Vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast, um uns so kurz vor dem Konzert ein paar Fragen zu beantworten. Wie ich gesehen habe, sind einige Leute gekommen, obwohl ihr eine Warnung rausgeschickt habt, die internationale Apokalypsewarnung... es stehen einige schon draußen.
Ein paar ganz Wagemutige... aber vielleicht gibt's die (Apokalypse) ja heute auch noch, heute gibt es ja eventuell noch ein kleines Gewitter.
Lustig finde ich bei euch, dass es früher immer hieß, ihr hättet „keinen eigenen Stil" und „die spielen immer ein bisschen was von hier und von da". Mittlerweile heißt es „das ist der typische Reitersound" und „ein typisches Reiteralbum". Macht euch das ein bisschen stolz?
Ja, es hat auf alle Fälle lange gedauert, bis wir als Nischenband wahrgenommen wurden, weil wir eben nicht so die gängigen Sparten bedienen. Also nicht wirklich „nicht bedienen", sondern es ist eben von Song zu Song etwas unterschiedlich. Das hat am Anfang Schwierigkeiten bereitet, dass man es eben nicht so in die Folk oder Death Metal Schublade packen kann. Das erfordert immer etwas Kreativität, d.h. man muss denken, und das ist dann alles immer nicht so einfach. (lacht)
Wir haben uns aber auch daran gewöhnt, mittlerweile ist es auch schön. Auf der einen Seite ist es schwieriger, eine Band wie die Reiter zu vermarkten. Weil wir eben eigene Wege gehen mussten und nicht das Konzept von einer beliebigen anderen Band kopieren. Andererseits ist man auch etwas unabhängiger gegenüber Schwankungen, was Stile angeht. Es kommen ja immer mal Stile und gehen wieder, wir haben es stets vermieden, irgendwo draufzuhüpfen und zu sagen „Jetzt ist gerade das in und jetzt müssen wir uns die Haare gelb färben oder irgend so was, nur weil es gerade angesagt ist". Wir sind natürlich Musikfans und beobachten schon, was uns so umgibt, aber letztendlich hat es keinen Einfluss auf uns. Zumindest nicht so, dass wir sagen, wir machen bewusst irgendwelche Dinge, nur weil sie gerade angesagt sind.
Ihr habt den „Seemann" geliefert und „Sehnsucht", da dachte man, es wäre möglich, euch in die Mittelalter Ecke zu packen. Den Eindruck habe ich jetzt aber nicht mehr, mittlerweile seid ihr jetzt in vielen Sparten einsetzbar.
Genau! Das merkt man jetzt auch, wenn man die aktuelle Tour vergleicht, die ja eher einen klassischen Anstrich hat und auf der wir versuchen, das ganze Spektrum von den Anfängen bis jetzt einzufangen. Anders ist das mit der Weihnachtstour, die wir für SUBWAY TO SALLY machen werden. Da wissen wir, dass anderes Publikum da ist und da können wir natürlich aus dem großen Repertoire, das wir mittlerweile haben, andere Songs rauspicken. Es macht auch keinen Sinn, auf Mittelalter Festivals die ultraharten Nummern rauszuholen, wenn man weiß, da stehen Leute vor der Tür, die sonst nur Folk Rock hören. Wir können so frei sein, zwei verschiedene Sets zu haben und zu sagen, wir touren praktisch dieses Jahr zweimal. Es gibt sicherlich immer Überschneidungen, wie zum Beispiel den „Seemann". Egal, ob jung oder alt, hart oder weich, den finden irgendwie alle gut, von daher müssen wir den einfach immer spielen. (lacht)
Als ihr am Anfang als Band zusammengefunden habt, habt ihr Euch Gedanken über einen eigenen Sound gemacht oder kam es so, weil jeder sein Ding machen wollte?
Das war relativ spannend damals. Fuchs, Pest und Skeleton (erster Schlagzeuger der Band), die hatten schon im Sommer 95 angefangen zu proben. Ich bin mit Fuchs damals zur selben Schule gegangen, wir waren in der selben Clique, damals habe ich Fanzines geschrieben, und wir trafen uns mindestens zwei, dreimal die Woche in irgendwelchen Jugendclubs in Apolda, wo wir aufgewachsen sind. Er sagte mir damals: „Ich hab mit Skeleton ne neue Band", und ich sagte: „Kann mir schon so ungefähr vorstellen, wie das klingt". Aber er meinte „nein, das klingt diesmal total anders, du kennst doch diesen Typen, der hat diese total verrückten Locken... ?" "Du meinst sicher Pest aus Weimar?" „ Ja, ja der. Wir spielen total extremen Black Metal und der spielt dazu melodisches Keyboard!" „Was is'n das?!"
