Geschrieben von Dienstag, 09 Oktober 2018 13:43

Thomas Godoj im Interview: "Wir sind nicht links, wir sind nicht rechts, wir sind auch nicht die Mitte – wir sind gegen Hass!"

Konsequent wie kaum ein anderer Künstler hat sich Thomas Godoj nach seinem Sieg bei der Castingshow "DSDS“ von den großen Plattenfirmen losgesagt. Mit "13 Pfeile“ – ein Produkt aus Crowdfunding und Selbstvermarktung – hat Godoj nun sein bis dato härtestes Album vorgelegt und tourt fleißig durch die Republik. Ein Gespräch über den neuen Sound, Crowdfunding und seine Erfahrungen bei DSDS.

Hallo Thomas, wie geht’s dir?

Den Umständen entsprechend gut. Wie das halt immer so ist. Man hat seinen Alltag mit Kindern, Haushalt, Umbau und Renovierung. Und nebenbei noch ein paar Wohnzimmerkonzerte spielen, auf Stadtfesten auftreten und Konzertvorbereitung.

Stimmt, für dich geht es ja jetzt Anfang Oktober wieder auf Tour. Wie sieht denn so eine Tourvorbereitung bei dir aus?

Also ich erstelle erst einmal eine Setlist, die wir spielen werden, inklusive zehn Songs, die wir im Laufe der Tour auswechseln. Die ziehen wir uns dann drauf. Ich muss die natürlich auch erst einmal wieder alle durchhören und schauen, was mein Stand ist. Insbesondere, was die Texte und Abläufe anbelangt. (lacht) Wir haben jetzt auch schon eine Tourprobe hinter uns. Normalerweise treffen wir uns immer für ein, zwei Tage mit der ganzen Band, zocken das Set einmal durch und dann ist eigentlich auch schon gut.

Viele Songs – auch alte Stücke – haben wir auch den ganzen Sommer über gespielt, die müssen wir nicht noch einmal einproben. Aber gerade die älteren Stücke, die ich gerne wieder neu in die Setliste mit aufnehmen möchte, muss man schon nochmal zusammen spielen. Aber ansonsten sind wir ein gutes, eingespieltes Team und wenn es darauf ankommt, knallen wir es raus.

Kannst du kurz erzählen, für was THOMAS GODOJ heute steht?

THOMAS GODOJ stand und steht für gute, handgemachte Rockmusik mit Metaleinflüssen. Hard Rock mit eigenen, selbstgeschriebenen Texten. Und, auf jeden Fall, gut produzierte Platten.

Du bist jetzt seit zehn Jahren im Geschäft. Bist du stolz auf das, was du erreicht hast?

Ich, für meinen Teil, bin zufrieden mit dem, was ich habe und wie es sich entwickelt hat. Gerade mit den letzten vier Jahren, was das Crowdfunding anbelangt. Und natürlich bin ich froh, dass ich mich aus dieser ganzen Maschinerie loslösen konnte, auch wenn einem da schon viele Steine in den Weg gelegt wurden. Gut, Anerkennung, was meine Musik anbelangt ... das muss jeder für sich selbst wissen. Wenn einer in Schubladen denkt, dann denkt er halt in Schubladen, den kannst du auch nicht mehr umstimmen. Ich bin mit der Entwicklung auf jeden Fall sehr zufrieden und kann stolz auf die letzten zehn Jahre zurückblicken.

Du hast das Crowdfunding angesprochen. Ich war sehr beeindruckt davon, als ich gelesen habe, dass du für "13 Pfeile“ 200.000€ einsammeln konntest. Das ist Europa-Rekord. Aber wie ist das am Anfang des Prozesses? Hat man da als Künstler nicht auch Angst, dass nicht genug zusammen kommt?

Ja, natürlich. Nur weil man jetzt irgendwie durch Funk und Fernsehen bekannt ist, heißt das noch lange nicht, dass auch das Crowdfunding erfolgreich ist. 2014 habe ich das erstmals für mich und meine Platten losgetreten. "13 Pfeile“ ist jetzt schon die dritte CD, die ich damit finanzieren durfte. Ich bin auch total stolz darauf, dass die Leute es verstanden haben, meine Musik auf diesem Weg zu unterstützen und dass ich diese so eben auch schützen kann. Und auch, dass ich das Vertrauen wecken konnte, seitens der Fans und der Zuschauer.

