Geschrieben von Samstag, 29 Juli 2017 20:12

Gotthard im Interview: "Die Leute sind nicht immer begeistert!"

Nach 25 Jahren Bühnenpräsenz ist eigentlich der Lack ab. Vielleicht hat sich deshalb in früheren Jahren kaum eine Band auf die Bühne getraut, deren Mitglieder die 40 erreicht hatten. Inzwischen ist die Liste der Alt-Rocker lang. GOTTHARD gehören dazu. Anfang der Neunziger zählten die Schweizer zu den international erfolgreichsten Hardrock-Bands. In ihrem Heimatland füllen sie noch immer die Boulevard (!) Blätter. Anfang des Jahres haben sie sich zum Jubiläum ein Album mit dem treffenden Titel „25“ spendiert. Gründungsmitglied und Bassist Marc Lynn (53) im Interview.

Bist du als Musiker nach 25 Jahren in erster Linie dankbar dafür, noch auf der Bühne stehen zu dürfen oder gibt es noch konkrete Ziele, auf die du hin arbeitest?

Mein Ziel ist eine weltweite Headliner-Tour, denn es gibt immer noch Kontinente, auf denen wir noch nicht gespielt haben. Außerdem setze ich mich in der Schweiz aktiv gegen Internetpiraterie ein. Ich bin der Meinung, dass Streaming-Dienste Künstler auch entsprechend bezahlen müssen. Und das ist nicht bei allen Diensten der Fall. Gleichzeitig setze ich mich für Produzenten ein. Die Plattenindustrie muss wieder eine Chance haben.

Es gibt aber auch viele Künstler, die lieber auf sich selbst vertrauen, als auf eine Plattenfirma, die ihnen sowieso keine großen Summen mehr zur Verfügung stellt?

Natürlich. Wir haben ja auch unsere eigene Plattenfirma und wickeln alles, was darüber darüber hinaus geht, über Agenturen ab. Die Industrie ist nun mal in den Knien. Aber es ist doch so: Wenn der Künstler alles selbst machen muss, wann soll er dann noch Songs schreiben? Wir brauchen einfach wieder eine gesunde Industrie.

Könnt ihr noch von eurer Musik leben?

Das geht nach wie vor gut. Trotzdem freuen wir uns natürlich über jedes Konzert, das wir spielen dürfen. Denn der Erfolg zeigt dir dann genau, wo du stehst und hilft dir, dich selbst einschätzen zu können. Ich kann mit der Musik auch gar nicht aufhören. Auf der Bühne zu stehen, das ist meine Leidenschaft, meine Droge.

Machen wir uns nichts vor. Viele Fans kommen zu euren Konzerten, weil sie Songs aus eurer Hochphase Anfang der Neunziger hören wollen. Was ist das für ein Gefühl, nach 25 Jahren immer noch die alten Songs zu spielen?

Wir bauen auch neue ein. Da muss das Publikum durch. Es kann ja sonst auch nichts Neues kennenlernen – und gut finden. Außerdem ist es doch so: Ein Konzert hat Höhen und Tiefen. Die Leute halten ja nicht die ganze Zeit über die Hände in die Höhe und sind begeistert, das ist eine Illusion. Es muss auch mal Pausen geben zwischendurch. Zum Beispiel gibt es dann für die Frauen Balladen und dann mal wieder Uptempo-Nummern. Das ist wie ein Buch schreiben. Die Protagonisten werden vorgestellt und die Show beginnt. Am Ende ist dann der Gärtner der Mörder. (lacht)

Aufgrund eures internationalen Erfolgs habt ihr viel in der Musikbranche erlebt. Was bereust du?

Dass ich damals nicht genug über das Business gewusst habe. Ansonsten bin ich ein Typ, der ein bisschen von allem kann. Zum Beispiel habe ich unsere erste Homepage selbst programmiert. Ich baue PCs zusammen, kann Buchhaltung usw. Nur Bock auf Social Media habe ich nicht. Ich will lieber Konzert spielen und mich weiter verbessern.

Vermisst du deine Vergangenheit, die Groupies, all das?

Nein. Mir ist es heute wichtig, Musik zu schreiben. Ich haue lieber etwas auf den Grill, als irgendwelche Promi-Veranstaltungen zu besuchen. Wir machen Musik, weil wir Spaß daran haben. Und ich bin einfach neugierig, wir weit wir noch kommen können.

Welche Pläne habt ihr denn, um weiter zu kommen?

Wir sind aktuell in der Produktion für eine Kino-Doku über GOTTHARD. Die soll noch diesen Sommer fertig werden, damit wir sie bei den Filmfestspielen zeigen können. In der Doku wird jeder interviewt, mit dem wir mal gearbeitet haben – selbst wenn wir ihn zum Teufel gejagt haben.

Das ist aber ein Wagnis.

Na ja, wir sind ja heute reifer als früher. Wenn jetzt gesagt wird „der Typ war damals unmöglich“, dann habe ich damit heute kein Problem mehr. Die Doku zeigt alle Tief- und Höhepunkte.