Geschrieben von Donnerstag, 23 August 2018 10:09

Sinsaenum - Frédéric Leclerq im Interview: "Beim zweiten Album gab es keine Regeln"

Die Death Metal-Band SINSAENUM hat ein paar große Namen am Start: Gitarrist und Hauptsongwriter Frédéric Leclerq spielt Bass bei DRAGONFORCE, Drummer Joey Jordison wurde mit SLIPKNOT weltberühmt, Gitarrist Stéphane Buriez hat mit LOUDBLAST den französischen Death Metal geprägt und Attila Csihar singt bei den berüchtigten Black Metal-Vorreitern MAYHEM. Wir haben mit Leclerq über den Begriff „Supergroup“ geplaudert – vor allem aber über das neue, starke Album „Repulsion For Humanity“.

Hallo Frédéric! Die meisten kennen dich wahrscheinlich als Bassisten der Power Metal-Band DRAGONFORCE, du hast in deiner Karriere aber schon verschiedene Stile gespielt. SINSAENUM ist eine waschechte Death Metal Band. Was ist deine Beziehung zu diesem Genre – eine weitere Spielwiese oder die Liebe deines Lebens?

Stimmt, viele kennen mich wohl am ehesten als Bassist von DRAGONFORCE. Dabei bin ich eigentlich Gitarrist, die Gitarre ist mein Hauptinstrument. Death Metal begleitet mich schon fast mein ganzes Leben. Anfangs habe ich zwar, wie wohl die meisten von uns, Bands wie MAIDEN, MANOWAR und MÖTLEY CRÜE gehört, aber dann kamen immer härtere Sachen dazu. Und um 1991, 1992 bin ich dann zum Death Metal gekommen. Das ist die Musik, die ich liebe.

Auf „Repulsion For Humanity“ höre ich eine Vorliebe für MORBID ANGEL.

Oh ja! MORBID ANGEL ist eine meine Lieblingsbands. Die ersten vier, fünf Alben sind großartig. Auch „Formulas Fatal To The Flesh“ ist klasse. Diese spezielle Form des Songaufbaus, die verrückten Soli – das habe ich schon immer geliebt, und warum sollte ich diese Einflüsse verstecken? Ich bewundere MORBID ANGEL für das, was sie erreicht haben.

Was sind deine weiteren Einflüsse?

Im Death Metal sind das zum Beispiel PESTILENCE, CARCASS, CANNIBAL CORPSE und MORGOTH. Und MY DYING BRIDE, auch wenn das eher Richtung Doom geht. Als ich das erste SINSAENUM-Album „Echoes Of The Tortured“ geschrieben habe, wollte ich ein echtes Death Metal-Album machen. Das war vielleicht ein bisschen zu sehr nach dem Lehrbuch, aber ich bereue nichts – ich bin immer noch sehr stolz auf das Album. Ich musste mich vielleicht auch ein bisschen beweisen, immerhin war ich der Typ von DRAGONFORCE. Beim zweiten Album gab es keine Regeln. Es ist natürlich ein klares Death Metal-Album, es hat aber auch Elemente aus Black Metal, Punk, Heavy Metal und auch eine Menge Einflüsse von PANTERA.

An „Repulsion For Humanity“ mag ich besonders, dass die Stücke so viel Feeling haben, obwohl ihr alle technisch sehr versiert zur Sache geht. Es ist kein rein technischer Death Metal. Das ist ein schmaler Grat, oder? Bist du dir dessen bewusst, wenn du komponierst?

Ich habe nicht Engelchen und Teufelchen auf den Schultern sitzen. Ich schnappe mir meine Gitarre und schreibe Songs. Letztlich sind technische Elemente drin und die sind mir auch wichtig. Aber ich habe auch immer das große Ganze im Blick. Also gibt es zwar technische Elemente, aber nur, wenn sie etwas zum Gesamtbild beitragen – nicht als Selbstzweck.

Du bist der Hauptsongwriter bei SINSAENUM. Wie kommen die anderen Bandmitglieder ins Spiel?

Ich schreibe die Songs und definiere damit natürlich den Sound. Aber ich vergewissere mich immer, dass es den anderen gefällt. Ich schicke ihnen Demos und bekomme Feedback, was man noch verändern könnte. Es ist also eine Menge Hin und Her, was das Ganze aber letztlich noch besser macht. Die Idee für den Mittelteil des Titelsongs kam zum Beispiel von Joey (Jordison, Schlagzeug), als wir im Studio waren. „Sacred Martyr“ hat zum größten Teil unser Basser Heimoth geschrieben, ich hab das Stück nur etwas umarrangiert. „Insects“ stammt hauptsächlich von Stéphane (Buriez, Gitarre). Letztlich wollen wir  alle in dieselbe Richtung. Und das macht Spaß.

