Beirut - The Flying Club Cup


 



Stil (Spielzeit): NeoFolk (38:43)

Label/Vertrieb (VÖ): 4AD / Beggars Group / Indigo (05.10.07)

Bewertung: 8/10

Link: www.beirutband.com/
myspace.com/beruit

 
Was hat dieser Knabe im Jahr 2006 unter dem Namen BEIRUT mit seinem ersten Album "Gulag Orkestar" für Aufsehen gesorgt! Monatelang schien Zach Condon in unterschiedlichsten Medien omnipräsent zu sein. Sowohl fast alle Magazine, die über alternative Musik im weitesten Sinne schreiben, als auch die Feuilletons großer Zeitungen überboten sich in seltenem Einmut in Lobpreisungen des Wunderkinds, das damals noch nicht mal 20 Lenze hinter sich gebracht hatte. Als die große Hoffnung des Neo Folk wurde er beschrieben, als großer Kosmopolit, als einer, der endlich mal spannende (!) Weltmusik macht, gar als Vertreter eines neu erwachten Interesses Amerikas für die restliche Welt wurde er gefeiert. Während man letztere Vermutung mit einem Fragezeichen versehen darf sind alle anderen Komplimente überraschenderweise korrekt!

Das kuriose "Gulag Orkestar" rappelte und schunkelte mit seinen Balkanmelodien gestandene Musiker wie SUFJAN STEVENS ins Abseits und die Kritiker staunten. Es folgte eine Welttournee, die von Condons Einlieferung in eine Klinik unterbrochen wurde. Diagnose: Akuter Erschöpfungszustand. Dies mag ein Indiz dafür sein, wie anders sein Folk ist. Neben der ungewohnten Instrumentierung und dem selten gehörten Rückgriff auf die osteuropäische Musiktradition war es Condons eindrucksvoll melancholischer Gesang, der das Erstlingswerk zu einem kleinen Geniestreich werden ließ. Seine Osteuropareise nach seinem Schulabbruch erwies sich somit letztlich als Segen für den völlig überlaufenen Singer/Songwriter -Bereich.

Inzwischen mit einem echten achtköpfigen Orchester (Ukulele, Mandoline, Klarinette, Trompete, Tuba usw.) ausgestattet wurde zunächst die "Lon Gisland"-EP eingespielt, bevor sich Zach Condon mit dem neuen Album "The Flying Club Cup" diesmal Frankreich widmete.
Wer nun ausschließlich schwermütige Chansons erwartet, liegt falsch. Das Fundament der Musik ist immer noch im europäischen Osten zu suchen. Auch das Akkordeon ist nicht neu. Der Einstieg mit nachgeahmtem Klang gallischer Kriegshörner (oder was soll das sonst sein?) suggeriert für mich eine strikte Orientierung an der musikalischen Tradition unserer westlichen Nachbarn. Doch die ist nicht vorhanden. Ärgert mich das? Nö. Denn der einzigartige Sound ist mal wieder die große Trumpfkarte. Viel problematischer ist, dass sich diesmal nicht ganz so viele großartige Melodien finden lassen.

Dabei legt "Nantes" die Messlatte für die folgenden Songs mit dem so typischen Geschepper, einer Kinderorgel und dem schönen, aber auch schon sehr ähnlich von Condon gehörten Gesang recht hoch. Doch schon das gar nicht mal schlechte "A Sunday Smile" walzert behäbig vor sich hin, als hätte da jemand zuviel Käse in sich reingestopft und müsse sich mal eine Pause gönnen. Fein ist hingegen die zwischen Violine und Trompete aufgeteilte Melodieführung des folgenden "Guyamas Sonora". Es folgt ein kurzer, vornehmlich von Pianoklängen untermalter Blick in die Banlieues von Paris. Erst in "Cliquot" variiert der junge Chef des Orchesterchens den Gesang, was auch mal nötig ist, so sehr ich seinen dem Crooning nicht fernen und äußerst charakteristischen Stil auch mag.
Bis hierhin ist das ja alles gut, doch hofft man auf mehr Elan in der zweiten Hälfte. Irgendwas schwungvolles in der Art von "Postcards From Italy" vielleicht, oder auch was unwiderstehlich-sehnsüchtiges wie "Mount Wroclai (Idle Days)". Blöderweise langweilen die restlichen Songs fast schon. Eine Ausnahme bildet "The Mausoleum", das tatsächlich neue, leicht jazzige Akzente setzt und zu meinen Empfehlungen zählt.

"The Flying Club Cup" muss eine beachtliche Sicherheit attestiert werden (man staunt immer wieder: der Typ ist 21!), aber irgendwie klingen zu viele Stücke zu ähnlich. Da mag der Maestro noch so sehr zwischen Minimalismus und vollem Einsatz des achtköpfigen  Klangkörpers variieren, die Intensität sinkt wie auch schon beim Erstlingswerk gegen Ende ab. Dabei ist nicht ein einziger wirklich schlechter Song zu bemängeln. Leider wurde jedoch zu oft schematisch nach dem Muster gehandelt: Zuerst Gesang mit Ukulelenbegleitung, in der zweiten Hälfte Einsatz des ganzen Orchesters samt Chorgesang.

Als Fan möchte ich sagen: Herr Condon: Bitte ändern Sie das!