Das klang total schräg, hat mich aber neugierig gemacht. Wir hatten schon Jahre vorher zwei, drei üble Radaubands, die ich musikalisch gar nicht einordnen kann. Das war einfach eine Art, um uns auszudrücken. Auf jeden Fall wusste er, dass ich Bass spiele und auch einen habe, und ich kam einfach mal mit und hörte mir das mal an. Das war damals irgendwie ein Sound, den ich so nicht kannte, und ich kannte damals schon viele Bands, weil ich eben für dieses Fanzine schrieb, als musikinteressierter Journalist. Aber konkret geplant hatten wir eigentlich nie was.
Typisch Reiter ist auch die Liveaktion, besonders du mit deiner Wirbelmaschine mit Ady zusammen. Das war sicherlich nicht von Anfang an so, wie ihr euch das vorgestellt habt. Kannst du dich noch an den ersten Auftritt erinnern?
Auch beim ersten Auftritt haben wir uns schon richtig Gedanken gemacht. Es war sehr viel Nebel und ein Kerzenständer mit vielen Kerzen, wie Black Metal Atmosphäre. Wir wollten nie eine Band sein, die mit Jeans und Metalshirts auf die Bühne geht. Das machten alle und das fanden wir irgendwie langweilig. Wir haben immer versucht, uns ein Hemd oder eine verrückte Hose anzuziehen oder irgendein ausdrucksstarkes Accessoire zu finden.
Das ist gerade in den letzten fünf Jahren richtig aufwendig geworden, weil natürlich zum einen die Möglichkeiten bestanden, Headlinershows zu spielen als letzte Band, und eigene Touren fahren zu können. Da kann man gerade in einem 1½ Stunden Programm viel machen. Vor allem Fuchs, der auch viele Outfits auf der Bühne trägt und auch das ganze Bühnenbild versucht, den Songs anzupassen. Wir wären gerne noch viel kreativer, aber das ist letzten Endes auch immer einer Frage der Kosten. Wir sind leider auch nicht RAMMSTEIN, die aus dem Vollen schöpfen können und mit 20 Trucks anreisen. Das heißt, man muss Showelemente finden, die transportabel sind und die man zur Not auch mit dem Flugzeug irgendwo hinbringen kann.
Entwickelt ihr das zusammen oder gibt es einen Vorreiter (ganz schlechtes Wortspiel meinerseits...)?
Was Show und Songs angeht, ist das sicherlich Fuchs, er will die Leute immer mitnehmen auf eine Reise und dann überlegen wir zusammen, was wir mit den Leuten machen wollen. Wollen wir sie von Song zu Song verwirren? Wollen wir sie einmal ausrasten lassen und dann wieder zum Stillstehen animieren? Oder wollen wir sie erst ein paar Songs tanzen lassen und dann wieder was Getragenes bringen?
Man weiß ja, dass man nicht zehn Song hintereinander als Fans durchdrehen kann. Die ruhigeren Stücke sind schon bewusst gesetzt, damit man sagen kann „Jetzt renn ich mal nicht rum und hau mich mal nicht mit meinen zehn Nachbarn, sondern guck einfach mal hoch, was passiert."
Bleibt Fuchs da immer im Rahmen oder kommt er auch manchmal mit Aktionen an, bei denen ihr anderen euch verweigert oder die übertrieben sind?
Nein, er kommt ja nicht mit konkreten Vorgaben. Das ist ein Prozess, der bei uns im Proberaum stattfindet. Wir sitzen bei Kaffee und Zigarette da und reden uns teilweise wochenlang die Köpfe heiß.
Wir haben zum Glück viele handwerklich begabte Freunde, die uns dann Dinge bauen, die man so gar nicht kaufen kann. Wie unser fallender Vorhang, der ist komplett Eigenbau. Wir fanden es spannend, aber es wäre auch gar nicht anders gegangen, weil wir in jedem Club andere Bedingungen haben. Unseren Auslöser für den Vorhang haben wir allerdings in Madrid stehen lassen und unser Techniker hat den dann einfach nachgebaut, mit Drähten und Löten.
Wir werden ja dann gleich heute Abend sehen, ob es funktioniert.
Ja, ja das klappt. Hat die letzten zwei, drei Tage auch schon funktioniert.
