Geschrieben von Donnerstag, 30 September 2010 00:00

Hans Unstern - Köln / Gebäude 9

hans_unstern

24.09.2010 - Dass HANS UNSTERN jüngst ein Album veröffentlicht hat, sollte niemanden davon abhalten, ein Konzert dieses Ausnahmekünstlers zu besuchen. Denn dank einer wundervollen Bühnenatmosphäre, der äußerst talentierten Begleitband und nicht zuletzt der großartigen Songs zwischen Anti-, Lyrik- und Post-Pop, verspricht ein Abend mit Herrn Unstern lange nachzuwirken.

Nicht nur mit seinem Album „Kratz Dich Raus“ etabliert sich HANS UNSTERN als abseitig eigenwilliger Musiker, auch live ist er absolut einzigartig. Das beginnt mit der Leinwand, die das Konzert mit Videoeinblendungen begleitet und hört bei den im Takt flackernden Deckenlampen, die für die heruntergekommene Kelleratmosphäre sorgen, noch lange nicht auf. Auch in musikalischer Hinsicht wird von HANS UNSTERN am Mikro samt Gitarre und Mundharmonika und seiner Band, die sich Instrumenten wie dem Kontrabass, dem Vibraphon und der Bassklarinette bedient, allerhöchstes Niveau aufgefahren.

Nachdem er zuvor drei Stunden im Stau stand, das Konzert also nicht ganz planmäßig beginnen konnte, betritt HANS UNSTERN die Bühne und intoniert „Tief Unter Der Elbe“ mit seiner akustischen Gitarre und - weil man sich so das nervige „Kommt doch mal näher!“ spart - ganz ohne Mikrophonierung, sodass die Zuschauer sich ganz von alleine an die Bühne drängen, um überhaupt was hören zu können. Beim nächsten Stück, „Ein Coversong“, der in einem gefühlt halbstündigen Instrumentalexzess endet, stößt dann die Band hinzu und zeigt, zu was sie fähig ist: Zwischen psychedelischem Freejazz und einem dreckigen Gypsygefühl, das an die experimentelleren Sachen von TOM WAITS erinnert, finden die lyrisch-surrealistischen Texte, vorgetragen wie in einem Hörbuch, ihre energetische musikalische Entsprechung.

Nach diesen beiden Stücken hat der überaus bärtige Mann die Zuschauer sowieso bereits auf seiner Seite, und der Abend wird tatsächlich von Song zu Song einfach nur besser. Mit der freizügigen und durch Improvisationen ständig betonten „Alles-ist-möglich“-Attitüde klingen dann auch Textzeilen wie „Ich hätte gerne mit dir getanzt, am liebsten im Supermarkt, vor dem Salat“ aus dem Song „Endlos, Endlos“ nicht lächerlich, sondern poetisch und anmutig. Das ist letztlich die große Meisterschaft des Texters und Sängers Unstern, dass er naive, fast dadaistische Texte so würdevoll rüberbringt, wo andere Sänger, die voller Inbrunst von Tod und Liebe und Verzweiflung trällern, nicht halb so glaubwürdig scheinen.

So endet das Konzert dann - man hätte es erwarten können - mit dem großartigen Song „Paris“ und der Textzeile „Punkt, Punkt, Komma, Strich – Fertich“. Und keiner ist ihm böse, dass er uns textlich in die Grundschule zurückholt. Wieso auch?

Foto (c) Tanja Pippi