Geschrieben von Donnerstag, 17 August 2017 13:25

"Stand Your Ground" - I.M.NAIL im Interview zu "Darkness For Rent"

"Stand Your Ground" - I.M.NAIL im Interview zu "Darkness For Rent" Cosmotic Photography

I.M.NAIL lassen sich nicht in eine Schublade schieben. Davon konnten wir uns schon anhand der neuen Platte „Darkness For Rent“ überzeugen, welche im Review ordentlich abräumte. Doch auch im Gespräch hat Bandleader Mike Klockner eine klare Meinung – I.M.NAIL zu „Darkness For Rent“, Streamingdiensten und der Selbstständigkeit.

Hi Mike, cool, dass du Zeit für uns gefunden hast! Gleich zu Beginn würde mich interessieren, wie ihr überhaupt zu eurem Namen gekommen seid, schließlich benennt man sich nicht jeden Tag nach einem Marknagel. Hat irgendjemand von euch einen medizinischen Bezug?

Nein, Arzt oder Krankenschwester ist keiner von uns. Wir wollten „einfach“ einen Namen, der fett klingt, Interesse weckt, einprägsam ist und im besten Fall noch mit unserer Musik in Einklang gebracht werden kann. I.M.NAIL erfüllt all dies für uns und die Reaktionen hierauf bestätigen dies auch immer wieder.

Die Idee zu dem Namen kam mir vor langer Zeit im Wartezimmer einer Ambulanz. Ich hatte mir einen Bänderriss zugezogen und während des Wartens entdeckte ich in einer Vitrine neben weiteren medizinischen Produkten auch einen Marknagel. Ich fand den Begriff und das Teil an sich damals schon so fett, dass ich es in meinem Hirnkasten direkt unter „Besonderes“ abgespeichert hatte. Eigentlich wollte ich mal einen Song so nennen, da ein deutscher Name für eine meiner Bands nie zur Debatte stand und die englische Übersetzung „Intramedullery Nail“ einfach zu kompliziert erschien. Bei den Aufnahmen zu "Hyena Sunrise“ bin ich irgendwann auf die englische Kurzform für Marknagel, „I.M.NAIL“, gestoßen, welche in Intensität und Power dem deutschen Wort ebenbürtig erschien und zudem noch ein aussprachebedingt geniales Wortspiel beinhaltet.

Da dies euer erstes Interview mit BYE ist, kennen euch viele unserer Leser noch gar nicht. Kannst du vielleicht kurz ein bisschen was zu eurer Bandentstehung und eurer Musik erzählen?

I.M.NAIL ist ein Metalvierer aus Koblenz (Rheinland-Pfalz). Im Einzelnen sind das Ralf Diehm hinter den Drums, Eric Winter am Bass und mein Bruder Danny und ich teilen uns den Job an Gitarre und Gesang. Offiziell präsentierten wir I.M.NAIL zum ersten Mal mit Release unseres Debüts "Hyena Sunrise“ 2013 der Öffentlichkeit. Da wir zuvor keine Gigs spielten oder in irgendeiner anderen Form in Erscheinung traten, legten wir das Gründungsjahr auf 2012 fest, wenngleich die Anfänge der Band bis 2004/2005 zurückreichen. Durch äußere Umstände bedingt fanden wir aber erst Ende 2009 in konstanter Form wieder zusammen, allerdings bis zum Release des Debüts eben unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Jeder von uns ist schon viele Jahre in dieser und/oder anderen Formationen im Musikbusiness unterwegs.

Ausschlaggebend für I.M.NAIL ist, dass Du uns nicht in eine der üblichen Genre-Schubladen pressen kannst. Unsere Musik ist eine Fusion verschiedener Stile des Metal und Rock und daraus kreieren wir unseren ganz eigenen Stil, den wir unserem Bandnamen zu Grunde liegend (und für alle, die eine Schublade brauchen) Titanium nennen – That’s what Intramedullary Nails are made of! Wie das klingt? Nun, zumindest nicht wie der gewöhnliche 08/15 Einheitsbrei oder ein weiteres Oldschool Plagiat. Dark – Dirty – Deviant. Diese musikalische Chimäre lässt sich nicht in Ketten aus rostigem Metal legen. Sowohl puristisch als auch progressiv, traditionell und zeitgleich modern.

Was ist deine Inspiration? Welche Bands haben euren Sound beeinflusst?

Unsere Einflüsse sind sehr weitreichend und jeder von uns hat da nochmal seine persönlichen Favoriten. Altersbedingt sind wir mit dem Metal und Rock der 80er aufgewachsen und seine Wurzeln kann man bekanntlich nicht leugnen, was wir auch gar nicht wollen. Klassiker von PRIEST, HELLOWEEN, MAIDEN, MEGADETH, METALLICA, SLAYER und etlichen mehr haben uns ganz klar geprägt und inspirieren uns noch heute.

Ralf und ich haben die große „Thrash'n Death“-Ära gefeiert, wobei ich zudem in den 90ern die Hauptphase des Black Metal intensiv miterlebt habe. Danny und Eric sind etwas jünger und haben ihre Faves in den etwas jüngeren Phasen des Metal. Danny hat seine Vorlieben im Stoner, Alternative & Modern Rock, während Eric hingegen auch im Metal- und Deathcore zuhause ist.