Auch wenn es schon 2011 veröffentlicht wurde, ich würde gerne über „Moral Und Wahnsinn" sprechen. Ihr habt vier Wochen lang aufgenommen, kannst du uns was über den Entstehungs- und Aufnahmeprozess erzählen? Ich finde, es ist ein kompaktes und vielfältiges Album, gefällt mir richtig gut.
Im Vergleich zu „Licht" finde ich es jetzt gar nicht so kompakt. Wenn man „Licht" und „Moral Und Wahnsinn" vergleicht, dann ist das verrückte Element der Band diesmal schon mehr rausgekommen. Wir haben dreimal Probeaufnahmen gemacht, bei uns im Proberaum. Man muss einen Song auch mal abends auf der Couch hören, ohne dass man ihn gerade im Moment spielt. Dann hat man manchmal das Gefühl, das Album ist noch nicht richtig stimmig und dann haben wir die ein oder andere Stelle nochmals umgeschrieben. Da fehlt dann der Wahnsinn oder es passt dynamisch einfach besser. Insofern ist das Album sicherlich vom Aufwand her das, bei dem wir am längsten konzentriert gearbeitet hat. Sogar so lange, dass wir manchmal dachten „Mensch, jetzt muss es doch mal endlich fertig werden!".
Aber im Studio selbst haben wir nicht wirklich Zeit. Es ist ein teures, renommiertes Studio, in dem Leute wie DIE TOTEN HOSEN, IN EXTREMO oder auch XAVIER NAIDOO aufgenommen haben. Die können sich da acht Wochen einschließen und einfach warten, bis die Muse vorbeikommt und sagt „Das ist der Refrain, der gefehlt hat!". Das können wir leider nicht und deshalb gehen wir mit 99,8 Prozent Ideen ins Studio und wissen, wie die Songs sein müssen. Dann drücken wir aufs Knöpfchen, jeder nimmt nacheinander auf und das ist es dann eigentlich auch.
Ihr habt damit die höchste Chartposition bisher gehabt, Platz 18. Metal ist ja doch irgendwie Subkultur, auch wenn die Kaufkraft unterschätzt wird. Egal ist euch so eine Platzierung sicher nicht, aber was bedeutet sie euch?
Nein, egal ist uns das nicht. Charts zeigen dir ja lediglich, wie viele Leute kann man in einer Woche mobilisieren: „Geht diese Woche in den Laden!" Letztlich kann man ja die selbe Menge an Alben über mehrere Monate verkaufen. Das sagt ja nix aus, außer „Alle rennen, verrückt wie sie sind, in den Laden, weil sie Ding unbedingt als Erste haben wollen!" Es ist aber schon toll. Das ist ja unser Leben und wir stecken ja alles in die Band rein. Wenn die Leute dann nur dastehen würden und sagen, dass das scheiße ist, was wir machen... (lacht), dass ist dann nicht so das, was man will. Auf die Bühne gehen ist ja auch nur ein Angebot zu sagen, wir sind die, die euch heute unterhalten. Wenn die Leute dann dranbleiben und applaudieren, dann weiß man, es scheint irgendwie zu funktionieren.
Du hast jetzt schon zweimal die Kosten angesprochen, beim Studio und im Vergleich zu RAMMSTEIN. Aber für „Moral Und Wahnsinn" habt ihr ja auch auf jeden Fall tiefer in die Tasche gegriffen, denn ihr habt ja echte Streicher dabei.
Das ging ja schon noch, das waren günstige Verbindungen über unseren Produzenten im Studio. Die hatten witzigerweise auch schon mal für das JAMES LAST ORCHESTER gespielt. Es gab legendäre Telefonkonferenzen zwischen diesen Profis und Dr. Pest, der ja auch den Song und die Notation dazu gemacht hat. Er hat sich mit dem Arrangeur von diesem Orchester ausgetauscht, weil der dann meinte, man müsste hier und da noch etwas ändern und das so doch eventuell anders machen. Wir haben das Telefonat sogar aufgenommen, weil es so ein geiles theoretisches Gespräch war mit Leuten, die eben über Musik sehr viel theoretisches Wissen angehäuft haben. Die Aufnahmesession selbst lief dann auch hochprofessionell ab. Das waren alles studierte Musiker, denen legt man was hin, die schauen sich das an und spielen das dann sofort perfekt.
Das hat die Kosten nochmals relativiert.
