Geschrieben von Mittwoch, 13 April 2022 08:29

Armored Saint - Review-Special zu den Reissues von "March Of The Saint", "Delirious Nomad" und "Raising Fear"

Die immer noch sträflich unterbewerteten ARMORED SAINT feiern ihr 40. Bandjubiläum mit der Neuauflage ihrer ersten drei Alben "March Of The Saint" (1984), "Delirious Nomad" (1985) und "Raising Fear" (1987).

Ursprünglich auf Chrysalis Records erschienen, veröffentlichen die US-Metaller am 15.04.2022 die Reissues erstmals bei ihrem langjährigen Label Metal Blade Records, auf dem ARMORED SAINT mit ihrer selbstbetitelten Debüt-EP 1983 ihre Karriere begannen.

Die Neuauflagen sind mit neuen Liner Notes und bislang unveröffentlichten Fotos versehen, kommen allerdings komplett ohne Bonusmaterial aus. Auch soundtechnisch ist alles beim Alten, ein Remaster haben die Scheiben nicht spendiert bekommen. Das passt zum Minimalismus der letzten Live-Veröffentlichungen und hat für Fans auch was Gutes: Wer die Scheiben bereits besitzt, kann sich den Neukauf getrost sparen.

Weil aber die CDs und insbesondere die LPs längst vergriffen und selbst gebraucht nicht mehr so einfach zu bekommen sind, machen die Neuauflagen auch ohne Extras Sinn. Gerade Vinyl-Liebhaber dürften bei der Fülle an verschiedenen Farben in Auflagen von je nur wenigen Hundert Stück leuchtende Augen bekommen.

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"March Of The Saint" (1984)

Nach ihrer selbstbetitelten Debüt-EP veröffentlichten die gepanzerten Heiligen 1984 ihr Debütalbum "March Of The Saint". Strahlender Höhepunkt ist die einleitende, epische Bandhymne, ein Jahrhundert-Klassiker, der bei keinem einzigen Konzert fehlen darf. Ebenso wenig in Vergessenheit geraten sind die markanten Riffs des zumindest im Chorus vielleicht etwas zu radiofreundlichen Ohrwurms "Can U Deliver", während das treibende, thrashig angehauchte "Mad House" völlig zu Unrecht in der Versenkung verschwunden ist. Der Banger, der schon Jahre zuvor den Nährboden für "Raising Fear" bereitet, steht auf einem Niveau mit dem Titeltrack.

Auch weniger beachtete Nummern wie das von seinem charakteristische Drum-Intro eingeleitete, leicht vertrackte "Stricken By Fate", das hymnische "Mutiny On The World" und mit leichten Abstrichen "Glory Hunter" sind nach wie vor hörenswert, qualitativ aber ein gutes Stück von den Glanztaten auf "March Of The Saint" oder dem späteren Material der Band entfernt.

Mit "Take A Turn" versuchen sich ARMORED SAINT erstmals an einer recht düsteren, etwas einseitigen Halbballade, die zumindest schon zu Beginn der Karriere aufzeigt: Wenn es die Jungs ruhiger angehen lassen, dann stets kitschfrei. Ziemlich mau ausgefallen sind hingegen das im Refrain arg schwächelnde "Seducer", das furchtbare "Envy" oder "False Alarm", die zwar zum Kontext des Albums gehören, aber weit weg vom Prädikat "unverzichtbar" rangieren.

Insgesamt ist das erste Album mit wenigen Highlights, einigen Durchhängern und solider bis sehr guter Kost dazwischen durchaus und nach wie vor hörenswert, konnte den Vorschusslorbeeren nach der selbstbetitelten EP aber (noch) nicht ganz gerecht werden. Insbesondere in der zweiten Albumhälfte schwächeln ARMORED SAINT. Dazu kann die glattgebügelte Produktion die Live-Power und Energie des Quintetts nicht mal ansatzweise passend durch die Boxen drücken.