Gibt es irgendeine Band, mit der du gerne mal die Bühne teilen würdest?

Auf Grund unserer Bandbreite passen wir ohne Weiteres in so ziemlich jedes denkbare Lineup. Somit ist es eigentlich vollkommen gleich, mit wem man uns auf die Bühne stellt, denn ich denke, jeder Metalfan wird seine Momente in unserer Mucke finden. Aber wenn Du schon fragst, mit PANTERA, SENTENCED, DISSECTION und BLACK SABBATH hätte ich gern mal zusammen die Bühne geteilt, was aber leider nicht mehr möglich ist. Demnach müssen SLAYER, IRON MAIDEN, QUEENS OF THE STONE AGE und METALLICA herhalten, haha!

"Hyena Sunrise“ war eure erste EP. Jetzt habt ihr mit "Darkness For Rent“ schon die Zweite am Start. Hat sich eure Herangehensweise an das Songwriting im Laufe der Zeit verändert? Wie entsteht bei euch ein Song?

Eigentlich ist das Prozedere immer ähnlich, wenngleich wir bei neuem Material grobe Ideen vorab auch mal in der DAW ausprobieren und manchmal entsteht ein Song oder eine Passage auch mal aus einem Jam heraus. Aber im Prinzip läuft es so: Danny und ich liefern die musikalische Basis mit meist einem Grundgerüst und Konzept für einen Song. Das finale Arrangement wird dann jedoch im kompletten Bandgefüge erspielt und erarbeitet. Erst hier zeigt sich, ob ein Song wirklich so funktioniert, wie zuvor erdacht; ob er groovt, rockt und rollt. Daraufhin erfolgen dann die Spielereien und das Fine-Tuning, welches sich bis in die Produktion hinein zieht, die ja bisher ebenfalls immer in unserer Hand lag und somit einen weiteren wichtigen künstlerischen Prozess ausmacht.

Ralf ist neben mir für die Lyrics verantwortlich. Text und Musik gehen bei unseren Songs immer Hand in Hand und sind gleichermaßen wichtig. Final muss eine atmosphärische Einheit entstehen. Das ist mir sehr wichtig und meiner Meinung nach auch essenziell, um die Message und das Feeling des jeweiligen Songs mit dem nötigen Tiefgang zu transportieren und dem Hörer zugänglich zu machen.

Wie ist die neue Platte bisher angekommen?

Bisher sowohl bei Kritikern als auch Hörern sehr gut. In der Tat gab es noch keinen Zerriss. Wundert uns etwas, da "Hyena Sunrise“ die Gemüter durchaus mehr gespaltet hat, aber freut uns natürlich auch ungemein, dass bisher jeder Konsument der Scheibe etwas abgewinnen konnte. Wir sind aber auch selbst sehr zufrieden und stolz darauf.

"Darkness For Rent“ ist eine Konzept-EP. Um was geht es?

Mit "Darkness For Rent“ schicken wir den Hörer in die Dunkelheit des Ichs von Hinterbliebenen nach dem Tod einer geliebten Person. Der Unvermeidbarkeit des Todes folgt der Zwang, sich emotional neu zu finden. Aufkeimende Hoffnungen, den Schmerz und Verlust verarbeitet zu haben, ersticken am Ende dennoch an der bitteren Erkenntnis, dass die Hölle stets unter unseren Füßen brodelt und jederzeit die Tore für uns öffnen kann.

Kein leichtes Thema. Wie schwer ist es, sich da beim Songwriting reinzudenken und inwiefern reflektierst du eigene Erfahrungen in den Songs?

Für das Thema wurde ich zum einen aus einem aktuellen Anlass aus meinem privaten Umfeld heraus inspiriert und zum anderen ist es ganz einfach die Geschichte des Lebens selbst, in der der Tod immer wieder eine unumgängliche Rolle für jedermann spielt. Somit mietet auch jeder für sich früher oder später sein ganz persönliches Stückchen Dunkelheit; wann und in welcher finsteren Form auch immer. Doch am Ende zählt letztlich nur eins, was auch die Quintessenz der Scheibe ist: Stand your ground!

Was ist eigentlich deine persönliche Präferenz? Konzeptalbum oder die klassische Songsammlung?

Ein übergeordnetes Thema für eine Platte finde ich schon wichtig. Das muss allerdings nicht zwangsläufig ein zusammenhängendes Konzept sein. Aber wenn Du z.B. einen Song über den Tod schreibst, sollte der Rest der Stücke schon passend dazu sein und nicht in eine völlig andere Thematik driften. Ich denke, das schweißt die einzelnen Songs eher zusammen, lässt sie besser zueinander stehen, ineinander fließen und final ein Album als Einheit wirken. In etwa wie ein Summen-Kompressor.

Sicher habt ihr auf der Release-Party der Platte die neuen Songs schon live ausprobiert und erlebt, wie die Lieder ankommen. Welche Songs werden es dauerhaft in die Setlist schaffen?

