Geschrieben von Sonntag, 14 Oktober 2012 17:50

Billy Talent - Interview zu "Dead Silence" mit Jon Gallant

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BILLY TALENT rockten die Frankfurter Festhalle im Rahmen der Tour zum aktuellen Album "Dead Silence" und wir trafen den ausgeglichenen Bassisten Jon Gallant backstage vor dem Konzert. Er gab bereitwillig Auskunft über die neue Platte, seine musikalischen Anfänge und die musikalischen Einflüsse von BILLY TALENT.

Hallo Jon, wie geht es dir?

Sehr gut, danke der Nachfrage.

Ihr tourt wahnsinnig viel in diesem Jahr. Wo seid ihr schon überall gewesen?

In England, Deutschland, Schweiz, Österreich, Skandinavien ...

Und gestern habt ihr noch in Österreich gespielt (nachdem die Band schon in Deutschland Station gemacht hat...)?

Ja genau, Österreich, wir spielen auch noch in Finnland (kommt sichtlich durcheinander und nimmt sich den Backstage Pass zur Hilfe) ... also ... dann kommt auf dieser Tour auch noch Oslo.

Seid ihr zum ersten Mal in Finnland?

Nein, da waren wir schon ein paar Mal.

Und dieses Mal habt ihr mit ANTI-FLAG und ARKELLS großartige Supportbands ausgesucht, was für ein geniales Paket. Magst du beide Bands?

Ja, ich kannte die ARKELLS gar nicht so gut, außer dem, was ich im kanadischen Radio gehört habe, die sind ziemlich beliebt in Kanada. Und unsere deutschen Freunde von der Promoagentur wollten die ARKELLS mal nach Deutschland bringen, um sie hier vorzustellen. Das schien eine gute Idee zu sein, wir mögen die Band und es passt auch ganz gut. Und mit ANTI-FLAG waren wir schon mehrfach unterwegs.

Lass uns jetzt mal über „Dead Silence" sprechen. Ihr habt die Nummer 1 der deutschen Charts geschafft, schon wieder wie damals mit dem zweiten Album...

Ja genau, mit dem zweiten Album hat es auch geklappt und beim dritten hat uns MICHAEL JACKSON geschlagen, als er gestorben ist. (lacht)

Absolut zu Recht, meiner Meinung nach ist das bis jetzt euer bestes Album.

Danke, sehe ich genau so.

billy talent-dead silence-cover-interviewWarum habt Ihr das Album „Dead Silence" genannt?

Na ja, nachdem wir immer mit der jeweiligen Nummer in den Titeln gearbeitet haben, sollte nach Album Nummer drei Schluss sein. Als wir dann richtig mit dem Album eingestiegen sind und das Ganze Formen annahmen, schickten wir die Songs an den australischen Künstler Ken Taylor, der das Cover- und Booklet designt hat. Er schickte uns dann seine ersten Entwürfe zurück und wir mochten die Richtung sofort – eine gute Zusammenfassung dessen, worum es auf dem Album geht. Wir überlegten uns einige Namen und haben ja auch einen Song auf dem Album, der „Dead Silence" heißt. Und das schien uns dann irgendwie passend, so dass wir den Songtitel als Albumtitel übernahmen.

Also war das Coverartwork die Inspiration für den Titel und zuerst da?

Ja.

Auf der einen Seite klingt es typisch nach BILLY TALENT, aber im Vergleich zu den anderen Alben zeigt ihr dieses Mal viel mehr von der musikalischen Bandbreite, die BILLY TALENT zu bieten hat. Es klingt so frisch, als wäret ihr Rookies und hättet nicht schon knapp zwanzig Jahre Banderfahrung im Rücken. Was habt ihr anders gemacht als bei den alten Alben?

Das Album ist 100 Prozent BILLY TALENT. Ian hat es produziert, jeder hat uns in Ruhe machen lassen, wir hatten keinerlei Druck und nahmen uns einfach die Zeit, die wir brauchten. Wir haben immer starke Alben veröffentlicht, aber gerade nach dem dritten Album waren einige verwirrt über die eingeschlagene Richtung. Das hat uns dazu motiviert, wieder ein Stück zurück zu unserem Sound zu finden. Wir nahmen wir die selben beiden Engineers wie auf den ersten beiden Alben und dann hat Ian es produziert. Es war auf jeden Fall sehr aufregend für uns, alles alleine machen zu können. Es war eine lustige Zeit, alles ging sehr natürlich und unkompliziert von der Hand. Ich denke, der größte Unterschied liegt darin, dass Ian es produziert hat – der eigentliche Sound von BILLY TALENT wurde sehr gut eingefangen, dadurch wurde es größer und besser.

War dies auch die Motivation für Ian: Ein BILLY TALENT Album aufzunehmen, so pur wie es nur geht? Er hätte die Produktion ja auch wieder an Brendan O'Brian geben können, sich zurücklehnen und relaxen.