Dementsprechend habe ich auch die Touren 2014 dazu benutzt, die Leute darauf aufmerksam zu machen, dass das in Zukunft so ablaufen wird. Weil ich mich komplett verselbstständigt habe und den Schritt gewagt habe, meine eigene Plattenfirma zu gründen. Ich muss mir nur noch Kooperationspartner suchen, die den Vertrieb und das Marketing für mich übernehmen.

Ich muss sagen, dass ich diesen Weg sehr sympathisch finde.

Weißt du, ich habe damals alles auf eine Karte gesetzt. Damals war es ja wie so ein Korsett der Fremdbestimmung. Aus diesen Zwängen wollte ich ja raus. Diese Boulevardschiene war ein Teil der Sendung (DSDS; Anm. der Red), aber eben nicht auf Dauer meine Philosophie. Da wurde man ja im Lauf der Jahre auch darauf runter reduziert. Letztendlich habe ich mir halt gedacht: Nö, brauchst du nicht, kannst du auch anders machen. Oder eben versuchen, es anders aufzubauen. Und Gott sei Dank haben die Leute, die meine Musik unterstützen, das auch verstanden und mir letztendlich den Weg geebnet.

Und am Ende des Tages – wenn du eine große Plattenfirma im Rücken hast – sind die natürlich auch darauf angewiesen, dass sich die Platten verkaufen. Aber nur weil du im Radio rauf und runter läufst, heißt das noch nicht, dass dir die Leute das auch abkaufen, geschweige denn ein Konzertticket erwerben.

An den Kommentaren unter unserer Verlosung letzten Monat war auch zu sehen, dass das, was du sagst, bei den Leuten wirklich angekommen ist.

Ja, und vielleicht eben auch bei neuen Leuten, die mich zwar durch die Sendung kannten, aber musikalisch keine Verbindung zu mir hatten. Aber ist ja auch klar. Wenn ein Metalfan so eine Sendung schaut, dann findet der des vielleicht nett, dass ich gewonnen habe, aber er würde nicht zum Konzert kommen.

Ungefähr meine Geschichte. Aber ich habe im Finale für dich angerufen!

Yeah. (lacht)

Ich war ziemlich überrascht, als ich mir jetzt dein neues Album angehört habe. Hart und heavy, mir hat es wirklich gefallen.

Dankeschön!

In den Jahren zuvor war es für mich irgendwie nett, hatte aber immer so einen poppigen Einschlag.

Das ist aber klar, das war ja auch dieses Korsett. Du musst ja auch erst einmal schauen, wie die Leute auf die härteren Songs – die ich ja mit WINK auch schon hatte – reagieren. Und über die Jahre haben mir die Fans halt auch gezeigt, dass sie auf diese härtere Schiene stehen. Dann war die Tür für mich auch offen, Dinge auszuprobieren und zu schauen, was funktioniert. Das hab ich natürlich mit den Touren und dem Feedback der Konzertgänger herausgefunden. Und die stehen einfach alle auf das härtere Zeug. Gut, manchmal wollen sie auch eine Ballade – ich bin da ja offen, was das Songwriting anbelangt –, aber halt passend zum Konzept und dem Sounddesign, das ich fahre.

Du hörst ja selbst auch Metal. Auf dem Album spiegeln sich somit auch deine eigenen Vorlieben wider. Was sind deine Lieblingsbands?

Unterschiedlich ... SLIPKNOT hör ich oft. MACHINE HEAD auch. Früher habe ich auch viel Gothic Rock gehört, eigentlich ganz viel Verschiedenes. Natürlich auch DISTURBED oder SEVEN DUST. Aktuell ganz viel ALTER BRIDGE und TREMONTI. Das sind momentan so meine Favoriten.

Lustig, die Kollegen von laut.de haben deine Musik auf "13 Pfeile“ als „bombastischen Brückenschlag zwischen WIRTZ und DISTURBED“ bezeichnet. Musst du bei solchen Zuschreibungen eigentlich schmunzeln?

(Lacht) Das ist ja schon ganz witzig, ich betrachte das einfach mal als Kompliment. Ist ja ok, ich finde das gut. Bei WIRTZ steckt natürlich auch eine Geschichte dahinter, wenn man jetzt ehrlich ist. Also mit WINK damals. Uns verbindet ja der gleiche Produzent und Macher, Matthias Hoffmann. Der ist eben auch der Produzent und Schreiberling vom Daniel Wirtz.

