Geschrieben von Dienstag, 14 Januar 2003 21:52

Such A Surge - Interview mit Sänger Olli zum 'Rotlicht'-Album

Am 10.02.2003 wird „Rotlicht“, das neue Album von Such A Surge, in den Plattenläden stehen. Wie klingen die „Surger“ nach zehn Jahren Bandgeschichte? Weht noch derselbe Wind? Und was hatte es nebenbei mit dem Best-Of-Album auf sich? Ein lockeres Telefongespräch mit Sänger Olli bringt Licht ins Dunkle ...

Eure Platte zum zehnjährigen Surge-Bestehen beschließt, wie auch auf Eurer Homepage zu lesen ist, das erste Kapitel der Band. Mit „Rotlicht“ beginnt Ihr das zweite ... Was liegt Euch da besonders am Herzen?

Nach zehn Jahren fragt man sich schon, „Wie geht’s jetzt eigentlich weiter? Können wir das Vorgängeralbum noch toppen, und brennt überhaupt noch dieses Feuer in uns, was vielleicht vor sechs, sieben oder zehn Jahren gebrannt hat?“

Wir haben das Songwriting schon anders gestaltet, als das zum Beispiel bei „Der Surge Effekt“ der Fall war. Die Songs haben wir nicht im Übungsraum geschrieben sondern in mehreren Sessions im Studio. Wir haben also Skizzen aufgenommen, diese fokussiert und daraus Songs gemacht. Dabei wurde uns ziemlich schnell klar, dass es noch Spaß macht und dass das sehr geil wird.

Die Erwartung für das zweite Kapitel wurde dann bestätigt: nämlich einfach zu sehen, ob wir noch gute Sachen machen, auf die wir dann hinterher stolz sein werden, wenn die Platte im Laden steht. Das ist bei „Rotlicht“ der Fall, wir sind alle sehr begeistert von der Platte.

Eure Texte hatten bisher immer eine bestimmte Message oder einen Appell. War das bei „Rotlicht“ genauso wichtig, oder stand da mehr die Musik im Vordergrund?

Bei „Rotlicht“ hat die Musik eigentlich noch extremer als bisher die Texte „mitgeschrieben“. Es war alles sehr frisch gerade dadurch, dass wir nicht monatelang im Übungsraum waren und ewig lange über Songs diskutiert oder sie totgespielt haben, bevor sie aufgenommen wurden. Schon alleine durch die Musik hatte ich ziemlich schnell eine Idee zu den Aufnahmen, deswegen steht die Musik genauso im Vordergrund wie die Texte.

Das Album ist von den Texten an sich persönlicher, auch wenn das so ´ne Standardfloskel ist, die jede Band bringt. Ich spreche auf der Platte mehr über die Sachen, die in mir passieren, als über die Dinge, die um mich herum passieren.

Bist Du dann hauptverantwortlich für die Texte, oder hatte Michel da auch ein Wort mitzureden?

Der hatte da auf alle Fälle auch ein Wort mitzureden. Bei der Platte war’s halt so, dass er einfach nicht so viel gemacht hat, aus welchen Gründen auch immer. Was nicht heißen soll, dass er da irgendwie in den Hintergrund rückt. Er ist halt leider auf der Platte ein bisschen seltener zu hören. Es ist natürlich so, dass wir uns da gegenseitig ergänzen – und leider zu wenig Sachen zusammen machen, wie ich finde.

Da gibt es aber keine Diskrepanzen, dass der eine den anderen irgendwie abdrängt. Michel hat da genauso viel zu sagen wie ich auch, wenn er’s denn sagen will.

Seht Ihr es als Eure Aufgabe, die Leute zum Nachdenken zu bewegen? Spaßmusik habt Ihr in diesem Sinne ja eigentlich noch nie gemacht ...

Es ist halt die Frage, ob sich das im Weg steht. Also ob Songs keinen Spaß machen dürfen, die zumindest für mich eine Aussage haben; die nicht so oberflächlich schön sind, dass sie runtergehen wie Öl.

Wenn ich z. B. eine Band wie Portishead höre und Besuch habe, gibt es ganz unterschiedliche Reaktionen. Die einen sagen, „Mach das aus, das zieht uns runter!“, und andere sagen, „Geil, lass uns ´ne Flasche Rotwein aufmachen!“ und man driftet halt völlig ab, ist aber eigentlich sehr gut dabei drauf.

Es fällt mir einfach schwer, über total schöne Sachen zu singen, das hat für mich einfach weniger Substanz. Und deshalb ist die Musik, die wir mit Such A Surge machen, eher zum Kanal geworden für andere Sachen. Ich sag jetzt auch bewusst nicht depressive oder wütende Sachen, denn so sehe ich es einfach nicht.