Ja, genau. Dadurch ging das dann innerhalb eines Tages. Wir sind nach Köln gefahren, vom Studio aus, waren dann einen Tag dort und kamen abends mit den fertigen Spuren wieder. Der Song war ja im Prinzip schon fertig aufgenommen und es fehlten dann nur noch die Stellen, bei denen eben dann die Streicher zugefügt werden mussten. Als wir das zum ersten Mal gehört haben, war es schon beeindruckend.
Dr. Pest hat ja auf dem Album einen eigenen Song gekriegt. Wie hat er das geschafft und kriegt jetzt jeder einen?
Nein, der Doktor ist schon so ein speziellen Phänomen. Selbst wir können nur versuchen, ihn zu beschreiben, und wir könnten auch sagen, wir haben den Song nur als Single genommen, um die Plattenfirma zu ärgern. Es ist eigentlich der klassische Single- Antisong, lang und hat eigentlich nichts, was Singles normalerweise ausmacht. Aber er hat eine tolle Story und wir sind extra nach Polen gefahren, um das Video dazu aufzunehmen, weil wir von einer Firma dort schon relativ viel Positives gehört hatten.
Wir sind also, bei minus zwanzig Grad, rüber nach Breslau gefahren und waren erst skeptisch. Polnische Videofirma, na ja... mal sehen, wie das abläuft. Wir wollten uns dann um 9 Uhr in der Lobby treffen, fünf vor neun fuhr das Auto vor, alle rein und ab zum Drehort. Am Drehort waren dann 50 Leute, alle motiviert bis in die Haarspitzen, von der Maske über die Beleuchter, die Kulissenbauer... einfach alle! Die hatten einen straffen Zeitplan von zwanzig Einstellungen, die wir abdrehen mussten. Wir mussten also richtig ranklotzen und wir haben das dann auch in einem Tag durchgezogen, war wirklich sehr bemerkenswert. Die waren echt gut.
Also das war dann eher, um Aufklärung in Richtung Dr. Pest zu leisten, und nicht, dass jetzt wirklich jeder einen Song kriegt.
Nein, um Gottes Willen. (lacht) Ich möchte eigentlich auch gar nicht, dass ein Song über mich geschrieben wird.
Kurz nachdem ihr „Moral und Wahnsinn" veröffentlich habt, habt ihr auch ein „Best Of" gemacht. Wie habt ihr denn die Song dafür ausgesucht?
Wir hatten die Wahl, uns zu hauen oder Strichlisten zu machen und haben dann Strichlisten gemacht. Wir kamen sozusagen nicht wirklich in die Gänge, alles führte zu nichts und wir haben dann gesagt: „Wir haben so viele Lieder, lasst es uns aufschreiben und jeder, der der Meinung ist, dass dieser Song dafür geeignet ist, der macht einfach einen Strich." Wir haben natürlich dann schon versucht, das auch etwas zu streuen, um nicht unbedingt nur sechs Songs von „All You Need Is Love" draufzuhaben, sondern jedes Album zu berücksichtigen. Das war nicht einfach.
Ja, ich stelle mir das auch nicht einfach vor, es gibt verschiedene Sichten. Die Songs, die ihr gerne spielt, sind nicht unbedingt die Songs, die die Fans am liebsten mögen.
Wir haben uns gar nicht weit aus dem Fenster gelehnt. Die Erwartung aller Fans kannst du eh nicht erfüllen und die Plattenfirma weiß am Ende auch nicht wirklich, was die Band zusammenhält und wie die Band funktioniert. Am Ende ist es unser „Best Of" und wir versuchen, den Kunstbegriff der letzten acht Alben auf eine CD zu packen, damit derjenige, der die Reiter noch nicht kennt - und um die Leute ging es ja eigentlich, das sind die potentiellen „Best Of"-Käufer - denen wollten wir sagen: „Hier habt ihr eine Band, die gibt es in dem Maße so nicht noch mal, wir haben für euch alle Facetten auf diesem Album eingefangen".
Wir waren ja jetzt gerade auf Europatour, und da war das Feedback auf die „Best Of" super. Vielen haben nach dem Konzert die „Best Of" mitgenommen und ich mache es selbst auch so. Wenn ich eine Band für mich entdecke und die haben ein „Best Of" draußen, dann ist das ganz gut, um einen Eindruck zu kriegen, bevor man sich entscheidet, welches der acht Alben man denn jetzt nimmt.
