden.
Wir jedenfalls merken uns den Termin und freuen uns auf das nächste Mal!



Publikum
Das Publikum


Alle Fotos copyright (c) by Kirsten Große Gehling
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