"March Of The Saint" Trackliste:

1 - March Of The Saint
2 - Can U Deliver
3 - Mad House
4 - Take A Turn
5 - Seducer
6 - Mutiny On The World
7 - Glory Hunter
8 - Stricken By Fate
9 - Envy
10 - False Alarm

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"Delirious Nomad" (1985)

Nur ein Jahr nach "March Of The Saint" erschien "Delirious Nomad". Nicht nur die Produktion fiel druckvoller aus, auch im Songmaterial präsentierten sich ARMORED SAINT rauher, knackiger und Riff-orientierter. Auch, wenn manche Songs etwas heller scheinen als andere, ist die Qualität über die gesamte Albumlänge konstant auf höchstem Niveau.

Beginnend mit dem hymnischen Opener "Long Before I Die" über das schleppende "Nervous Man", das stürmische "Conqueror" und das angejazzte "Over The Edge" bis hin zum düsteren Midtempo-Groover "For The Sake Of Heaviness" und dem mächtig pumpenden "In The Hole" mit gekonnt eingestreutem Break liefern ARMORED SAINT ab - und das ohne ständig aus allen Rohren zu feuern, sondern mit abwechslungsreichen Strukturen, Tempowechseln und Breaks, die "Delirious Nomad" eine fast schon progressive Ausrichtung geben.

Dazwischen steht mit "Aftermath" das Paradebeispiel für epische Laut-Leise-Dynamik in Perfektion. Wem nach dem brettharten instrumentalen Einstieg in der sehnsuchtsvollen ruhigen Akustik-Passage mit einem wunderbar leidenschaftlich auftrumpfenden John Bush keine fette Gänsehaut über den Rücken kriecht, die sich im mit fantastischen Gitarrensoli explodierenden Finale wenn überhaupt noch steigert, besitzt kein Gefühl. In seiner ultimativen Live-Version auf "Carpe Noctum" klingt dieser Meilenstein sogar noch besser!

Abgerundet werden die knapp 42 Minuten von "The Laugh", das etwas Zeit braucht, bis es (dann aber richtig) zündet, dem Riffmonster "You're Never Alone" mit klasse Bridge und grandiosem Solo sowie dem rasanten Rausschmeißer "Released" mit einem genialen Basssolo (!) von Joey Vera, nach dem sich Prichard und Sandoval noch an den Sechssaitern duellieren.

 "Delirious Nomad" Trackliste:

1 - Long Before I Die
2 - Nervous Man
3 - Over The Edge
4 - The Laugh
5 - Conqueror
6 - For The Sake Of Heaviness
7 - Aftermath
8 - In The Hole
9 - You're Never Alone
10 - Released

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"Raising Fear" (1987)

Auf "Raising Fear" zeigten sich ARMORED SAINT weiter gefestigt. Insbesondere Sänger John Bush geht völlig aus sich heraus und beweist ohne Hemmungen über die komplette Albumdistanz, was für ein hervorragender Sänger er ist. Mit der Halbballade "Isolation" lieferte das Quintett den kommerziell erfolgreichsten Track seiner Karriere ab, der während des Lockdowns in der Corona-Pandemie nochmal neu aufgenommen wurde.

Anspieltipps sind die zupackende, leider beängstigend aktuelle Hymne "Chemical Euphoria" mit superben Riffs, Gitarrensoli und pumpendem Bass, der unfassbar geile Titeltrack und das knackige "Human Vulture". Nicht nur in Vergessenheit geratene Nummern wie das Epos "Frozen Will / Legacy" mit seinem Ohrwurm-Refrain, "Underdogs" oder das treibende "Terror" mit seiner pumpenden Basslinie verdienen es, wiederentdeckt zu werden, auch das passend umgesetzte LYNYRD-SKYNYRD-Cover "Saturday Night Special" sowie "Crisis Of Life", das hier erstmals auf Vinyl veröffentlicht wird, machen Spaß. Einzig das geradlinige "Out On A Limb" ist und bleibt etwas einfallslos.