Für mich sind das einfach Emotionen, über die ich da spreche. Die Riffs, die unser Gitarrist Dennis schreibt, die sind einfach nicht happy-joy-joy-mäßig. Die klingen meistens schon so, dass ich dann beim Schreiben nie auf den Gedanken kommen würde, darüber zu singen, dass ich gerne Tretboot auf’m Ententeich fahre ...

Was bedeutet der Titel „Rotlicht“ ?

Das verrate ich nicht.

Hat das irgendetwas mit dem Hamburger Kiez zu tun?

Dieser Name lässt so viele Interpretationsmöglichkeiten zu, dass ich das gar nicht auf den Punkt bringen kann. Innerhalb der Band heißt es auch für jeden etwas anderes. Genau deswegen haben wir den Namen auch genommen, weil er für so Vieles stehen kann.

Die einen denken an 'nen Rotlichtbezirk und Prostitution und bringen das in Zusammenhang mit dem Musikbusiness, die anderen denken an eine gut tuende Wärmelampe. Dann gibt’s Leute, die denken bei Rotlicht an „Halt, Stopp, nicht weitergehen!“. Es gibt die verschiedensten Sachen ...

Ihr wart selbst für die Produktion verantwortlich. Was wolltet Ihr im Vergleich zu den letzten Scheiben anders machen?

Wir haben eigentlich nichts anders gemacht als bisher. Wir haben zwei Stücke noch mit Wolfgang Stach gemacht, der auch die letzte Platte produziert hat, also als Produzent richtig dabei war. Aber auch da war es schon so, dass dieses Produzentenbild, was man als Hörer vielleicht hat, nicht so richtig bei uns gegriffen hat. Wir sind einfach eine Band, die im Studio ziemlich genau weiß, wie das klingen soll.

Ich halte es für wichtig, dass man als Band noch andere Ohren dabei hat, die einem einfach mal die Meinung sagen. Auch allein schon wegen der ganzen Studiotechnik, weil wir da auch gar nicht so mit umgehen können, dass wir da das Letzte rausholen.

Bei „Rotlicht“ hatten wir Jem aus Köln, der auch schon mit Miles und Surrogat und vielen weiteren deutschen Bands was gemacht hat. Der hat als Engineer, als der Mann, der an der Reglern zu drehen hat, an der Platte mitgearbeitet, war aber – wenn Du so willst – auch Produzent. Am Ende des Tages sind das dann halt nur Stempel, die vergeben werden. Bei einigen Songs hat er auch seinen Einfluss mit eingebracht, was wir sehr interessant fanden.

Wir hielten es aber einfach für unnötig, zu sagen, “Wir brauchen den oder den Produzenten, und der soll auch als solches arbeiten“. Wie gesagt, meistens sind die bei uns unterfordert, weil wir eh sagen, „Nene, lass mal, das ist schon gut so, wie es ist“.

Habt Ihr absichtlich mit der Tradition gebrochen, einen auf Englisch bzw. Französisch gesungenen Song mit draufzupacken?

Nein, das ist einfach so entstanden. Die Musik war da, ich saß vor meinem Laptop und die Texte sind halt rausgeflossen. Auf Deutsch kann ich mich einfach am besten ausdrücken. Englische Sachen machen auch Spaß, und wir werden so was bestimmt wieder machen, aber bei der Platte ist es einfach nicht dazu gekommen.

Haben Euch beim Songwriting für „Rotlicht“ momentan angesagte Strömungen wie Emo, Nu Metal, etc. beeinflusst? Die Gitarre ist wieder stärker präsent ...

Schwer zu sagen. Ich bin da auch gar nicht so auf dem Laufenden. Es stimmt, die Gitarrenarbeit ist bei dem Album mehr in den Vordergrund gerückt. Es sind nicht mehr so perkussive, groovige Songs, sondern mehr sphärische, noisige Flächen. Auf der Platte ist ja wirklich kaum ein groovendes, älteres Riff, wie man sie auch bei neuen Bands zuhauf hört.

Dennis greift sehr schräg auf der Gitarre und verstimmt die bis zum Gehtnichtmehr. Er hat mit seiner Gitarrenarbeit das Album und eben auch die Texte dadurch sehr stark mitbeeinflusst.

Es wird eine limitierte Auflage mit DVD von „Rotlicht“ geben. Was ist da drauf?

Fast alle Videos, die wir gedreht haben. Wir haben die allerschlechtesten weggelassen, aber es sind wirklich superviele Videos von Such A Surge drauf. Die Nebenprojekte sind auch mit Videos vertreten, also von Originalton sind zwei Videos mit drauf, Dennis hat noch zwei Videos gedreht mit seinen Jazzkünstlern aus Braunschweig, mit denen er 'ne Platte gemacht hat.