Für dieses Album konntet ihr erstmals gemeinsam ins Studio gehen. Welchen Einfluss hatte das auf das Endergebnis?

Ich weiß nicht, ob man das hören kann. Fest steht: Das erste Album hat nicht darunter gelitten, dass wir uns nicht im Studio getroffen haben. Das ist das Gute daran, mit solch großartigen Musikern zusammenzuarbeiten – man muss sich nicht die ganze Zeit über die Schulter gucken, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Aber die gemeinsame Zeit im Studio hat die Sache schon einfacher gemacht. Die Songs konnten sich etwas natürlicher entwickeln, wir konnten Ideen direkt umsetzen. Außerdem mögen wir uns und verbringen einfach gerne Zeit miteinander.

Wie eine richtige Band.

Genau. Allerdings waren wir von Anfang an eine richtige Band. Meiner Meinung nach muss man nicht unbedingt zusammen im Studio aufnehmen, um eine richtige Band zu sein, das ist bei DRAGONFORCE auch nicht immer der Fall. Meine Definition einer Band ist eher, dass es eine Verbindung gibt zwischen Leuten, die musikalisch in dieselbe Richtung denken. Als ich jung war, war meine Definition einer Band auch eher, dass man sich jeden Samstag mit nem Sixpack Bier zur Probe getroffen hat. Das hat sich aber verändert.

Du definierst SINSAENUM also als Band und nicht als Supergroup …

Es ist wohl eine Supergroup, weil wir alle unsere Karrieren haben und in gewisser Weise berühmt sind. Aber oft schwingt bei diesem Begriff eben mit, dass es sich nur um ein Projekt handelt. Das ist es nicht, SINSAENUM ist eine Band. Aber natürlich können die Leute uns nennen, wie sie wollen.

Was ist mit Attila Csihar? Er hatte diesmal wenig Zeit, sich am Album zu beteiligen?

Als Attila die Vocals für die EP „Ashes“ aufgenommen hat, haben wir unsere Termine für die nächsten zwei Jahre besprochen. Attila hat gleich gesagt, dass es für ihn terminlich sehr schwierig werden wird. Es war aber klar, dass er Teil der Band bleibt. Kennst du die Serie „Dallas“?

Nur flüchtig.

Naja, jedenfalls gibt es da eine Staffel, wo einer der Hauptcharaktere nicht mitspielt, wahrscheinlich hatte er im wirklichen Leben was anderes zu tun. Und dann ist er zur nächsten Staffel einfach wieder eingestiegen. So ist es bei uns auch. Und auch wenn Attila diesmal nicht dabei sein konnte, haben wir ihm alle Demos zugeschickt, um ihn einzubinden und er hat Backing Vocals beigesteuert. So hat außerdem unser Shouter Sean Zatorsky die Gelegenheit, mehr im Fokus zu stehen. Ich finde, er hat einen großartigen Job gemacht.

Wird Attila dann auch keine Zeit haben, auf Tour dabei zu sein?

In Europa wahrscheinlich nicht. Wir versuchen ein paar Shows außerhalb von Europa mit ihm zu planen. Mal sehen, ob es klappt.

Ich finde es sowieso erstaunlich, dass ihr trotz eurer zahlreichen Verpflichtungen eine Tour auf die Beine gestellt bekommt.

Ja, das denke ich auch! Du bist einer der wenigen, für die in dieser Hinsicht das Glas halbvoll ist. Immerhin sind wir fünf von sechs Typen, die zusammen touren, das ist doch fantastisch, oder?

Ich finde es auch bemerkenswert, dass ihr eure ersten Alben im Abstand von zwei Jahren veröffentlichen konntet. Ist das nächste dann für 2020 geplant?

Im Moment habe ich mit DRAGONFORCE zu tun, wir versuchen unser nächstes Album im September 2019 zu veröffentlichen. Und danach würde es auf Tour gehen. Daher kommt es darauf an, wie viel Zeit ich für SINSAENUM habe und ob das Songwriting dann flüssig vorankommt oder nicht. 2020 oder 2021 könnte also klappen, ich weiß es aber noch nicht. Es geht ja nicht nur darum, Songs zu schreiben, sondern auch um den Zeitplan einer Tour und so weiter. Vielleicht machen wir auch erstmal wieder eine weitere EP. Da steht aber noch nichts fest – unser Album ist schließlich gerade erst erschienen.