Als die FOO FIGHTERS ihr aktuelles Studioalbum "Sonic Highways" aufnehmen, taten sie das in acht geschichtsträchtigen Städten der USA, in acht verschiedenen Studios. Kling unspektakulärer, als es ist - bis man sich die Doku-Serie zum Album, im amerikanischen TV auf HBO ausgestrahlt, angesehen hat. Mit satten drei Stunden Bonusmaterial ist die Serie auch auf DVD bzw. Blu-ray erschienen. Und ich wage zu behaupten, dass ein solches Konzept noch keine Band zuvor verfolgt hat. Wer ein Album, seine Songs, die Musiker, die amerikanische Mentalität und Geschichte besonderer Städte ganz genau kennen lernen möchte, sollte sich dieses Boxset unbedingt zulegen!
Jede der acht Episoden ist ähnlich aufgebaut: Dave Grohl als Regisseur und Interviewer stellt die jeweilige Stadt, ihre Geschichte, Bewohner und bekannte Persönlichkeiten, meist Produzenten, Studiobesitzer, andere Musiker oder lokale Berühmtheiten, vor. Man sieht, wie die Band mitsamt Tross ins Studio zieht, Proben zum Song abhält und die Bandmusiker einige Statements zum Aufnahmeort abgeben. Man erfährt viele Details, die später, wenn Grohl beim Schreiben der Lyrics gezeigt wird, wiederkehren. Am Ende ist die Band mitsamt der Gastmusiker zu sehen, wie sie im Studio den jeweiligen Song performt - quasi ein Musikvideo aus dem Studio, mit eingeblendeten Lyrics, die plötzlich, wo man über den Hintergrund der Stadt Bescheid weiß, so viel Sinn machen. Und das acht mal, jeweils eine knappe Stunde lang.
Je nach Stadt erfährt man viel Wissenswertes über Grohls Vergangenheit, das Umfeld der Band, Beziehungen zu anderen Bands und Musikern, berühmten Legenden, Politik etc. Manche Episoden sind extrem interessant, andere hätten gut 15 Minuten kürzer ausfallen können. Langweilig ist “Sonic Highways” aber deshalb lange nicht: Bei einem Umfang von acht Stunden plus Bonusmaterial ergeben sich nun mal zwischendrin ein paar Längen. Über die volle Dauer wird man jedoch auch als FOO FIGHTERS-Neuling extrem gut unterhalten.
“Sonic Highways” ist viel mehr als eine Musik-Doku über Aufnahmeprozesse, Songwriting oder die Unterschiede verschiedener Studios. Es ist eine Miniserie, die vor einem musikalischen Hintergrund in einer Stunde die Geschichte acht amerikanischer Städte präsentiert und dem Zuschauer den Einfluss dieser Stadt auf den jeweiligen Song nahe bringt. Für sich genommen ist das Musikalbum eine beachtenswerte FOO FIGHTERS-Scheibe. Erst im Zusammenhang mit der Dokumentation erschließt sich aber der Sinn hinter den Texten, ist der Spirit auch beim Hören der Musik erlebbar.
So laufen mir bei jedem Hören des genialen “Congregation” Schauer über den Rücken, weil ich den Videoclip zum Song am Ende der Episode zu Nashville vor Augen habe. Im Mittelteil des sonnigen Gute Laune-Rockers wird’s mit monotonen Gitarren plötzlich düster. Zac Brown hat seine Gastperformance, Dave Grohl fragt: “Do you have blind faith? Where is your blind faith?”, bis erm befreit brüllt: “Open your eyes, step into the light”, und der Song wieder der Sonnenseite entgegen geht. Oder bei dem genialen Gitarrensolo in “Outside”, das niemand Geringerer als Joe Walsh von den EAGLES eingespielt hat: Als der sich im Studio die Gitarre schnappt und die leisen, wehmütigen Klänge aus seinem Sechssaiter zaubert, lauscht FOO FIGHTERS-Drummer Taylor Hawkins zuerst ganz andächtig, um dann in ungestüme, ehrliche Begeisterung auszubrechen. Solche Momente wird jeder, der sich Album und Dokumentation angehört und angesehen hat, erleben. “Sonic Highways” ist ein echtes Gesamtkunstwerk, wird zu einem Album, das man verstehen, erleben kann.
Die acht Episoden bieten vielleicht keine tiefen Einblicke in das Leben der einzelnen Bandmitglieder, sind mit ihren zahlreichen Anekdoten, historischen Rückblicken, Eindrücken in die Entstehungsgeschichte von “Sonic Highways” und zahlreichen magischen Momenten jedoch absolut sehenswert. Sie runden das aktuelle Studioalbum perfekt ab und sollten ein Pflichtkauf für alle sein, die “Sonic Highways” etwas abgewinnen können. Glaubt mir: Besser wird man ein Album und die Intention hinter den Songs nicht verstehen können!
Chrischi
Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten
Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...