Geschrieben von Dienstag, 09 Juni 2009 10:07

Rock Am Ring 2009 - Der Nachbericht



Es war wieder einmal Zeit für Deutschlands größtes Musik-Festival. Für die BurnYourEars-Redakteure war es der siebte Besuch in Folge (inklusive Privatbesuchen sogar der zehnte), so dass man schon langsam von einer zusammen gehörenden Institution sprechen kann, die gemeinsam gewachsen ist. Okay, das ist vielleicht ein wenig anmaßend, aber das gibt uns auch die Möglichkeit, das aktuelle Festival mit den Jahren zuvor zu vergleichen, zumindest aus subjektiver Sicht. Dass 2009 die Vorfreude nicht so groß gewesen ist wie in den Vorjahren, lag vor allem am insgesamt enttäuschenden Line-Up.


Mittlerweile ist das RAR-Festival zum Selbstläufer geworden, bereits im Januar wurden im ermäßigten Vorverkauf mehr als 65.000 Tickets abgesetzt. Und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt das Line-up noch lange nicht stand und vor allem die Headliner nicht explizit kommuniziert wurden. Ein riesiger Vertrauensbeweis, schließlich wirbt der Veranstalter jedes Jahr damit, für ein gigantisches Bühnenprogramm zu sorgen.

So kam es dann für Viele überraschend, dass nach der "Ausverkauft!"- Meldung Ende März plötzlich kaum noch größere Bands hinzugekommen waren und es plötzlich hieß, SLIPKNOT, LIMP BIZKIT und THE KILLERS wären die Headliner. SLIPKNOT sind zwar wild, unterhaltsam und inzwischen auch mit genug Hits und Erfolg geschmückt, aber eigentlich von der Historie her gesehen kein Ersatz für METALLICA oder IRON MAIDEN. Zu LIMP BIZKIT - im Original-Line-Up seit sieben Jahren - muss man sagen: cool, eine nette Idee. Aber THE KILLERS? Vielleicht in fünf Jahren ...

Also ein ziemlicher Abstieg, wenn man bedenkt, dass RaR in seiner 24-jährigen Geschichte immer auch für legendäre Bands stand, die für sich genommen schon Stadien füllen können (METALLICA, DEPECHE MODE, BON JOVI, IRON MAIDEN, RED HOT CHLI PEPPERS etc.) oder zumindest Kultstatus besitzen (DIE TOTEN HOSEN, RAGE AGAINST THE MACHINE). Das gab auch Andre Lieberberg zu, der das Line-Up verantwortet: "Sicherlich fehlen die großen Stadienacts, wie wir sie in den Jahren zuvor hatten. Dafür sind wir in der Breite besser aufgestellt." Man solle nicht so konservativ sein und immer auf die gleichen Mega-Acts hoffen, schließlich ändere sich der Musikgeschmack der jungen Leute mit der Zeit.

Das kann man sicher so stehen lassen, doch der Abstand, was die musikalische Qualität und somit Strahlkraft von RAR betrifft, ist zu anderen Festivals sicherlich geschmolzen. Auch weil man so manche Bands auch einfach schon zu oft am Ring gesehen hat (KILLSWITCH ENGAGE, KORN, PAPA ROACH, MARILYN MANSON), quasi jedes Jahr die gleiche Soße. Zudem muss man sagen, dass sowohl auf der Bühne als auch im Publikum der Metal-Anteil stark zurück gegangen ist. Auch das war mal anders.

Doch genug gemeckert, kommen wir zum musikalischen Teil:


Freitag, 5. Juni

Der erste Tag begann für uns aufgrund der späten Anreise erst mit dem fürchterlichen Auftritt von ENTER SHIKARI, die auf der Alternastage mit ihrem klingeltonähnlichen Techno-Core nichts zu suchen hatten. Als Fun-Act gehen die Engländer vielleicht noch durch, aber wenn auch der Sound nicht mitspielt (sollte das eine verzerrte Gitarre sein?), ist das einfach nur überflüssig und albern. Man sollte die Band nicht größer machen als sie ist.

Die folgenden PAPA ROACH und STAIND gingen da schon mit mehr Klasse und Routine zu Werk und überzeugten über die gesamte Spielzeit. Da merkt man einfach, dass Profis am Werk sind, die wissen, was sie tun. Höhepunkt waren natürlich die jeweiligen Hitsingles "Last Resort" (mit einem kurz schockenden Thrash-Beginn) und "It's Been A While".



Die folgenden KILLSWITCH ENGAGE bemühten sich zwar und zeigten sich sehr agil, doch leider konnte man zumindest auf unserer Seite nur eine Gitarre hören. Zudem war - wie eigentlich der gesamte Freitag auf der Alternastage - der Sound viel zu leise. Wir fragen uns immer noch, was die Soundmixer sich dabei gedacht haben. In der 20. Reihe konnte man sich bereits problemlos unterhalten, von den Bässen spürte man gar nichts mehr. Schade, denn die Qualität der Band ist unbestritten, und ein neuer Song vom bald erscheinenden neuen Album wurde auch präsentiert und für gut befunden.

