Den Einheizer durfte zu nächst einmal die deutsche Nu Metal Band Crosscut spielen, die ich zwar bis zu diesem Abend rein klangtechnisch kaum kannte, aber von der ich schon so einige gute Meinungen gehört hatte, so dass ich mich auf diese allein schon durch die Genrezugehörigkeit eigentlich freute. Meine Erwartungen wurden aber leider in kaum einer Weise erfüllt.
Dass der Sound nicht so pralle war, ist nicht weiter schlimm, denn das Pech hat man ja meistens als Vorband. Sich aber zu verhalten, als würde man das zweite Konzert in seiner Karriere spielen und als ob ein Auftritt in Kassel das Größte wäre, zeugt nicht gerade von Professionalität. Ich musste mich ernsthaft fragen, ob Ansagen à la „Kassel, ihr seid die Geilsten" oder „boah, das wird echt ne großartige Party hier" ernst gemeint waren oder mehr ironischer Prägung entstammten. Scheinbar war ersteres der Fall, denn Crosscut schienen sichtlich gut gelaunt und spielfreudig, was beim Publikum auch recht wohlwollend angenommen wurde. Die Musik hat mich zwar auch nicht vom Hocker gerissen (prägnante Songs oder wenigsten ein paar Killerparts = Fehlanzeige), aber ich bin mir sicher, Crosscut könnten in einem kleinen Club wie dem Spot locker mehr reißen, wenn sie nur ein wenig abgebrühter und überzeugter erscheinen würden und nicht, wie jemand, der davon schon überrascht ist, wenn zehn Leute plötzlich klatschen. Na ja, es war ja auch der letzte Gig auf der gesamten Tour zusammen mit Surge und vielleicht standen die Leute bei Crosscut bis dahin wirklich nur gelangweilt in der Ecke. Würde ich das nächste Mal wahrscheinlich auch angesichts des mäßigen Nu Metals und der super uncoolen Präsenz machen.
Der Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Liveband wurde umso deutlicher, als nach kleiner Umbaupause die ehemals deutschen Crossover-Abräumer Such A Surge die Bühne betraten. Saucool, locker-lässig und mit dem Willen, die Kasseler Audienz zu brodelnder Stimmung und eruptiven Hüpforgien zu treiben, bedienten sie sich der Hitze und Schwüle des kleinen Kasseler Clubs. Such A Surge hatten alles im Griff und ließen nichts anbrennen. Zielsicher wurde die gesamte Palette des Surger-Geschmacks bedient: Alte Klassiker, neuer Stoff, Mitsing-Songs, knirschend agoraphobische Klänge und simple Hüpf-Hüpf-Kracher - An diesem Abend bekam „jeder eine Chance", wie Frontmann Olli selbst betonte, als er in einer coolen Geste jemanden aus dem Publikum fragte, wie ihm die neue Scheibe gefiele und derjenige eher wenig begeistert antworte.
Aber selbst die weniger Riff orientierten Tracks von „Rotlicht" wie „Aktion" und „Fremdkörper" taten der extrem guten Stimmung keinen Abbruch, sondern fügten sich äußert passend in ein ansonsten Best-Of ähnliches Programm. Highlights waren aber eindeutig ältere Schoten der Marke „Gegen den Strom", „I'm Real" oder „Chaos", aber auch Mitsing-Songs, wie sie Co-Sänger Michel gerne nannte, wie „Silver Surger" und „Jetzt Ist Gut", bei denen die Masse statt der Waden die Stimmbänder ordentlich stretchen konnte. Die Fans sangen, sprangen und pogten von Anfang bis Ende, jeder einzelne Song wurde gespannt erwartet und gierig aufgenommen.
Keine Frage, Such A Surge hatten es mit einem hungrigen Publikum zu tun, das die Band am liebsten gar nicht mehr entlassen hätte. Und das obwohl die Braunschweiger knapp 100 Minuten spielten, was ganz schön an der Ausdauer der Beine zerrte und heutzutage gar nicht mehr so üblich ist. Eine nicht geringe Zeit bekam auch Drummer Antek zugesprochen, der, zunächst erstmal eher aus Jux, von Sänger Olli zu einem Schlagzeugsolo aufgefordert wurde und nach seiner ersten hämmernden Kür von lautstarken Zugabe-Rufen aus dem Publikum animiert, kaum mehr aufhören konnte, auf seine Felle zu einzudreschen. Geile Show!
Weniger agil war der neue Gitarrist, der den in diesem Jahr ausgestiegen Dennis Graef fest ersetzten soll. Ex-Saitenschrammler Dennis war ja schon nicht der Lebendigste, aber „der Neue" (Namen konnt ich nicht herausfinden) schafft es trotz Bierbauch, Pommesbudenmimik und Terror-Kappe so gut wie gar nicht wahrnehmbar zu sein. Brauchte er aber auch gar nicht, denn der Rest der Truppe um das Sängergespann Olli/Michel hatte den Pit fest im Griff und hinterließ ausnahmslos durchgeschwitzte und glückliche, junge Menschen, die bestimmt nichts gegen ein zweites Treffen in Kassel hätten, um noch einmal gegen den Strom zu schwimmen.
Der kleine Raum im Kasseler Club „Spot" war genau richtig für die Crossover-Routiniers Such A Surge. Klein, eng, heiß, und gefüllt mit einer gespannten Meute an Fans, die hungrig darauf war, ihre Helden zum ersten Mal in Kassel live erleben zu dürfen. Beste Vorrausetzungen also...
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