Pure Reason Revolution - Amor Vincit Omnia Tipp

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Stil (Spielzeit): Elektro-Prog (45:28)
Label/Vertrieb (VÖ): Superball Music/SPV (06.03.09)
Bewertung: 8,5 / 10 Punkten

Link: www.myspace.com/purereasonrevolution

Knapp zwei Jahre nach ihrem düsteren Prog-Meisterwerk "The Dark Third" kehren PURE REASON REVOLUTION mit einem neuen Album zurück und bereits dem ersten Track lauschend schaue ich verdutzt noch einmal aufs Cover, ob das auch die PURE REASON REVOLUTION sind, die vor gut zwei Jahren musikalisch mit Prog-Heroen wie PORCUPINE TREE oder den alten Herren von PINK FLOYD in eine Schublade hätten gesteckt werden können. Und nun schallt mir konträr dazu eine experimentelle Elektro-NewWave/Neopunk-Soundwand alá SHE WANTS REVENGE, DEPECHE MODE oder MUSE entgegen. Nein, irgendwo muss da ein ganz gewaltiges Missverständnis vorliegen ...

"Amor Vincit Omnia" heißt das neue gute Stück Musik mit seinen neun Tracks und musikalisch haben die drei Jungs und die Henne im Korb eine 90-Grad-Wende hingelegt. Vorbei sind die Zeiten des epischen Prog mit Songlaufzeiten von über zehn Minuten, die neuen Songs sind kompakter, poppiger und vorallem elektronischer geworden. Schon der erste Song "Les Malheurs" wartet mit einem wummernden und sterilen E-Bass auf, bevor sich tighte und stampfende Drums aus dem Synthesizer dazugesellen und der Song so einer definitiven Hommage an Darkwave-Vorreiter wie DEPECHE MODE Ausdruck verleiht. Wenn die Vocals dann schließlich ihren Platz im neuen tighten und hochglanz-produzierten Soundgewand einnehmen, ist man sich jedoch wieder sicher: PURE REASON REVOLUTION sind zurück. Anders. Aber sie sind zurück.

Die Vocals sind poppiger geworden, die zwei- (zum Teil auch fünf-) stimmigen Gesangslinien wurden ausgefeilt und zur Perfektion getrieben, die Stimme der attraktiven Zweitsängerin Chloe untermalt die Songs wie gewohnt und gibt den Songs die große Portion Signifikanz, welche die Band so besonders macht. Der Gesang stellt auf "Amor Vincit Omnia", im Gegensatz zu ihrem Debut, auf welchem die Gesangsfraktion eher etwas zurückhaltend daherkam, den größten Pluspunkt dar. Tight eingesunge Hooklines, welche stets in einen mehrstimmigen Kanon zwischen Männer- und Frauengesang ausarten, bestimmen hier die Struktur der Songs.

Lyrisch wurde 2009 an einem klaren Konzept festgehalten, die Texte lesen sich (trotz krasser metaphorischer Vertracktheit) wie ein Reise durch die diabolische und verbotene Versuchung der Lust, über die damit verbundenen Folgen bis hin zum Punkt der Wiederfindung zweier für einander bestimmter Menschen und die Einsicht, dass "love conquers all", also die Liebe im Endeffekt doch alles überwindet. Das heißt im Übrigen der Albumtitel ins Lateinische übersetzt, abgeleitet von der bekannten Phrase "truth conquers all". PURE REASON REVOLUTION haben eben irgendwie das Gespür für passende Titel. Dem zweiten Track folgt dann ein für die Briten bekannter Mehrteiler, zwei Songs unterteilt in drei Parts, perfekt aufeinander abgestimmt und lyrisch sowie songwritingtechnisch brilliant.

Die zweite Hälfte von "Amor Vincit Omnia" schwächelt dann etwas, obwohl die Songs immer noch gut sind, jedoch nicht an die fantastische erste Hälfte des Albums rankommen. Am negativsten sticht der siebte Song "Disconnect" heraus, welcher wahnsinnig deplatziert und überflüssig daherkommt; dieser Song klingt fast wie eine spritzige Happy-Holiday Nummer alá VENGA BOYS.

Ein Fehltritt sei den symphatischen Briten jedoch verziehen und somit bleibt der Eindruck einer musikalisch sehr ungewöhnlichen aber trotzdem sehr positiven Bandentwicklung bestehen. Von den alten progressiven PURE REASON REVOLUTION wird man sich spätestens jetzt verabschieden müssen – mit "Amor Vincit Omnia" begegnet uns eine völlig neue Band, welche nun ihre Einflüsse und Wurzeln eher bei Elektro-Größen wie DEPECHE MODE sucht.

Musikalisch braucht sich die Combo aber nach wie vor nicht hinter großen Bands verstecken, wenn nun Vergleiche zu Bands wie MUSE oder SHE WANTS REVENGE gezogen werden – dann zu recht. "Amor Vincit Omnia" sind neun Tracks, welche sich in keinster Weise mit alten Songs der Band vergleichen lassen, jedoch müssen sie das auch nicht, da sie, trotz Gefahr eines möglichen gehörigen Fanbase-Verlusts, eine überaus positive Bandentwicklung darstellen. Immer noch progressiv und episch, nur kompakter und elektronischer – das sind die PURE REASON REVOLUTION von 2009 und die Laune steigt exponentiell mit jedem weiteren Einlegen der Platte in den CD-Player. Toll.