Hämatom - Berlin - Ein akustischer Tanz auf dem Vulkan Tipp

Hämatom - Berlin - Ein akustischer Tanz auf dem Vulkan
    Neue Deutsche Härte, Akustik

    Label: Anti Alles
    VÖ: 02.04.2021
    Bewertung:10/10

    Hämatom im Web


HÄMATOM in Akustik scheint auf den ersten Blick wie ein Oxymoron, doch mit ihrem ersten Album ohne Strom begleiten die vier Herren aus Franken ihre Hörer:innen auf eine musikalische Zeitreise ins Berlin der 1920er Jahre. Mit einem fulminanten Ensemble aus Bläsern, Streichern, einem Klavier und sogar einem Akkordeon erobern Nord, West, Süd und Ost die Berliner Unterwelt.

„Willkommen im Berlin der 20er Jahre!“

Der akustische "Tanz auf dem Vulkan" beginnt mit dem gleichnamigen Song, der den Fans aufgrund der Singleauskopplung einige Wochen vor Release schon wohlbekannt sein dürfte: Ein tanzbarer Bigband-Sound mit der vollen Besetzung aus Band, Streichern, Bläsern, Akkordeon und Klavier erfüllt die Ohren. Eingeleitet von Klavier und Trompete beginnt „Beweg dein‘ Arsch“ dort, wo „Tanz auf dem Vulkan“ aufgehört hat – swingend und upbeat.

Schon nach diesen beiden Songs versinkt man als Hörer:in komplett in der Welt des Sündenpfuhles Berlin der goldenen 20er. Weiter geht die Reise aber zunächst raus aus Berlin in die Metropolen Europas. Mit „Au Revoir“ führen HÄMATOM zuerst mit sanftem Akkordeon klanglich nach Paris, bevor Sänger Nord den Hörer:innen in etwas ruhigerem Tempo und ganz im Sinne der Message des Refrains „Bye bye, auf Wiedersehen; Wenns am schönsten ist, soll man gehen“ von seinen Eroberungen und Eskapaden in den Großstädten des Kontinents erzählt.

Nach diesem kurzen Ausflug kehren HÄMATOM mit dem gleichnamigen Track wieder nach „Berlin“ zurück. Wem zu Beginn die leichte Country-Melodie bekannt vorkommt, hat richtig hingehört, denn der Song ist musikalisch ein Cover des DOLLY PARTON-Hits „Jolene“. Hier jedoch besingt das Quartett untermalt von Fanfaren und süßen Frauenstimmen alle Facetten der deutschen Hauptstadt.

„Zwischen Gangstern und Ganoven“ war vermutlich die Inspiration für das Artwork im Booklet, das die Bandmitglieder gewohnt maskiert als stereotypische Kriminelle darstellt. Nords raue tiefe Stimme passt zu diesem Thema schon fast wie die Faust aufs Auge. Musikalisch ist der Song zwar eher simpel gestrickt, wartet aber dafür mit sehr gut ausgeführten Gitarrenparts und markanten Streicherfiguren auf, die die Hörer:in für drei Minuten in die Welt der Straßengangs und Kriminalität eintauchen lassen.

Scharfe Texte und tanzbare Rhythmen

Mit einem flotten „Raz – Dwa – Tri; Werft die Gläser an die Wand die Welt ist außer Rand und Band“ leitet Sänger Nord die zweite Albumhälfte ein. Der dazugehörige Song trägt den passenden Titel „Werft die Gläser an die Wand“ und geht musikalisch nach Russland und taucht in Gefilde ein, die man sonst von RUSSKAJA gewohnt ist. Eine spaßige Upbeat-Polka, die Trinkeslust besingt.

Der folgende Track ist da schon beinah das komplette Gegenteil. Jazzig besingt „Ein Herz und eine Kehle“ den Modus Operandi eines Serienmörders der à la Jack The Ripper Frauen zum Verschwinden bringt. Mit seinem ausgezeichneten Bläsersolo und dem eingängigen Refrain, der einem schon fast im Hals stecken bleibt, erinnert „Ein Herz und eine Kehle“ wohl am meisten an die Fernsehserie Babylon Berlin, die, wie uns Gitarrist Ost im Interview erzählte, maßgebend für das Album gewesen ist.

Kurz vor Schluss wird es zum ersten Mal auf dem Album so richtig ruhig und melancholisch. „Du bringst mich um“ verleiht mit einem simplen Text und noch simplerer Melodie, begleitet von Streichern und Gitarre, nicht nur Gänsehaut, sondern lässt auch die ein oder andere Träne fließen. Ein gelungener Kontrast zum sonst eher spaßigen Upbeat-Charakter des Albums.

Nach dieser kleinen Verschnaufpause geht es mit „Die Welt ist High“ tanzbar und gut gelaunt weiter. Textlich natürlich zeitlos, könnte „Die Welt ist High“ in der Form mit vollem Bläser- und Streichersound auch von einem Tanzorchester auf einer Veranstaltung der Zeit gespielt worden sein.

Nach einer knappen halben Stunde beginnt schon der letzte Song „Nichts bleibt für immer“. Trotz des etwas melancholisch klingenden Titels ist der Song alles andere als das: In einem leicht tänzelnden ¾-Takt, von Akkordeon und Klavier begleitet, besingt Sänger Nord die Vergänglichkeit des Lebens auf eine positiv leichte Art und Weise à la „Was kostet die Welt nachts um halb drei“. Mit Mandoline und Saxophonsolo verabschieden sich HÄMATOM damit aus ihrem ersten Akustikalbum und entlassen die Hörer:innen wieder in die harsche Pandemiewelt der 2020er.

Fazit

Bei der ersten Nachricht, dass HÄMATOM ein Akustikalbum veröffentlichen werden, war die Redakteurin zugegeben zunächst skeptisch, beim ersten Hören von „Tanz auf dem Vulkan“ jedoch schon völlig überzeugt. Die vier Herren aus Franken haben mit „Berlin – Ein akustischer Tanz auf dem Vulkan“ ein Album sondergleichen geschaffen, welches man in der Form so wohl noch nie von irgendeiner Band gehört hat oder wohl jemals wieder hören wird.

HÄMATOM haben es geschafft, die verschiedensten Facetten der 1920er Jahre in Musik und Text einzufangen, sodass man denken könnte, sie hätten nie etwas anderes gemacht. Eine volle Albumempfehlung, die auch nach wiederholtem Hören absolut Spaß macht!

Songempfehlungen

  • Welt ist high
  • Tanz auf dem Vulkan
  • Berlin

Trackliste:

  1. Tanz auf dem Vulkan
  2. Beweg dein‘ Arsch
  3. Au Revoir
  4. Berlin
  5. Zwischen Gangstern und Ganoven
  6. Werft die Gläser an die Wand
  7. Ein Herz und eine Kehle
  8. Du bringst mich um
  9. Die Welt ist high
  10. Nichts bleibt für immer


HÄMATOM sind:

Nord – Gesang
Ost – Gitarre
West – Bass
Süd - Schlagzeug