MARILYN MANSON haben wir uns anschließend geschenkt (um POLARKREIS 18 zu sehen). Angeblich, so hatten wir später gehört, soll Mr. Manson aber ziemlich abgestunken haben. Aus Frust pöbelte er scheinbar die "dummen" Fans an. Nicht die feine englische Ar ... In diversen Foren hagelte es deshalb auch mächtig Kritik.

Bis 1.45 Uhr (plus Verzögerung) mussten wir dann auf den Auftritt von KORN warten, die neben einem Best-of-Programm auch einige nicht so oft gespielte alte Schätze ausgegraben hatten ("Chi", "Divine"). Sänger Jonathan Davis präsentierte sich in guter Form, auch wenn die Band schon bessere Tage erlebt hat. Spaß gemacht hat es trotzdem, und auch das Publikum ging gut mit, selbst wenn es an den Seiten wieder viel zu leise gewesen ist. Höhepunkte: "Here To Stay", "Ya'll Want A Single" und die letzte Nummer "Got The Life". Es wäre trotzdem schön, KORN irgendwann wieder im Original-Line-Up zu sehen, das hatte einfach noch mehr Druck. Um 3.10 Uhr war dann Schicht im Schacht, ein Tag mit gemischten Eindrücken ging zu Ende.

Von der Centerstage hatten wir am Freitag übrigens bis auf ein paar Töne von PLACEBO überhaupt nichts mitbekommen. Kein Wunder, bei der Zusammenstellung.


Samstag, 6. Juni

Dafür wurde die Hauptbühne am Samstag umso interessanter, als SEVENDUST zu früher Stunde (das bedeutet bei RAR 14.45 Uhr) den Anfang machen mussten. Leider verloren sich aufgrund des katastrophalen Regenwetters nur etwa 5.000 Leute vor der riesigen Bühne, so dass man SEVENDUST, die sowieso viel zu selten in Deutschland präsent sind, zu den Verlieren des Festivals zählen muss. An der Mucke lag es sicher nicht, denn die trat ordentlich Arsch! Die Band wäre mit einen Auftritt abends im Club Tent sicher viel besser aufgehoben gewesen.

Auch bei TRIVIUM waren es vielleicht nur 8.000 Zuschauer vor der Centerstage, die ein ultratightes Brett geliefert bekamen. Trotz des miesen Wetters und des geringen Zuschauerzuspruchs ließen es sich die Amis nicht nehmen ein, mit einem Lächeln auf dem Gesicht einen tollen Gig auf das Parkett zu legen. Eigentlich eine Unverschämtheit, dass die Band immer noch nicht den großen Durchbruch geschafft hat, denn viel besser kann man Metal nicht zelebrieren. Erschreckend gut.

VOLBEAT sorgten dann mit ihren Party-Hits für gute Laune, und auch die meisten Fans hatten endlich den Weg auf das Gelände gefunden, so dass einem gelungenen Gig nichts mehr im Wege stand.

Bei THE PRODIGY ging die Menge dann richtig steil, vor allem natürlich bei den Klassikern "Breath", "Firestarter" und "Smack My Bitch Up". Auch das Rock-Publikum hatte Spaß an den hektischen Beats, so dass der Auftritt auf jeden fall als Volltreffer bezeichnet werden muss.

MACHINE HEAD waren laut, böse und einfach nur umbarmherzig. Standesgemäß fing das Set mit einem der härtesten Songs der Metal-History an: "Imperium". Der anschließende "Ten Ton Hammer" hatte nicht weniger Gewicht. Die gesamte Band machte einen insgesamt fitteren und professionellen Eindruck als in der Vergangenheit. Was geblieben ist, sind Rob Flynns zum Schmunzeln reißerische Ansagen zwischen Größenwahn und beinah peinlicher Sentimentalität: "Can you feel it? Yeah, I can feel it,
too!" (nach zwei Akkorden auf der Akustikgitarre).



SPLIKNOT hatten dann die schwierige Aufgabe, den Headliner markieren zu müssen, was sie bravourös meisterten. Natürlich kam "Duality" am besten an, doch auch der Rest der Setlist konnte überzeugen. Zudem merkte man SLIPKNOT an, wie variabel sie nach bereits vier Alben geworden sind, denn vom undifferenzierten Einheitssound haben sich die Herren aus Iowa schon lange gelöst. Sänger Corey Taylor bedankte sich dann noch artig beim Publikum für den Support und die kurz zuvor verliehene goldene Schallplatte. Das anschließende Hinsetz-Aufspring-Spielchen beim Klassiker "Spit It Out" gab bei zehntausenden ausrastenden Fans ("World Record") ein geiles Bild ab (wurde am nächsten Tag aber von LIMP BIZKIT getoppt!).