Du hast auch die Europatour angesprochen. Ich denke, ihr habt das noch gar nicht verarbeitet, wo ihr überall wart und vor wem ihr alles gespielt habt. Ich höre so oft von Bands, „die Leute sind überall nur Leute" - ich denke, das ist sicherlich nicht so. Merkt man da keine Unterschiede vom Feiern, die Japaner finde ich zum Beispiel sehr extrem im Feiern?
In Japan waren wir leider noch nicht. Es gibt auf alle Fälle kulturelle Unterschiede, was Fans angeht. Das merkt man schon in Deutschland, ob wir in Baden Württemberg spielen oder in Schleswig-Holstein, weil einfach aus verschiedensten Gründen die Mentalitäten unterschiedlich sind. So ist es in Europa natürlich auch. Obwohl ich selbst sagen muss, dass die Musik unwahrscheinlich eint.
Es gibt auch immer wieder die Voruteile: Reiter, deutsche Namen und deutsche Texte, das kann ja im Ausland überhaupt nicht funktionieren. Und wir können sagen: Klar funktioniert es, wir haben es ja immer wieder gesehen. Weil letztlich, wir sind ja keine... also wir sind schon Poeten, aber wir machen eben Musik dazu. Aber wir ja keine Dichter, die jetzt eine Lesung machen. Das wäre dann auf Deutsch in Madrid wirklich Quatsch. Aber die Musik transportiert schon wesentlich mehr als der Text. Ich höre ja auch Ska Bands aus Frankreich, kann kein Französisch sprechen und finde die trotzdem toll und gehe auf Konzerte von denen. Das gestehe ich auch jedem anderen zu.
Ich habe aber das Gefühl, die Akzeptanz ist etwas besser geworden in den letzten Jahren. Nicht zuletzt durch RAMMSTEIN.
Ja, RAMMSTEIN sind natürlich immer die Band, die dann angeführt wird. Obwohl sie eigentlich auch ein Phänomen sind, was den Erfolg angeht und wie die es dann schaffen, in Frankreich oder Spanien Stadien auszufüllen, wo man sich denkt „hallo, was ist jetzt hier los?". Obwohl die da auch kein Wort verstehen, aber das ganze Ding ist, so wie es ist, einfach beeindruckend.
Haben sie denn mitgesungen, die Fans jetzt bei euch auf der Europatour?
Ja, die sangesfreudigsten Fans waren in Italien, die schaffen es sogar, Gitarrenmelodien mitzusingen, das ist total großartig. Das würde ich mir fast so wünschen, wenn man hier so ne volle Halle hätte und die dann Gitarrensolo mitsingen, das wäre schon richtig gut. Eventuell sollte man einfach auch mal dazu animieren, als Backing Vocal irgendwie was einbringen.
Könnt ihr ja heute gleich mal austesten. Wie ist das denn so mit dem Tourleben, was ist denn das Geilste, wenn man auf Tour ist?
Das Geilste auf Tour ist, dass man mit seiner Gang unterwegs ist, das ist wie Klassenfahrt ohne Klassenlehrer. Jeden Abend, wenn alles gut gelaufen ist und die Shows fertig sind, dann hat man noch unendlich Zeit zu feiern. Das ist schon irgendwie so ne Mikrowelt, man ist wie unter einer Glocke irgendwie. Jeden Tag ist man in einer anderen Stadt, weiß manchmal gar nicht, wo. Das ist schon sehr speziell, auch wenn wir es schon oft erlebt haben. Man freut sich, wenn man in Städte kommt, in denen man noch nie war. Dann versuchen wir, etwas von der Stadt zu sehen, eine Sightseeing Tour zu machen oder einfach mal in die Natur rauszugehen.
Es ist ja eine Konzertreise, man gibt Konzerte und reist aber auch. Gerade diese Tour ist von den Distanzen her schon heftig, wenn man sich vorstellt, dass der Bus, der da unten steht, vor zwei Wochen noch in Portugal war. Das ist scheißweit, niemand fährt mit dem Auto nach Portugal, weil es viel zu weit ist, sondern man fliegt da runter. Und wir sind da echt mit dem 18 Meter Nightliner runtergefahren...
... aber schon mal besser, als mit dem Zug (die Reiter tourten schon mit dem Zug durch Russland), das war sicherlich anstrengender.
Ja klar, die Zugreisen durch Russland waren schon anstrengend. Das ist ja jetzt im Prinzip wie ein fahrendes Haus. Du steigst zu Hause ein, stellst deine Tasche dahin, wo du sie eben hinstellst, und da bleibt sie dann, du musst sie ja nicht rumschleppen. Aber beim Zug, umsteigen und dann alles zusammenhalten, das ist echt anstrengend.
