Sirocco - The March Through Crimson Frost Tipp


Stil (Spielzeit): Pagan Metal (Celtic Thrash) (38:01)
Label/Vertrieb (VÖ): Eigenproduktion (08.07) / Code 7, Plastic-Head (03.08, UK-Release)
Bewertung: 10 / 10
Link: http://www.siroccoband.com


Man mag mir diese blümeranten Peinlichkeiten verzeihen, aber ihr kennt das Phänomen hoffentlich auch: Manchmal gerät einem ein Album in die Finger und spätestens beim dritten Stück hat man ein fast schon erotisch zu nennendes Verhältnis zu der Musik. Kopforgasmen, das Gefühl der unmittelbaren Vertrautheit mit dem bis dahin Ungehörten, einem Charme erliegend, den man so gut wie gar nicht in Worte fassen kann. Man ist verliebt. Kennt ihr? Kennt ihr. Sind die Götter einem gnädig, kann man das seltene Phänomen im Schnitt vielleicht alle drei, vier Jahre einmal genießen. Manchmal kommen vier solcher Alben in einem Jahr und dann eine scheinbare Ewigkeit wieder gar nicht mehr. Für mich ist es endlich mal wieder so weit. So wie z.B. anno dunnemals beim Erscheinen der „New Dark Age“ von SOLSTICE (UK). Ich bin verliebt!


Meine neue Flamme hört auf den poetischen wie unpassenden Namen SIROCCO und entstammt dem Süden Irlands. „The March Through Crimson Frost“ ist ihr zweites Album, das im letzten August in Eigenregie produziert und seit Oktober 2007 feilgeboten wird. Erst jetzt kam die Promo-CD bei uns an. Anlass ist die „Nachveröffentlichung“ durch einen UK-Vertriebsdeal mit Code 7 / Plastic Head im März 08.

SIROCCO nennen ihr Zeug „Celtic Thrash“. Das kann man so stehen lassen, ist aber erklärungs- und relativierungsbedürftig, zumal das Artwork mit keltischer Bandornamentik und der gemalten Nach-der-Schlacht-Szene doch eher in die typisch pagane Richtung weist: also Death und Black Metal-Lastigkeit verspricht. Also rechnet man auch mit Folk- oder entsprechenden synthetischen Nachahmungsinstrumenten. Nix da mit Firlefanz oder folkloristischer Big-Band. Ganz klassische HM-Instrumentierung. 4 Mann: 2 Äxte, Bass, Drums. Und gut is’.

Und so ist die Basis schlicht traditioneller Metal irgendwo zwischen NWoBHM und Bay Area Thrash der glorreichen 80er… Dass man dennoch mit Recht der paganen Szene zugerechnet wird, liegt 1.) (natürlich!) an den Texten und 2.) an der punktuellen Adaption von Tonfolgen aus dem Irish-Folk, die die wunderbaren Leads immer wieder bestimmen. Dies und ein unglaublich gutes Gespür für Dramaturgie mit den notwendigen Tempo- und Akkordwechseln macht aus „schlichten“ Thrash-meets-Maiden-Nummern episches Breitwandkino. Und zwar ohne jene Soundclicés, die hierfür normalerweise verbraten werden.

Dennoch: im Endeffekt hat das ganze wenig mit Folkmetal im engeren Sinne zu tun. Es sei denn, man interpretierte auch LIZZY’s „Emerald“ als Folkrock. Und so ließe sich „The March….“ vielleicht als eine Kollektion wunderbarer Mid- / Up-Tempo-Thrash-Hymnen mit Battle-Metal Attitüde skizzieren.

Aber leider ist damit der Reiz von SIROCCO nur unzureichend beschrieben ... – Auch die Tatsache, dass die vielfältigen anderen Einflüsse: frühe METALLICA und MEGADETH, MAIDEN und LIZZY (das gilt neben diversen Harmony-Leads vor allem für Ciaran O' Cearuill, dessen Spiel viel von Harris und ein wenig von Lynott hat) recht einfach zu identifizieren sind, hilft einem nicht weiter, diesen sonderbaren Charme zu ergründen. Natürlich könnte man was von 6/8-Takten blubbern, von gekonnten Phrasierungen etc. Würde zwar stimmen und erklärt doch wieder nichts.

Ich will das erklärende Beschreiben auch gar nicht weiter versuchen, sondern den Reiz lieber durch zwei Schwachpunkte andeuten, deren Ausbesserung ich nicht befürworten würde:
Zunächst der Sound. Obwohl glasklar und knochentrocken klingt er dennoch irgendwie 8oer-mäßig, vielen sicher eine Spur zu flach (normalerweise wird so was heute zugetriggert und sonst wie aufgefüllt) dadurch sind auch die Becken manchmal ein bisschen weit vorn. Ein Sound mit leichten Ecken und Kanten, so individuell wie die Band eigenständig.

Gleichfalls könnte man auch dem Gesang von Basser Ciaran vorwerfen, es etwas an Volumen mangeln zu lassen. Ganz sicher ist er kein Dio und sein Stimmumfang limitiert, und auch ich habe mich kurz gefragt, wie geil „The March…“ erst wäre, wenn mein Lieblingssänger aus dem Epic Metal, Morris Ingram, das einsingen würde. Aber Ciarans Stimme ist jede Menge Charakter zu bescheinigen und unterm Strich macht er 1.) aus seinen Möglichkeiten erstaunlich viel und 2.) passt dieser leicht ungehobelte Charme wunderbar ins Bild. --- Die Band selbst scheint von seinen Möglichkeiten nicht 100%ig überzeugt, denn das Debüt „Nemed, An Triu Creathan“ nennt ihn zwar schon als Bassmann und das Booklet ist mit Texten versehen, dennoch wurde es als Instrumental-Album gepresst. `S schon ein bisschen seltsam. --- Wie gesagt, an besagten „Mängeln“ würde ich nicht herumdoktern. Ich finde das Album perfekt, auch weil es gerade nicht perfekt ist.

Wenn Schwächen als Stärken interpretiert werden, dann ist zweierlei gewiss: erstens der Rezensent ist in die Band vernarrt (Ich bekenne mich schuldig!) und zweitens ist das Album vermutlich nicht massenkompatibel.

Wer aber zugleich auf alte METALLICA, MAIDEN, LIZZY, Irish Folk und NWoBHM-Charmeure wie CHATEAUX oder WITCHFYNDE steht, der kommt nach leider viel zu kurzem, nicht mal 40minütigem Marsch durch den blutroten Frost quasi nach Hause. --- Für mich DIE musikalische Symbiose und das Album des Jahres 2007. Naja, vielleicht sitzen die Labelbosse ja nicht noch ein Jahr auf ihren Ohren.