Geschrieben von Freitag, 20 September 2019 17:30

Arctos im Interview zu "Beyond The Grasp Of Mortal Hands"

Mit “Beyond The Grasp Of Mortal Hands” haben die Kanadier von ARCTOS ein begeisterndes Debütalbum geschaffen, welches sicherlich seinen Weg in so manche Jahresendlisten finden wird. Wir haben uns mit Gitarrist und Sänger Dan Wilberg über das neue Album, die Herausforderung eines sinnvollen Lebens und die Geschichten hinter den Stücken unterhalten.

ARCTOS ist ja ein relativ neues Gesicht auf der Bühne des internationalen Black Metals und sicherlich auch für unsere Leser. Kannst du uns zu Beginn etwas über die Band und eure Geschichte verraten? 

Wir sind eine kanadische Band, welche versucht, Schönheit und Grausamkeit unserer nördlichen Heimat in einer eigenen Form von Black Metal zu verkörpern. Offiziell haben wir die Band 2014 gegründet, allerdings lassen sich die Wurzeln unserer Musik in manchen Fällen bis in das Jahr 2008 zurückverfolgen. Seitdem haben wir unsere Zeit damit verbracht, unser Handwerk – Musik zu schaffen, auf welche wir stolz sein können – zu perfektionieren.

Du hast eure Heimat Kanada erwähnt. Genau genommen stammt ihr aus den – und an dieser Stelle zitiere ich gerne den Promotext – "godless wastelands of Northern Alberta“. Inwiefern diente eure Heimat als Inspiration für das Album?

Ich würde jetzt nicht sagen, dass es als spezifische Inspiration für das Album gedient hat, sondern für unsere Musik als Ganzes. Alberta ist ein Ort von gewaltiger Dynamik in Bezug auf Geographie, Klima und auch die soziale Landschaft. Wir haben eine Vielzahl fantastischer Areale in der Provinz, die wir so oft wie möglich erkunden, aber auch einen Überfluss an großer Leere. 

Unsere Winter sind lang und hart, die Sommer hingegen heiß und kurz. Hier leben Menschen, die zu den besten Leuten zählen, die du jemals treffen könntest, sowie absoluter Abschaum. Es ist ein Provinz von krasser Dualität auf vielen Ebenen, und das in sich selbst dient uns als inhaltliche Inspiration.

Was ist das Konzept hinter "Beyond The Grasp Of Mortal Hands“?

Das alles überspannende Thema des Albums ist die Sterblichkeit und ihre vielen Gesichter. Jeder Song ist von Gedanken inspiriert, welche wir uns über bestimmte Aspekte des Lebens gemacht haben. Und manche der Songs basieren auch auf persönlichen Erfahrungen.

Fast immer haben unsere Stücke etwas Metaphorisches, sodass die Bedeutung meist subjektiver ist als einfach die buchstäbliche Bedeutung der Texte. Wir wollen, dass Menschen ihr eigenes Leben überdenken und vielleicht aus unserer Musik und unseren Texten die Inspiration ziehen, nach mehr im Leben zu streben, als zuvor. Existenz bedeutet nicht gleich Leben; wahres Leben verdient man sich und es ist ein kontinuierlicher Wachstumsprozess.

Wenn wir gerade schon über das Album und seine Inhalte reden: Was liegt eigentlich jenseits der Reichweite sterblicher Hände?

Ich glaube, das hängt davon ab, wie du die Frage interpretierst. Wenn wir es wörtlich nehmen, denke ich nicht, dass wir irgendwelche speziellen Antworten auf die Frage liefern. Allerdings erforschen wir einige Möglichkeiten eines Lebens nach dem Tod – oder das Fehlen eines solchen – in einigen Stücken. Für mich persönlich ist die Antwort abstrakter.

Die Reiche der Natur und der natürlichen Welt wirken unserem eigenen Leben meist so fern, dass es für manche sehr beängstigend sein kann, aus ihrer Komfortzone herauszutreten und das Unerkannte zu erforschen. Aber jene, die sich trauen, auch schwierige Aufgaben anzugehen und durchhalten, wo andere aufgeben oder umkehren würden; diese Leute werden etwas erreichen, das ein Großteil der Bevölkerung niemals erfahren wird. Und damit werden sie fast größer als ein Normalsterblicher.

Das war die Idee, die ich hatte, als ich die Zeile "The Light Beyond The Sky“ schrieb und ich dachte, dass es ganz gut zur Thematik des Albums passen würde.

Auch wenn "Beyond The Grasp Of Mortal Hands“ ein Debütalbum ist, fühlt sich das Songwriting erstaunlich erwachsen und professionell an.

Nun, das schmeichelt mir jetzt aber sehr, dass du so denkst! Ich glaube, Geduld hat bei unserem Sound eine große Rolle gespielt. Wenn du eine der ganz frühen Iterationen mancher Songs – welche nun auf der LP und sogar schon auf der EP gelandet sind – hättest hören können, würden diese vermutlich drastisch anders klingen.

Ich glaube, dass es wichtig ist, ein beinahe intimes Verständnis für die eigene Musik zu entwickeln. Damit du unterscheiden kannst, ob du etwas geschaffen hast, das wirklich toll klingt, oder irgendetwas, das einfach zu diesem Zeitpunkt nur scheint, gut zu sein. Man muss sich die Zeit lassen und der Musik den Raum geben, sich eine Zeitlang zu setzen. 