Auf was freust du dich am meisten, wenn die Tour vorbei ist? Was machst du als erstes?
Ich freue mich auf meine Familie. Meine Frau und mein Kind.
Man ist also schon auch froh, wenn die „Klassenreise" vorbei ist?
Ja, klar. Es ist jetzt keine Tour, die immer nur eitel Sonnenschein ist. Es gibt schon mal Probleme, die auftauchen und untereinander mal Knatsch. So ist das halt, wenn 22 Menschen in einem Bus eng aufeinander sind und es dann vier Wochen miteinander aushalten müssen. Das geht sowieso nur, wenn jeder sein Ego soweit zurücknimmt, dass er sich in gewissen Situationen einfach mal rausnimmt. Diese Tour ist aber wirklich besonders gut, wir haben nette Bands an Bord. Keine Troublemaker, alle waschen sich jeden Tag... (lacht) Ady aus dem Hintergrund „Na ja, nicht alle..." Nicht alle, aber die meisten. Wir hatten auch schon andere Bands.
Bei euch ist nach der Tour auch vor der nächsten Tour. Ihr seid im Sommer auf dem Summer Breeze zum Jubiläum.
Ja, das Summer Breeze ist schon so ne Art Heimspiel, sowieso diese Region hier Baden Württemberg und Bayern, das ist eine der stärksten Region für die Reiter. Da freuen wir uns auch sehr drauf.
Ich könnte mir vorstellen, dass ihr euch was Besonderes ausdenkt...
Wir wissen leider momentan noch gar nicht, an welchem Tag wir spielen können, wir wissen auch noch nicht die Spielzeit und auch noch gar nicht, wie lange wir spielen können. Das heißt, falls es zum Beispiel noch nicht dunkel ist, machen ja bestimmte Licht- oder Feuereffekte noch keinen Sinn, das wäre ja am Tag Quatsch. Wir wollen also erst mal abwarten, wann wir spielen und mit der Setlist... ja, es ist ja meistens nur eine dreiviertel Stunde, da kann man leider immer nicht so viel machen. Es gibt ein paar Songs, die muss man eh spielen...
...um die Leute schnell abzuholen.
Ja, obwohl jetzt haben wir durch die „Best Of" den Vorteil, dass wir als Band gut eingespielt sind. Denn so Open Airs sind im Vergleich zur Club Show schon anstrengender, weil man nicht den ganzen Tag Zeit hat, um den Sound einzustellen. Man hat nur die zwanzig Minuten Umbaupause, wenn die andere Band schon alles runtergeräumt hat. Gerade bei so vielen Sachen wie bei uns, wir haben ja nicht nur Gitarre, Bass, Schlagzeug, sondern auch Keyboards, Samplerspuren und Bonusinstrumente wie Percussion. Wenn da nur eine Sache nicht funktioniert, dann merkt man, wie die Zeit rast und sieht den Bühnenmanager auf die Uhr tippen, der sagt: „Ich weiß nicht, wann ihr anfangt, aber ich weiß genau, wann ihr aufhört...!". Wenn man Pech hat, dann spielt man auch nur zwanzig Minuten, weil der Rest für den Umbau draufgegangen ist, da sind die gnadenlos.
Dann lass ich dir jetzt mal die Zeit um dich, wie auch immer ihr das macht...
... wir machen noch Gymnastik ...
... auf das Konzert vorzubereiten. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast!
Vielen Dank an Markus Wosgien von Nuclear Blast, DIE APOKALYPTISCHEN REITER und an Jan!
Geschrieben von Nadine Sonntag, 13 Mai 2012 17:04
Die Apokalyptischen Reiter - Interview zu "Moral und Wahnsinn" (mit Video)
DIE APOKALYPTISCHEN REITER machten zum Ende der Europatour, die unter dem Motto "The Greatest Of The Best" lief, Halt in Karlsruhe. BurnYourEars traf für euch Volk-Man alias Volkmar Weber, der schon seit 1995 bei den Reitern die dicken Saiten zupft. Sehr gute Voraussetzungen für ein interessantes Interview, in dem Volk-Man von den Anfängen der Band erzählt, auf "Moral Und Wahnsinn" eingeht und uns generell Einblick in den Reiterkosmos und das Duschverhalten auf Tour gibt. Wir trafen ihn backstage, vor dem Auftritt in der Karlsruher Substage:
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