Von Revolver, der Geschichte von Antek, ist ein Video mit dabei ... Ich hab’ mir den Dummy letztens angeguckt, das ist schon sehr fett, was da generell so drauf ist. Ich denke, für wirkliche Such-A-Surge-Fans ist das ein Muss. Ich würde mir die selbst auch kaufen, wenn es das geben würde von Radiohead oder weiß der Geier ...

Apropos Fankäufe, das ist ein gutes Stichwort: Eure Best-Of-Platte „10 Jahre“ hab ich mir als Besitzer aller Surge-Platten nicht gekauft. War die eher für Leute gedacht, die Euch noch nicht so gut kennen?

Ich bin einfach ehrlich: Laut Vertrag mit der Plattenfirma hätten wir zu dem Zeitpunkt ein neues Album abliefern sollen. Wir waren aber einfach noch nicht so weit und hatten vielleicht auch zu dem Zeitpunkt keinen Input bzw. Output. Dann haben die uns den Vorschlag mit der Best-Of gemacht. Zuerst haben wir gesagt, „Das wollen wir nicht, wir sind nicht Die Toten Hosen oder Die Ärzte“. Dann haben die gesagt, „Dann müsst ihr aber ein neues Album machen“, und wir dann, „Ok, dann machen wir halt eure Scheiß-Best-Of, aber lasst uns das selbst machen, damit es wenigstens so qualitativ wertvoll wie möglich wird“.

Wir haben uns dann schon Mühe gegeben, dass es wenigstens ein bisschen interessant ist – halt das Artwork mit Digipack und noch ein paar Bonustracks ... Als es dann soweit war, dachten wir, es ist ja eigentlich nicht schlecht, denn es gibt bestimmt sehr viele Leute, die mal einen Song cool und mal einen scheiße fanden. Und die sich dieses Album mit fast allen Singles doch mal holen wollen. Für diese Leute ist eigentlich die Platte gedacht.

Wird es auch von Eurer Single „Fremdkörper“ ein Video für z.B. Viva oder MTV geben?

Das ist mittlerweile ja so schwierig für Bands, wie wir es sind ... Wir haben ein Video gemacht zu „Fremdkörper“. Das ist allerdings zusammengeschnitten aus Aufnahmen, die wir letzten Sommer geschossen haben. Das ist dennoch sehr, sehr geil geworden, wie ich finde. Aber es ist für eine Band mit deutschen Texten und der Musik, wie wir sie machen, nicht so einfach, bei Viva und MTV überhaupt zu laufen.

Mittlerweile überlegen wir uns, ob wir überhaupt noch Videos drehen, weil nur noch die total erfolgreichen Sachen laufen. Das Video ist aber auf der DVD mit drauf und wird auch irgendwann auf der Homepage stehen. Völlig umsonst war’s dann schon mal nicht ...

Ihr habt stets Euer eigenes „Ding“ gehabt, wart nie ganz Metal, nie ganz Hip-Hop. Früher nannte man das Crossover. Wie würdest Du heute Euren Stil beschreiben?

Booaaah, ich hab keine Ahnung. Ich hab’ kein Problem mit Crossover, das soll jeder nennen, wie er will. Independent vielleicht? Ich hab keine Ahnung ... Wir zählen uns zu keiner Szene und würden nie behaupten, dass wir der Kern von etwas sind. Wir drücken uns da keinen Stempel auf, das ist auch gar nicht wichtig. Das sollt Ihr machen, die Presse.

Noch kurz zu Eurem Hardcore-Projekt Pain In The Ass. Wird es da in absehbarer Zeit auch etwas Neues geben?

In absehbarer Zeit nicht. PITA haben wir gemacht, weil wir zu dem Zeitpunkt relativ arbeitslos waren, aber trotzdem Lust hatten, Musik zu machen. Wir werden dieses Jahr auch kaum Zeit haben, etwas aufzunehmen. Wir spielen ja live immer ein paar PITA-Songs ... mal gucken, was 2004 passiert.

Gibt es abschließend vielleicht eine lustige Begebenheit aus dem Entstehungsprozess des neuen Albums, von der Du berichten magst?

Es gab sehr viele lustige Sachen, daher fällt es mir schwer, jetzt die lustigste herauszusuchen ... Im Sommer haben wir ja die zwei Sessions gemacht und jeweils drei Wochen die Songs im Studio geschrieben. Es gab zwischendurch auch Tage, an denen uns absolut gar nichts eingefallen ist, und auch manchmal mehrere Tage hintereinander.

Dieses Studio in Köln war einfach sehr gemütlich, ein ganz normales Familienhaus in einer eher konservativeren Gegend, und wir haben dann eben abends draußen im Garten gesessen, gegrillt und Tischtennis gespielt. Das war halt alles mehr wie ein Urlaub, und da fragt man sich dann natürlich auch zwischendurch, „Mann, was kostet der Studiotag heute? – Na ja egal, leg noch ´n paar Würstchen auf.“ Das war alles sehr entspannend.