Für uns war der Tag aber noch nicht zu Ende, denn im Club Tent warteten zu später Stunde noch drei weitere Bands auf uns. Während THE GASLIGHT ANTHEM ihren schmissigen Mitsing-Rock gekonnt über die Bühne brachten, waren AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD doch ein wenig von der Spur. Zwar zeigten sie großen Einsatz, doch der Widererkennungswert tendierte gegen null, die Songs wurden ziemlich vergewaltigt. Wall of Noise gerne, aber nicht wenn man auf Platte ganz andere Songs gewohnt ist.




Um etwa 2.20 Uhr enterten dann DREDG die Bretter und bewiesen, warum sie im Alternative-Bereich zu den angesagtesten Acts gehören. Schöner kann ein Festivaltag nicht zu Ende gehen.


Sonntag, 7. Juni

An Tag drei durfte man dann gespannt sein, ob die GUANO APES sich nur wegen der Kohle zusammengerauft haben - wie Brancheninsider hinter vorgehaltener Hand lästerten - oder tatsächlich, weil sie wieder Bock auf ihre Musik haben. Dass die Band "unlösbare Differenzen" mit Sängerin Sandra Nasic haben soll, ist ja schon seit dem Band-Split kein Geheimnis mehr. Warum, das hat die Dame (un)freiwillig selbst demonstriert. Schlechter Gesang, gekünstelte Posen, nervtötende Zwischenschreie, selbstverliebtes Gehabe, aber am schlimmsten: megapeinliche Ansagen. Highlight: "Wo bleibt MEIN Applaus?!" Die Hits wurden bis auf "Big In Japan" und "Lords Of The Boards" schon während der ersten Viertelstunde verbraten. Danach gab es nur noch Uptempo-Songs ohne großen Wiedererkennungswert. Auch der einzig neue Song konnte nicht beweisen, dass die Göttinger noch etwas zu melden haben. So fielen dann auch die Zuschauerreaktionen über weite Strecken eher bescheiden aus. Dass Basser Stefan Ude sein Instrument am Ende in die Bass-Drum warf, verhieß auch bandintern nichts Gutes für die Zukunft. Ob das neben Rock im Park der erste und letzte Auftritt nach der "Reunion" war?

Nach diesem peinlichen Auftritt tat es gut, sich dem Geballer der englischen Death-Core-Bubies BRING ME THE HORIZON hinzugeben. Sie verdienten sich den Titel "brutalste Band" des Festivals redlich. Die Musik der fünf Fashion-Victims ist zwar dermaßen überzogen, aber gerade das macht den Charme dieser fiesen Mucke aus. Chapeau!

Gleichzeit zeigten BILLY TALENT, dass sie den Nerv der Zeit wie kaum eine andere Band treffen. Es reihte sich Hit an Hit, allerdings waren die Publikumsreaktionen 2007 euphorischer, da war es aber auch nicht so saukalt wie dieses Jahr. Punkten konnten die Kanadier dafür mit einem brandneuen Song, der, wen wundert es, wieder riesiges Hit-Potenzial verspricht. Die Jungs haben's einfach drauf, das muss man ihnen lassen, unabhängig davon, ob einem der hohe Gesang auf die Nüsse geht oder nicht.

Die Spannung stieg. Gerade auch, weil wir vorher noch gehört hatten, dass der Auftritt im Park eher mittel gewesen sein soll. Wir wissen nicht, was in Nürnberg los war, aber LIMP BIZKIT in Urbesetzung fackelten ein grandioses Hit-Feuerwerk ab. Dem Publikum merkte man die Freude an, endlich zu Hits wie "My Generation", "Break Stuff", "Nookie", "My Way" springen zu können. Selbst auf der sonst eitlen VIP- und Presse-Tribühne fühlten sich plötzlich alle wie 15 und feierten die Band tierisch ab. Das kollektive Ausrasten bei "Take A Look Around" bis zum Horizont bleibt ein Bild für die Ewigkeit. Das Risiko, LIMP BIZKIT auch ohne aktuelle Scheibe an den Start zu bringen, hatte sich für die Veranstalter ausgezahlt. Ein versöhnlicher Abschluss, der auf ein noch stärkeres Line-Up 2010 hoffen lässt.


Abschließend möchten wir noch einige Dinge los werden:

Positiv zu vermelden ist, dass der Zugang zu den ersten Wellenbrechern besser organisiert und angenommen wurde, und dass die ehemals riesigen Soundtürme vor der Centerstage erheblich niedriger waren als in den Jahren zuvor, sodass die Sicht für den hinteren Teil des Publikums verbessert wurde. Die sanitären Anlagen wurden auch verbessert, vor allem die offenen Stehklos für die männliche Fraktion haben sich bewährt.

Übrigens, auch wenn der Veranstalter die Band nicht beim Namen genannt hat, kam zwischen den Zeilen heraus, dass man für 2010 in Verhandlungen mit RAMMSTEIN steht. Das wäre natürlich der Oberknaller und eine Art Wiedergutmachung für THE KILLERS.


Von Rock am Ring berichteten: Emrah und Deniz Kilic
Copyright der Fotos: Emrah Kilic

www.rock-am-ring.de

 

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