Wir haben alle Songs der EP schon einige Zeit vor Release fest in unserer Setlist verankert. "Darkness For Rent“ taugt hervorragend als Opener, um die Meute wachzurütteln. Dem Groove von "New Born“ konnte sich bisher noch keiner entziehen und bei "A Bitter Pill“ habe ich erlebt, dass Leute den Refrain nach dem zweiten Mal Hören bereits mitsangen. "Hell“ hat sich zur festen Instanz als letzter Song unseres Live Sets gemausert. Hier wird am Ende nochmal richtig die Hütte frei geblasen.

Insgesamt sind die Songs also alle bis auf "A Fragile Thought Of Gree“ zu 100 Prozent livetauglich und werden künftig wohl immer wieder den Weg auf die Bühne finden. "Fragile“ ist als instrumentales Zwischenstück im Grunde erst am Ende der Produktion entstanden. Live werden wir das vierstimmige Gitarrenintermezzo mit nur zwei Gitarristen nur recht schwer umsetzen können. Demnach lassen wir es bisweilen außen vor – oder es kommt als Einspieler von Band.

I.M.NAIL Band

Sprechen wir ein bisschen über euer Leben als "Underground"-Band und dem damit verbundenen, leidigen Thema Streaming. Wie stehst du zu solchen Diensten und habt ihr als Band selbst von solchen Diensten profitieren können, sei es finanziell oder einfach nur bezogen auf den Bekanntheitsgrad?

Finanziell ist mit Streamingdiensten als Undergroundband nichts zu holen. Um Deinen Bekanntheitsgrad zu steigern, ist es sicherlich eine Plattform und Möglichkeit. Allerdings haben wir davon abgesehen, unsere Musik völlig kostenfrei in die Welt zu streuen. Das hat für mich immer den Anschein, als sei einem die eigene Musik nichts wert. Im Ernst, welche Arbeit bekommst Du denn heute noch geschenkt? Und genau das ist „Musik machen“ in einer gewissen Form. Und im Underground als DIY-Kapelle mehr denn je.

Das heißt nicht, dass uns die Sache keinen Spaß macht, ganz im Gegenteil. Aber das Vermarkten und Managen der eigenen Band ist nicht zu unterschätzen, wirklich zeit- und arbeitsaufwändig und hat mit dem eigentlichen „Musik machen“ nichts zu tun. Und zuvor muss die Schöne ja auch erstmal in zeitgemäßer und professioneller Produktion in den Kasten und will dann als Digipack mit attraktivem Artwork auch noch hübsch aussehen.

Jepp, alles Arbeit. Am Ende wollen und werden wir mit den Erträgen nicht reich werden. Es geht uns hier eher ums Prinzip und der Wertschätzung des Geleisteten, unsere Musik. Und mal im Ernst, ‘nen Fünfer für das Digi und 2,99 € als Download via iTunes. Wem’s das nicht wert ist …

Ihr habt auch euer eigenes Label gegründet – Bladebeat Records. Ihr habt sogar eine eigene Labelseite, welche aber schon länger nicht mehr aktualisiert wurde. Welche Möglichkeiten gibt euch dieses eigene Label und aus welchem Grund heraus habt ihr euch dazu entschieden, diesen "selbstständigen" Weg zu gehen?

Uns war wichtig, dass das Ganze auf einem zeitgemäßen und professionellen Level stattfindet und nicht das – meiner Meinung nach – veraltete Demo-Muster durchläuft. Ich war Ende der Neunziger schon einmal sehr erfolgreich mit der Selbstvermarktung meiner damaligen Band. Dieses Mal habe ich dem Kind einfach nur mit „Bladebeat Records“ einen Namen gegeben und die Sache offiziell gemacht.

Der bürokratische Part ist ja kein Hexenwerk und die Arbeit bleibt die Gleiche. Diese ist allerdings nicht zu unterschätzen. Demnach stehen wir einem Deal mit einem externen Label oder Management generell nicht abgeneigt gegenüber. Allerdings muss es dann passen und wenn nicht, ist das auch keine Tragödie und wir machen einfach weiter unser eigenes Ding. Aktuell haben wir deshalb zwar alle Kosten und einen Batzen Arbeit an der Backe, aber zeitgleich gehen auch 100 Prozent der Erträge an uns und wir sind unser eigener Herr.

Gibt es schon Pläne für die Zukunft von I.M.NAIL? Was würdet ihr gerne noch erreichen und gibt es vielleicht die Chance, euch irgendwann mal auf einer Tour durch ganz Deutschland erwischen zu können?

Als nächstes steht das volle Album für 2018 an. Das Songwriting hierfür ist bereits im vollen Gange. Ende des Jahres wollen wir dann wieder für eine Weile vermehrt auf die Bühne, bevor wir uns danach an die Produktion des Albums begeben. Eine Tour wäre eine feine Sache, allerdings erfordert die Planung und Organisation hierfür doch einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand. Hierfür müssten wir wohl eine externe Booking-Agentur bemühen, doch haben wir da in Vergangenheit leider schon mal schlechte Erfahrungen mit gemacht. Aber mit dem Album-Release wäre das in der Tat denkbar.

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