Die haben 2008 zusammen ihre Plattenfirma gegründet und vorher habe ich eben mit Matthias zusammengearbeitet, woraus dann WINK entstanden ist. Und auch eine Nummer wie "Leb Wohl“, die ja später WIRTZ auf seinen Platten veröffentlicht hat, habe ich schon vorher gesungen. "Explosion“ ist auch so ein Beispiel. Also da gibt es eine Verbindung, ich habe ja schon vorher Rockmusik gemacht.

Mit DSDS habe ich dann nur meine erste öffentliche Erfahrung mit den Plattenfirmen und mit dem Schema F dieser Sendung gemacht. Am Anfang geht das ja auch noch. Da kriegt man natürlich die Kritik aus der Musikwelt zu spüren und dann auch auf der geschäftlichen Ebene, was Casting-Acts angeht. Und dem war ich am Ende des Tages dann halt auch ausgesetzt und musste schauen, wo ich bleibe.

Steckt davon auch noch etwas in deinem neuen Album? Ich habe oft das Gefühl, dass sich viele der Songs textlich noch stark auf deine Erfahrungen mit DSDS und Plattenfirmen beziehen. Oftmals klingt das wie ein Schlussstrich.

Ja, schon, auf jeden Fall! Der Song "Gladiatoren“ umschreibt letztendlich diese Erfahrungen auf der Castingebene. „Intrigen gut kaschiert, die Quoten manipuliert, Protagonisten bis aufs Blut abgescannt“ – ist eine dieser Zeilen aus dem Song, die ganz gut herunterbricht, was meine Erfahrung mit der Castingshow angeht. Es ist einfach Fakt: Die Leute werden bei dieser Sendung abgescannt und sie schreiben letztendlich ihre eigenen Geschichten damit. Damit die Macher dieser Sendung das alles nicht mehr recherchieren müssen, sondern gleich in ihren Akten liegen haben und an die "BILD"-Zeitung weiterleiten können.

Wenn du bei der Pressestelle von RTL alles von dir gibst, hast du deine Story quasi geschrieben. Sie sagen, sie müssten – unter dem Vorwand, dich vor der bösen Presse schützen zu wollen – alles über dich wissen und dann offenbaren sich die Leute halt. Das ist schon sehr abgewichst, sag ich jetzt mal. RTL hat ja auch seine eigenen Psychologen und die durchdenken eben dieses System, die Strukturen, das Schema: Wie kommt man am besten an die Informationen der Kandidaten ran? Das ist Fakt. Sie greifen alles auf, sie schleifen alles mit und dann haben sie ihre Geschichte. Je mehr du von dir offenbarst, desto interessanter wirst du ja auch für sie. Ob du interessanter für die Leute da draußen wirst, sei jetzt mal dahin gestellt.

Das läuft jetzt bei DSDS so ab. Bei anderen Castingsendungen hat man aber ja auch seine Schwierigkeiten. Wenn du jetzt bei "The Voice" oder "X-Factor" herausgeschleudert wirst, musst du dich auch erstmal hinten anstellen und fängst von vorne an.

Die Frage ist halt auch, ob Musik überhaupt ein Wettbewerb ist.

Ja, total. Diese Erfahrung habe ich letztlich auch gemacht und habe mich das am Ende des Tages gefragt. Ich bin da ja damals hingegangen, weil sich WINK aufgelöst hatten. Ich hatte zwar meine Maschinenzeichnerausbildung und mein nachgeholtes Abi, war irgendwie Bauprojektmanagement-Student, hatte aber alles in meine Musik investiert. WINK war meine Leidenschaft und dann hat sich das halt aufgelöst. Davor alles fallen gelassen, das Studium aufgegeben und dann stehst du halt da. Deswegen wollte ich wissen, wo ich stimmlich stehe und hatte die Idee, zu schauen, wie weit ich es bei einer Casting-Show bringen würde. Ohne irgendwelche großen Erwartungen, einfach um die Erfahrung zu machen.

Ich finde das auch in keiner Weise verwerflich – und so bist du auch erst zu dem geworden, was du heute bist.

Das ist ja auch so – danke, dass du das auch so sagst –, dass es nichts Verwerfliches ist. Viele sehen das vielleicht nicht so. Gut, solche Leute gibt es immer und ich bin jetzt auch nicht derjenige, der sie davon heilen muss. Ich mach das, was mir gefällt und bin froh, dass es ist, wie es jetzt ist. Und auch, dass ich davon weiterhin leben kann.

