Rockpalast - Peter Rüchels Erinnerungen (Buch) Tipp

Rockpalast_-Peter_Ruechels_Erinnerungen


Der ROCKALAST. Diese Sendung ist eine Institution gewesen, die vielen Menschen erst ermöglichte, sich der Rock Musik und vor allem der Live Musik zu nähern. Und ich muss gestehen, dass ich auch immer wieder nostalgisch werde, wenn ich diesen schön geschwungenen Schriftzug sehe. Mann muss sich das in der heutigen Zeit einfach mal vorstellen: da wurden Konzerte live und ohne nachherige Bearbeitung ins deutsche Fernsehen übertragen. Live, das heißt mit allen Patzern, allen Schnitzern und sogar inklusive den Umbaupausen zwischen den Bands. Und das mit so einem Erfolg, dass sich andere europäische Länder anschlossen und den ROCKPALAST damit zur Eurovisions- Sendung machten.

Der Macher hinter dieser Sendung heißt Peter Rüchel, die ohne dessen Visonen und dessen Hartnäckigkeit seinem Sender WDR gegenüber wahrscheinlich nach der ersten Übertragung gefloppt wäre. Aber der Erfolg gab ihm über die Jahre recht, denn um die Rockpaläste und Rockpalast Nächte, die in kürzester Zeit ausverkauft waren, entwickelte sich ein richtiger Hype unter den Jugendlichen.
Man traf sich, wo es der Platz hergab, und feierte rund um die Sendung eine Party mit seinen Freunden. Es gab ja damals noch keine DVDs, und Live Videos waren auch eher rar. Wenn man denn überhaupt schon einen Videorecorder hatte.
Viele Jugendliche von heute kennen den ROCKPALAST logischerweise - wenn überhaupt - nur von DVDs oder von den Wiederholungen im TV und können sich daher wahrscheinlich durch die totale Reizüberflutung durch VIVA und MTV gar nicht vorstellen, was diese Sendung damals für die Jugendlichen meiner Generation bedeutet hat.

Zugegebenermaßen habe ich die erste Rockpalast-Übertragung aus der Grugahalle in Essen im Jahre 1977 auch noch nicht wirklich miterlebt, weil sich im Alter von zehn Jahren bei mir eigentlich noch alles um Fußball drehte. Aber spätestens 1982 gingen bei mir alle Lampen an, als ich die Rockpalast Nacht von der Loreley im Fernsehen sehen konnte. Damals hatte ich mich musikalisch schon voll auf die New Wave Of British Heavy Metal eingeschossen, hörte IRON MAIDEN, SAXON und MOTÖRHEAD, dazu gesellten sich KISS und AC/DC, und ich konnte auch von Bands wie BLACK SABBATH, DEEP PURPLE, LED ZEPPELIN oder URIAH HEEP kaum die Ohren lassen. An diesem Abend machte ich aber zum ersten Mal die Bekanntschaft mit dem Blues, um genauer zu sein mit dem irischen Gitarristen RORY GALLAGHER, der mich mit seiner Performance, seiner Energie und der Art und Weise, wie er seine alte 61er Stratocaster spielte, förmlich umhaute. Seit dem hat mich diese Musik auch nicht mehr losgelassen, und alleine dafür müsste ich persönlich Peter Rüchel auf Knien danken. 1984, also zwei Jahre später, traten mir STEVIE RAY VAUGHN AND DOUBLE TROUBLE von der Loreley aus in den Hintern. Spätestens von da an hatte der Blues neben Hard Rock und vielen Spielarten des Metal einen festen Platz in meinem musikalischen Bewusstsein eingenommen

„ROCKPALAST: Peter Rüchels Erinnerungen" ist ein Bildband, in dem der Erfinder der Sendung selbst die Hintergründe beschreibt, wie er das Format zum Laufen brachte und die ersten Unwägbarkeiten und Widerstände aus dem Weg geräumt wurden. Er erzählt von vielen Erlebnissen mit den Musikern, wobei es nicht immer nur die Mega-Acts waren, die seine Sendung pushten. Bands wie ZZ TOP oder U2 erhielten durch den ROCKPALAST überhaupt die erste Chance, sich einem deutschen bzw. europäischen Publikum live zu präsentieren.
Man kann jetzt spekulieren, ob sich alle diese zu diesem Zeitpunkt eher unbekannten Bands genauso entwickelt hätten, wenn sie diese Chance durch Peter Rüchel und den ROCKPALAST nicht erhalten hätten. Aber mit Sicherheit war es ein wichtiges Sprungbrett, und die Karriere erhielt durch die Teilnahme an diesem Event mit Sicherheit einen zusätzlichen Push. Genauso wie der ROCKPALAST auch durch diese Bands gepusht wurde, als diese später größere Erfolge einfuhren. Später stand das ROCKPALAST Team auch hinter Events wie dem Bizarre Festival oder auch dem Rock am Ring Festival.

Der Bildband lebt gleichzeitig von den Beschreibungen Peter Rüchels und den fantastischen Fotos von Thomas von der Heiden, Manfred Becker und Rainer Leigraf. Viele der Bilder, die die Bands auf und hinter der Bühne zeigen, haben absoluten Seltenheitswert und sagen manchmal sogar mehr als die Liner Notes des Verfassers. Natürlich kommen auch die Musiker zu Wort, die in ihren Erinnerungen gekramt haben und so manche Anekdote zum Vorschein brachten, darunter besonders herzliche Geschichten von Little Steven ( BRUCE SPRINGSTEEN AND THE E-STREET BAND, DISCIPLE OF SOUL) und Wolfgang Niedecken von BAP.
Aber auch Bandbetreuer oder Kameraleute lassen diese Zeit mit ihren Erlebnissen wieder aufleben, und der Leser kann sich ein Bild davon machen, dass es nicht immer leicht war, die Musiker zu bändigen. ZZ TOP wären beinahe aus dem Bus gesprungen, als sie vom Düsseldorfer Flughafen zur Grugahalle nach Essen über die Ruhrtalbrücke fuhren. Und zwar nur, weil sie unbedingt die tolle Landschaft fotografieren wollten. Dagegen war es fast ein Leichtes, STEVIE RAY VAUGHN zu bewegen, einen Zahnarzt aufzusuchen. Nicht weil er Schmerzen hatte, sondern weil ihm bei den Fernsehproben ein Stiftzahn abhanden gekommen war, und er schlicht und einfach scheiße aussah mit einer riesigen Zahnlücke im Gesicht.

Fazit: Diesen Bildband kann ich nur empfehlen, und zwar nicht nur den Fans, die mit dem ROCKPALAST groß geworden sind, sondern eigentlich jedem Musikfan. So war das damals, und manchmal vergisst man einfach zu schnell, was einen selber beeinflusst hat, oder wie man vielleicht zu der ein oder anderen Band gekommen ist.
Mich durch Peter Rüchels Erinnerungen zu schmökern hat mir verdammt viel Spaß gemacht, und ich denke, dieses Buch werde ich auch in Zukunft noch sehr oft in die Hand nehmen.

Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
Verlag: edel;
Auflage: 1 (8. Oktober 2009)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3941376063
ISBN-13: 978-3941376069
Größe und/oder Gewicht: 30,6 x 22,4 x 2 cm