Ja, genau das und auch die Tatsache, dass er mehr an der Produktion mitarbeiten, sich auch mehr im Hintergrund engagieren wollte. Wir haben ihm zu 100 Prozent vertraut, dass er der richtige Produzent für uns ist. Wir haben viel gelernt über die Jahre, konnten viele Erfahrungen sammeln und hatten nicht das Gefühl, extra jemanden dafür holen zu müssen.

Gibt es einen Song auf dem Album, den du besonders magst, der eine spezielle Bedeutung für dich oder für die Band hat?

„Cure For The Enemy" ist, denke ich, der Song, den ich am meisten mag. Ich mag alles an diesem Lied. Wir hatten die Musik schon lange fertiggeschrieben und wir fanden einfach keinen passenden Text, waren wie blockiert. Ich ging zu Ben und Ian und drängte „Komm lass uns diesen Song fertig machen", dann haben wir es doch hingekriegt. Es ist ein trauriger Song, aber ich mag den Inhalt. Ich mag wirklich alles an dem Song, ein magischer Song.

Worum geht es darin?

Um Krebs, es drückt auf das Herz ... aber jeder hat mit Krebs zu tun oder kennt Leute, die betroffen sind ... ja, darum geht es in dem Song.

Wird der Titel auch eure nächste Single sein?

Nein, ich denke wir werden ihn einfach nur als Albumtrack behalten.

Wisst ihr schon, was die nächste Single wird?

Noch nicht so genau, eventuell „Stand Up And Run" oder „Love Was Still Around".

In der Vergangenheit waren die Schreie von Ben eines der Markenzeichen von BILLY TALENT – heute sollte jeder wissen, dass er auch sehr gut singen kann. Könnt ihr euch vorstellen, ein BILLY TALENT Akustikalbum aufzunehmen? Wie du eben gesagt hast, ist ja auch „Cure For The Enemy" ein emotionaler, eher ruhiger Song ... oder muss BILLY TALENT laut sein?

Ich würde nie irgendetwas ausschließen. Kann schon sein, dass wir das irgendwann mal machen. Im Moment haben wir so etwas nicht in Planung, aber letztendlich sollte man schon verschiedene Dinge ausprobieren.

Was gefällt dir am besten daran, ein Teil von BILLY TALENT zu sein? Lieder schreiben, Videos produzieren, live spielen, Interviews...

Ich mag es, im Studio zu spielen und dann natürlich live spielen. Das ist eigentlich der Grund, um Musik zu machen ...

Lieber kleine Auftritte oder eher Festivals?

Wir sind froh, dass wir überhaupt beide Arten von Gigs spielen können. Beide haben ihren Charme, es ist cool, beides tun zu können.

Dieses Jahr ward ihr zum dritten Mal bei Rock am Ring und habt vor dem Headliner METALLICA gespielt ...

Ja (lacht) – wie cool.

... ihr habt die Nummer 1 der Charts erreicht, was ist dein Traum in musikalischer Hinsicht? Eine bestimmte Band zu supporten, in einem bestimmten Land zu spielen oder in einer besonderen Location?

Tja, wenn du anfängst Musik zu machen, dann erscheint das alles erstrebenswert, diese Ideen und Träume. Ich liebte GUNS'N'ROSES und wollte am liebsten in der Band sein, oder bei METALLICA. Ich traf Aaron (den Drummer von BILLY TALENT) auf einem METALLCA Konzert in Toronto, das ist schon ewig her ... In dem Moment, als wir ihre Show sahen, dachten wir „Wow, wie cool wäre es, für die zu eröffnen und dann mit denen abzuhängen...". Die waren allerdings komplett in ihre Musik vertieft, weil man im Endeffekt Shows machen will, Leute unterhalten und sich selbst mit der Musik ausdrücken. Das ist ein Aspekt, den auch alle Musiker teilen, um zu unterhalten. Warum sollte man sonst Musik machen? Es ist natürlich etwas Persönliches, aber das ist auch der Teil in dir, der für Unterhaltung sorgen will.
Da ist schon immer noch ein Traum, aber mit unserer Band versuchen wir immer, im Moment zu leben und zu genießen, was jetzt ist. Wir versuchen gute Songs zu machen, eine gute Band zu sein und auch live gut zu sein.

Eine gute Liveband seid ihr auf jeden Fall.

Danke, wir nehmen das auch sehr ernst mit unserer Performance, legen Wert darauf, eine gute Show zu haben und proben nächtelang dafür. Wir haben einen fahrenden Proberaum und komplette Band Setups, so dass wir proben können, bevor wir wirklich live loslegen. Wir wollen sicher sein, dass der Gig steht. Ich bin schon sehr zufrieden mit meinem Leben und habe mir schon viele meiner Träume erfüllt. Hoffentlich bleibt das so.