Das unangefochtene Albumhighlight ist das famose, düstere "Book Of Blood". Mit seinem Gänsehaut-Einstieg, galoppierenden Strophen und dem göttlichen Zwischenpart mit einem brillant solierenden Dave Prichard steht die Nummer dem grandiosen "Aftermath" vom Vorgänger "Delirious Nomad" in nichts nach. So viel Atmosphäre und Abwechslungsreichtum in unter fünf Minuten Spielzeit zu packen, ist eine Kunst, die nicht viele Bands beherrschen.

Soundtechnisch ist "Raising Fear" erneut etwas lasch ausgefallen. Die Drums haben kaum Druck, Joey Veras Bass ist sehr vordergründig, dafür könnten die Gitarren fetter braten. Wie für alle Achtziger-Produktionen der gepanzerten Heiligen gilt, dass die Nummern live nochmal deutlich dazu gewinnen. Aber: Vom Debüt bis zum dritten Album geht's soundtechnisch definitiv in die richtige Richtung.

"Raising Fear" Trackliste:

1 - Raising Fear
2 - Saturday Night Special
3 - Out On A Limb
4 - Isolation
5 - Chemical Euphoria
6 - Crisis Of Life*
7 - Frozen Will / Legacy
8 - Human Vulture
9 - Book Of Blood
10 - Terror
11 - Underdogs

Das sagt die Band über ihre ersten drei Alben

Lassen wir anlässlich der Jubiläums-Veröffentlichungen kurz die Band mit ihren offiziellen Statements zu Wort kommen.

Sänger John Bush sagt:

Es gibt keine bessere Art und Weise, den 40. Jahrestag der ersten Shows von ARMORED SAINT zu würdigen, als die ersten drei Alben, die bei Chrysalis Records erschienen sind, jetzt bei Metal Blade Records neu zu veröffentlichen. Mit neuen Liner Notes und nie zuvor gesehenen Fotos werden diese Alben euch das ganze Jahr lang unterhalten!

Drummer Gonzo Sandoval meint:

Ich bin dankbar für und liebe jeden einzelnen Fan, der uns von Anfang an begleitet hat, sowie die neue Generation von Fans auf unserem Planeten.

Gitarrist Jeff Duncan erklärt:

Dies sind die Alben, die die Band auf die Landkarte gebracht haben. Es ist wirklich großartig, 40 Jahre ARMORED SAINT zu feiern!

Gründungsgitarrist Phil Sandoval fügt hinzu:

Ich möchte mich bei unseren Fans auf der ganzen Welt bedanken und hoffe, dass ihr diese Alben wieder genießen werdet. Während unserer 40 Jahre hatten wir unsere Prüfungen und Schwierigkeiten, aber die eine Sache, die über allem stand, war die Musik und die Fans. Und mit diesen Worten grüßen ARMORED SAINT euch mit diesen Wiederveröffentlichungen!

Bassist Joey Vera zum Abschluss:

Hut ab vor all unseren Fans, die uns dabei geholfen haben, 40 Jahre als Band zu feiern, denn ohne sie hätten wir gar nicht erst all diese Geschichte zu feiern. Wir sind sehr stolz auf unseren gesamten Katalog, aber mit diesen ersten drei Platten, die ursprünglich auf Chrysalis Records erschienen sind, hat alles angefangen. Diese Platten waren schon lange nicht mehr auf Vinyl erhältlich, also hoffen wir, dass ihr alle diese Special-Edition-Versionen unserer ersten drei Platten genießen werdet.

Happy birthday, ihr gepanzerten Heiligen! Auf dass es weiterhin noch viele Jahre lang heißen mag: The Saints will conquer again!

ARMORED SAINT Line-up (auf den drei Alben):

John Bush - vocals
Phil Sandoval - guitars
Dave Prichard - guitars
Joey Vera - bass
Gonzo Sandoval - drums