Der Song "Keine Option“ hat ja eine sehr starke Botschaft. „Braun ist und bleibt keine Option“ – was fehlt Deutschland gerade und wie siehst du die Zukunft?

Das ist eine schwierige Geschichte. Letztendlich finde ich, dass den Menschen – nicht nur in Deutschland – die menschliche Toleranz und der Respekt fehlt. Es gibt gute Leute, es gibt böse Leute und es gibt einfach dämliche Leute. Und die gibt es überall. Leute, die nur Hass schüren wollen, Gewalt ausüben oder auf Biegen und Brechen irgendwelche Regeln aufstellen.

Am Ende sehe ich das so: Wenn man eine gute Erziehung hatte, kann man auch menschlich reagieren. Wenn man die nicht hat, lässt man sich schnell von bösen Leuten einfangen und zieht die Bösartigkeit auch mit sich. Ist ein schwieriges Thema. Fakt ist, was wir mit den RUHRPOTT REBELLEN auch aussagen wollten, ist: Wir sind nicht links, wir sind nicht rechts, wir sind auch nicht die Mitte – grundsätzlich sind wir gegen Hass. Das die Leute einfach einmal aufwachen und sich nicht von der rechten Hetze instrumentalisieren lassen.

Um wieder auf die Tour zurückzukommen. Du lässt dich im Song "Labyrinth der Bytes“ über die Auswüchse der sozialen Medien aus. Wie erlebst du das häufig zitierte Problem mit Fans, die auf Konzerten andauernd auf ihr Handy starren und filmen?

Puh, gut, du hast ja schon früher Songs gehabt, bei denen alle ihr Feuerzeug in die Luft gereckt haben, heute nimmst du halt die Handytaschenlampe. Und natürlich gibt es auch die Leute, die das ganze Konzert ds stehen und mitfilmen. Diese Erfahrung machen wir als Band selbstverständlich auch. Mehr als ständig sagen, dass die Leute es auch ohne Kamera genießen sollen, kann man halt nicht. Ich meine, die Leute haben ja auch dafür gezahlt, das Live-Erlebnis zu haben und nicht hinter der Kamera zu stehen.

Jeder muss das aber für sich selbst entscheiden. Ich versuche, den Leuten dann auch zu sagen, dass es keinen Sinn macht, sie die Aufnahmen für private Zwecke behalten und eben nicht veröffentlichen sollen. Damit tust du nichts Gutes, vor allem mir nicht. Du schadest eher, weil die Soundqualität eh schlecht ist. Aber komplett verbieten kann man das jetzt nicht. Ich finde das aber auch nicht geil, wenn ich auf einem Konzert bin und die Leute stehen nur still da.

Zurück zu den positiven Seiten der Tour. Worauf können sich Fans dieses Mal freuen?

Wir werden versuchen, viele Songs der aktuellen Platte aber auch viele alte Songs in die Setlist zu packen und der Sache ein fettes Live-Gewand zu geben. Sind ein paar neue Versionen dabei. Wird spannend und ich freue mich tierisch auf die Tour und auf, hoffentlich, ganz viele Zuschauer.

Ihr musstet schon die Konzerte in München und Nürnberg verlegen. Woran lag's?

Das lag tatsächlich daran, dass sich viele Fans über die hohen Hotelpreise beschwert haben, weil zur gleichen Zeit das Oktoberfest ist. Das hatte ich, ehrlich gesagt, gar nicht realisiert, als mein Booker damals die Tour organisiert hat. Und dann habe ich zu Olaf gesagt, dass wir das irgendwie ins Frühjahr verlegen müssen. Haben wir dann so gemacht und die neuen Termine im März 2019 stehen jetzt auch so im Kalender.

Letzte Frage: Machen dir die "normalen“ oder die Akustik-Touren mehr Spaß?

Boah ... beides gleich geil! Ist natürlich auch eine mega Herausforderung, die Songs umzustricken. Wir sind da auch mit einem Fingerstyle-Gitarristen unterwegs, der mit seiner Gitarre zwei, drei Instrumente ersetzt.

Dementsprechend muss man Songs auch erstmal auseinander flippen und anders arrangieren. Auch die Härte eines Songs muss unabhängig von der Tonart akustisch transportiert werden. Das ist natürlich auch der Anspruch, den wir haben und den wir versuchen, auf die Bühne zu bekommen.

Dabei entstehen auch schöne neue Versionen der Stücke. Ist auch geil, seine alten Songs in neuem Gewand zu hören und da kann ich mich auch stimmlich weiterentwickeln.