Kannst du dich noch erinnern, welchen Song du als ersten richtig spielen konntest? War es tatsächlich ein METALLICA Song?

Nein, die ersten Songs, die ich spielen konnte, waren „Down On The Corner" von CCR (CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL), „Sweet Child O'Mine" von GUNS'N'ROSES und „Money" von PINK FLOYD. Das sind so die ersten Lieder, an die ich mich jetzt wirklich erinnern kann.

Kannst du dich noch an den ersten Auftritt mit BILLY TALENT erinnern, nicht als PEZZ?

Hm, der erste Gig als BILLY TALENT, nachdem wir uns unbenannt hatten, das weiß ich gar nicht ... Das muss über zehn Jahre her sein. Das muss in Toronto gewesen sein ... aber ich erinnere mich gar nicht an die direkte Show ... das ist eine gute Frage.

Was war denn das letzte Konzert, auf dem du selbst als Besucher warst?

Das müsste PUBLIC ENEMY gewesen sein, entweder PUBLIC ENEMY oder REFUSED. Aber die PUBLIC ENEMY Show war die lauteste, die ich je im Leben besucht habe. Meine Ohren haben noch drei Tage später geklingelt. Es war unglaublich.

Du bist der einzige Basspieler, bei dem mich das Bassspiel wirklich an RAGE AGAINST THE MACHINE erinnert. Hat dir das schon mal jemand gesagt?

Wenn es so wäre, würde ich es nicht ablehnen... das ist ein tolles Kompliment.

BILLY TALENT ist die einzige Band, nach RAGE AGAINST THE MACHINE, die so fett rhythmusbetont spielt.

Ja, als wir anfingen, haben wir viele ihrer Songs gecovert, das erste RAGE AGAINST THE MACHINE Album haben wir viel gespielt und sie waren ein riesengroßer Einfluss für uns. Besonders das Schlagzeug, damit sind wir immer sehr sorgsam umgegangen, haben uns Zeit für Umbrüche genommen... Von RAGE AGAINST THE MACHINE kann man da sehr viel lernen.

Deshalb sind BILLY TALENT wohl auch eine der wenigen Bands, die die Leute dazu bringt, nicht nur Luftgitarre, sondern auch Luftbass und Luftschlagzeug zu spielen. Gibt es eine deutsche Band, die du magst? Ich habe gehört, dass Ben die BEATSTEAKS gerne hört.

Wir lieben alle die BEATSTEAKS. Die sind klasse, so wie DIE TOTEN HOSEN, wir haben sie schon einige Male auf Festivals gesehen. Da sind noch einige andere, mir fallen die Namen leider nicht ein. Aber die BEATSTEAKS sind einer der Gründe, warum wir überhaupt so einen Erfolg in Deutschland haben. Als wir unser erstes Album veröffentlich haben und gerade anfingen, am zweiten zu arbeiten, kamen wir hier auf Tour und haben für sie eröffnet. Die vielen Leute, die dort hinkamen, waren alle so offen – und alles, was wir tun mussten, war spielen. Nach dieser Tour wurden wir richtig bekannt in Deutschland. Eine tolle Band mit tollen Songs.

Genau wie die BEATSTEAKS vermittelt auch Ihr das Gefühl, eine richtige Band zu sein, eine richtige Gang.

Ja, was leider nicht mehr so verbreitet ist, wie es das mal war. Wir leben sowieso in einer so zerrissenen Gesellschaft, so viele Bands starten und trennen sich dann wieder, um getrennte Wege zu gehen. Für uns kam das nie in Frage und man sieht auch, dass alle großen Bands wie GREEN DAY, RED HOT CHILI PEPPERS oder U2 schon lange Zeit zusammen sind. Die Kraft kommt aus dem Team und es ist immer wichtig, in einem guten Team zu sein, ob das jetzt Sport, Business oder Musikbusiness ist. Zusammen kann man immer mehr erreichen.

Ihr habt jetzt schon vier Alben veröffentlicht. Habt ihr schon mal überlegt, ein Tab Buch rauszubringen, mit Gitarrentabs, Texten, Noten für Schlagzeug und Bass?

Es gibt ein Guitartab von den ersten drei Alben, und heutzutage im Internet kann man sich ja alles raussuchen.

Magst du das Internet, als Künstler?

Ja (lacht), es ist klasse, wir nutzen es jeden Tag. Es ist wichtig, um immer auf dem neuesten Stand zu bleiben oder einfach nur, um sich über Dinge zu informieren. Jede Information ist nur einen Fingerschnips entfernt, ich nutze es privat und eigentlich für alles.

Unterstützt du kleine unbekannte Bands, gehst zu deren Konzerten und kaufst die Alben?

Ja, wenn ich sie mag, natürlich. Ich kaufe Musik und lade sie nicht runter, und ich bin immer dabei, wenn es darum geht, Musik zu unterstützen.