Geschrieben von Mittwoch, 07 November 2018 16:16

Streaming auf dem Vormarsch – Von Big-Data-Künstlern und Streaming-Labels

Streaming auf dem Vormarsch – Von Big-Data-Künstlern und Streaming-Labels Foto von Tim Savage von Pexels

Vor ein paar Monaten donnerte es in der Musikbranche: Die Streamingerlöse hatten erstmals die Umsätze mit physischen Musikträgern überholt! 348 Millionen vs. 250 Millionen. Doch das ist erst der Anfang. Welche Relevanz werden physische Tonträger in Zukunft noch spielen – und ist Musikstreaming das Allheilmittel?

Generationen nach uns wachsen mit Musikstreaming auf, wozu noch CDs kaufen? Hat jemand noch CD-Wechsler im Auto oder zu Hause? Einen Disc- oder Walkman? Kassetten sind für Dinosaurier und Vinyl ist für Liebhaber. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Bleistift und Kassette? Die Zeit ist vorüber. In Zeiten von "Netflix and Chill" funktioniert „Kommst Du noch auf einen Kaffee zu mir rauf, ich zeige Dir meine Plattensammlung“ nicht mehr. Die CD-Regale werden immer kleiner, manche Märkte verzichten mittlerweile völlig auf den CD-Verkauf, stattdessen finden sich Gutscheinkarten für die Streaming-Anbieter und iTunes im Regal.

Schwere Zeiten für CD und MP3

Die Standard-CD im Jewel Case wird es schwer haben – ein langweiliges Massenprodukt, welches nicht mehr Charme versprüht, als ein Stream. Booklets? Eher eine Ausnahme heutzutage, fliegt wahrscheinlich auch bald durchs Auto oder verschwindet in irgend einer anderen Hülle.

Die traditionsbewussten Metaller und Rocker greifen weiterhin gerne zur CD, auch ich liebäugle manchmal noch mit einem schönen Digibook mit Prägedruck oder gleich einer Vinyl – aber nur, wenn die Platte und das Drumherum etwas hermachen. Ein hübsches Büchlein dazu, mit passenden Bildern oder Grafiken. Doch wann habe ich das letzte Mal bewusst zur CD oder Platte im Regal gegriffen? Keine Ahnung. Die letzte CD oder Platte gar gekauft? Auch eine gute Frage, ich streame.

Streaming ist praktisch – und macht doch nicht alles einfacher

Streaming bedeutet, sämtliche Musik immer und überall dabei zu haben. Zu Hause, im Auto, auf der Arbeit, unterwegs auf Reisen, am Strand, im Hotel. Keine CDs mehr einpacken oder gar MP3s zusammenstellen und auf eine CD brennen. Musikgenuss war umständlich.

Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Auf neue Bands werde ich nur aufmerksam, wenn diese in den kuratierten Playlists oder Vorschlägen auftauchen. Negativbeispiel wäre die Drake Kampagne, dessen neues Album wirklich jedem Nutzer auf sämtlichen Seiten und Kategorien vorgeschlagen wurde. Du hörst Slayer und Machine Head – wie wärs mit Drakes neustem Album?

Vor allem kleinere Bands sind nicht unbedingt zu finden. Teilweise entdecke ich Bands erst im CD-Regal beim Händler und starte anschließend den Musikstream. Sich nur auf seinen Streaming-Anbieter zu verlassen, wäre naiv, denn dieser kann entscheiden, was Du hörst. Doch wer als Künstler nicht die „Werte“ des Anbieters widerspiegelt, kann ganz schnell unauffindbar werden und aus sämtlichen Vorschlägen entfernt werden.

Die neue Welt der Big-Data-Künstler

Wir haben es mit "Big-Data-Künstlern" zu tun, anhand der ausgewerteten Hörgewohnheiten stellen Bands ihre Setlists zusammen oder planen ihre Tourneen. Generell ändern sich die Hörgewohnheiten, denn um in der schieren Masse an Musik überhaupt noch aufzufallen, werden eher Singles in regelmäßigen Abständen veröffentlicht, statt dem klassischen Album alle paar Jahre.

Doch auch beim Songwriting unterwirft man sich den Streaming-Anbietern. Vergütet wird gewöhnlich erst ab 30 Sekunden, somit wird Musik kompakter und noch stärker gewinnoptimiert komprimiert und darauf ausgerichtet, dich mindestens 30 Sekunden bei Laune zu halten. Kurze Intros und einfache Hooks machen hier den Anfang.

Wenn Streaming-Anbieter den Labeljob übernehmen

Doch interessant ist nun der Blick nach vorn, denn das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Streaming-Anbietern und Labels ändert sich nun, durch den stetig wachsenden Anteil an Streamingeinnahmen. Kaum ein großer Künstler kann es sich erlauben, nicht auf den Plattformen vertreten zu sein. Denkbar wäre es aus deren Sicht, Künstlern eine eigene labelartige Struktur zu bieten, um so die Einnahmen nur zwischen Künstler und Plattform zu teilen. So kann durch anbieter-exklusive Musiker die Nutzerbasis gefestigt werden und die Abhängigkeit zu den drei großen Labels weiter verringert werden. Ein ähnliches Vorhaben sehen wir momentan bei Amazon Prime und Netflix, welche immer mehr eigene Inhalte produzieren.

Der Markt wird sich weiterbewegen, denn bisher sind die Streaming-Anbieter noch meilenweit von der Gewinnzone entfernt.