Ein Großteil des Songwriting stammt ursprünglich von meinem Bruder Nick und mir selbst. Sobald wir eine grundlegende Idee für einen Song haben, zeige ich sie in der Regel Josh und wir beide verfeinern sie zusammen. Da wir für 1½ Jahre die einzigen drei Jungs in der Band waren, wurde so ein Großteil der frühen Songs geschrieben. Nun, da wir ein komplettes Line-Up haben, gehe ich davon aus, dass der Prozess einen kollektiveren Ansatz entwickeln wird.

Ihr arbeitet auch viel mit akustischen Elementen und atmosphärischen Samples. Wie wichtig ist die Balance zwischen ruhigen Momenten und hart-metallischen Passagen für ARCTOS?

Das ist für uns unerlässlich. Wie schon zuvor bemerkt – als wir über die dualistische Natur unserer Provinz geredet haben – streben wir danach, die empfindliche Balance zwischen Licht und Dunkelheit zu verkörpern. Wenn du die ganze Zeit etwas aus der immer gleichen Perspektive heraus betrachtest, gewöhnst du dich daran. Der Wert dieses Etwas sinkt und wird gewöhnlich.

Ich denke, dass in der Kunst diese Wahrheit anerkannt werden muss, um Eindruck hinterlassen zu können. Sie muss einen Weg finden, diese Art von Gleichgewicht zu erreichen, um eine tiefere Bedeutung für das Publikum zu erlangen. Wir glauben definitiv daran und versuchen immer, dieses Gleichgewicht in unserer Musik zu finden.

 

Der letzte Song auf dem Album, "The Light Beyond The Sky“, scheint die Geschichte von "A Spire Silent“ von eurer Debüt-EP fortzusetzen. Wie sind die Songs miteinander verbunden?

Ja genau, diese Songs sind dazu bestimmt, Teil einer längeren Narrative zu sein. Die Geschehnisse in beiden Stücke wurden tatsächlich aus persönlichen Erlebnissen abgeleitet. Einmal wurde ich auf einer Bergspitze von einem Blizzard überrascht, das andere Mal habe ich in einer schwierigen Zeit meines Lebens allein die Nordlichter beobachtet. Beides war für mich sehr tiefgründig und hat mich auf verschiedenen Wegen nachdenklich gestimmt. Und dementsprechend wollte ich versuchen, meine Gedanken durch diese beiden Stücken auszudrücken.

"A Spire Silent“ handelt von der Akzeptanz von Missgeschicken und Widrigkeiten, in der Hoffnung darüber Wachstum, Stärke und Erfolg erreichen zu können. "The Light Beyond The Sky“ ist das Ende dieser Reise und bestätigt das.
Ja, der wahre Weg zu einem würdigen Leben erfordert Aufwand, ist die Reise aber in jedem Fall wert.

Die Zeile "The weak shall die before their time, they shall not wait for death to claim“ scheint auf den ersten Blick so, als würde es um Suizid gehen, bezieht sich tatsächlich aber auf Menschen, die im Angesicht von Schwierigkeiten und Herausforderungen den Kopf einziehen. Doch auf diesem Weg erreichst du nichts. Man muss also sicherstellen, den richtigen Weg zu beschreiten.

Wie seid ihr eigentlich an euer deutsches Label Northern Silence Productions gelangt? Ich meine, das ist für eine kanadische Band jetzt nicht zwingend die naheliegende Option.

Das kam tatsächlich sehr natürlich zustande. Northern Silence ist die Heimat einer Vielzahl von Bands, die ich schätze und gerne höre. Dementsprechend bin ich gleich, nachdem das Mixing unseres Albums abgeschlossen war, an das Label herangetreten. Wir haben dann schnell eine Antwort bekommen, dass sie total begeistert von der Musik sind und uns gerne unter Vertrag nehmen würden!

Ich habe keine anderen Erfahrungen mit Labels aber das Gefühl, dass es gut passt, wenn ein Label deine Musik wirklich mag und zudem konstant qualitative Veröffentlichungen rauspumpt. Wir könnten nicht glücklicher sein.

Wie sieht es mit Europa für euch aus? Irgendeine Chance, euch hier einmal live erleben zu können?

Wir alle haben, jeder für sich, ziemlich anspruchsvolle Karrieren und Schulstundenpläne zu bewältigen, die es uns unmöglich machen, viele Shows zu spielen. Glücklicherweise glauben wir fest an das Prinzip "Qualität über Quantität“, und das funktioniert für uns sehr gut. Shows in Europa zu spielen war schon immer eines unserer Ziele und mit dem richtigen Maß an Planung (und ein bisschen Sparen) haben wir keine Zweifel daran, dass wir in der Zukunft auch für Shows nach Europa kommen werden.

Für Fans dort drüben, die vielleicht neugierig sind, wie ARCTOS live sind, kann ich nur sagen: Wir geben alles. Wir schütten jedes bisschen Energie und Emotion in unsere Live-Auftritte und freuen uns sehr darauf, euch unsere Kunst eines Tages auch persönlich vorzuführen.

Hast du noch einige letzten Worte für unsere Leser?

Danke dafür, dass du dir die Zeit genommen hast, das Interview zu lesen. Ich hoffe, dass du unser Album – wenn du es kaufen solltest – zumindest einmal von vorne bis hinten und in der korrekten Reihenfolge anhörst. Mach es zu einer besonderen Erfahrung und erlaube dir die Möglichkeit, alle Dinge des Alltags für einen Moment beiseite zu schieben. Ich würde ein gutes Paar Kopfhörer und einen Berg empfehlen, falls gerade einer zur Hand ist.

Möget ihr alle auf dem richtigen Pfad wandeln, mutig und frei.