Mely - Portrait of a Porcelain Doll Tipp




Stil (Spielzeit): dunkler, melancholischer Heavy Rock  (41:34)
Label/Vertrieb (VÖ): Silverwolf Prod. (April 09)
Bewertung: 8,5 / 10


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Ich geb's mal gleich zu: Ich find die Jungs aus Kärnten sehr geil. Und das obwohl sie extrem unextrem sind. Melancholisch und dunkel, ja; ein spezielles Genre aber haben sie nie bedient. --- Aus beinah allen Sorten des dunklen Metals und Rocks bis hin zum Grunge haben sie unterschiedlichste Einflüsse extrahiert, um eine sicher nicht innovative, eher rückwärtig orientierte, aber recht individuelle Spielart zu kreieren, die sich in der Grauzone zwischen Düster-Rock und Finster-Metal den Schubladen erfolgreich entzieht. Das war so, das bleibt auch mit „Portrait of a Porcelain Doll" so. Und doch hat sich etwas getan.

Wenn man eine Band anfänglich geil findet, und „es tut sich was", dann ist das in der Regel für'n Darm: PARADISE LOST z.B. oder LACRIMAS PROFUNDERE. Zwei große dunkle Namen, die exemplarisch sind für geilen Death Doom Metal, der in so genannten Reifeprozessen zu mehr oder weniger schnöseligem Rock zerexperimentiert und verkommerzialisiert wurde. Passend, weil beides Einflüsse von MELY sein könnten. Wie so vieles andere.

Und obwohl die Österreicher einen ähnlichen Weg gehen: (grob gesagt) Metal raus, Rock rein, ist ihr Reifeprozess kein Auswimpen, sondern tatsächlich einer. Aber MELY waren ja nie so extrem Metal und sind jetzt nicht so sehr Kommerz. Der Wandel fällt kleinschrittiger aus und mir nicht so negativ auf.

So sind sie tatsächlich „nur erwachsener" geworden, d.h. auch: noch etwas ruhiger, bedächtiger. Folglich kommt die Hohlraumgitarre im Jahre 10 der Bandgeschichte häufiger denn je zum Einsatz.
Andererseits ist das ohnehin gefällige Songwriting noch ausgereifter geworden. Die Songs beherbergen insgesamt mehr Hitpotential und sind zugleich noch „psychedelischer" geraten als früher. PINK FLOYD, ALICE IN CHAINS oder TOOL lassen inzwischen öfters und direkter grüßen. Dabei laufen MELY noch immer (und immer mehr) Gefahr, für Metalheads zu unspektakulär, zu dezent zu sein, für Hörer, die im Mainstream schwimmen, schlicht zu ungewöhnlich.

Obwohl die Gitarrenarbeit noch immer sehr gehaltvoll ist, fehlen mir Andys geile Soli etwas, vor allem deren 70er Monsters-of-Rock-Attitüde. Mehr PINK FLOYD inzwischen als PURPLE und "The Sabbs". Im Gegenzug hat Andys Stimme aber ordentlich an Volumen, mehr noch an Variabilität zugelegt. Nicht unbeeindruckend. Selbiges gilt für die sprachwitzigen Texte (soweit ohne Textblatt nachzuvollziehen), die auch manch „native speaker" beschämen könnten.

Um es kurz zu machen: Je nachdem wo man hörgewohnheitsmäßig steht, mag MELYs Reifeprozess als (großer) Gewinn oder (kleiner) Verlust gegenüber „... Leave and Enter Empty Rooms..." erscheinen. Vielleicht so: an Klasse zugelegt, an Charme etwas eingebüßt?!

Mir jedenfalls gefallen die beiden Vorgänger noch eine Spur besser, weil, bei aller verbliebenen Individualität und hinzugewonnenen Stärken, die sympathische Unbekümmertheit etwas auf der Strecke geblieben ist. Empfehlenswert aber ist auch „Portrait of a Porcelain Doll"... zumindest für alle, die mit o.g. Bands etwas anfangen können.

Anspieltipps: Don't Wake the Sleeping, Hell Low, Sweet Six Feet