Geschrieben von Sonntag, 15 August 2004 21:37

Heaven Shall Burn - Interview mit Gitarrist Maik zum Album 'Antigone'

heavenshallburn band

Heaven Shall Burn – die fünf Jungs sind nicht nur in ihrem Heimatland Deutschland das Aushängeschild im Metalcore-Bereich, sondern in ganz Europa eine Festung, an der kein Weg vorbei führt. Mit ultraheftigem Songwriting, politisch starker Message und vor Energie strotzenden Livekonzerten spielten sich Heaven Shall Burn Jahr für Jahr in die Herzen eines jeden Heavy-Jüngers. Mit "Antigone", dem dritten und aktuellen Longplayer, haute man ein Metalcore-Meisterwerk raus, das sämtliche Mauern in den Köpfen einreißt.

Warum man trotz solch einer Leistung so bodenständig bleibt, nichts von Trends wissen will und die für die Studentenwohnung fällige Miete lieber durch ehrliche Arbeit bezahlen will, erzählte uns ein äußerst sympathischer Maik vor dem Auftritt beim With Full Force Festival.

Hi Maik, ihr habt ja schon 2002 auf dem WFF gespielt. Welche Erinnerungen hast du an diesen Auftritt?

Sehr, sehr gute Erinnerungen! Wir hatten wahnsinnig Glück gehabt, nen sehr coolen Sound erwischt, die Leute haben uns riesig unterstützt und das Wetter war prima. Also, es wird auf jeden Fall sehr, sehr schwer da noch einen draufzusetzen. Das ist eigentlich unsere größte Sorge, da unser letzter Auftritt volkommen geglückt war. Das war so ein cooles Gefühl! Nach dem ersten Akkord war auch gleich die Aufregung verschwunden, als wir gesehen haben, wie die Leute mitgehen - war also eine prima Sache! Uns bedeutet das auch ne riesen Menge, weil wir auch als 12-jährige Kids hier schon auf das Festival gestiefelt sind und dann selber mal hier zu spielen, das hätten wir uns vor ein paar Jahren nie träumen lassen . 

Also spielt ihr schon gerne auf großen Bühnen? Oder würdet ihr doch lieber drüben im Zelt spielen, wo es familärer und auch härter zugeht?

Ja, es ist schon OK, ein paar mal im Jahr auf ner großen Stage zu spielen, um das halt in seiner Vita festzuhalten und auch das Festival-Feeling mitzubekommen, aber auch um mal andere Leute zu erreichen. Aber nur solche Sachen und dann auf die Clubshows verzichten... nee, dann würd ich auf jeden Fall immer die Clubshows wählen, weil man da einfach bei unserer Musikrichtung viel mehr von der Energie rüberbringen kann. Und wenn Verspieler nicht so wichtig sind und es mehr um die Power geht, dann sind Clubs viel, viel besser. Das kommt uns eigentlich auch mehr entgegen. Wir sind halt nicht Slayer oder so. 

Ihr werdet ja ganz gerne in die Metalcore-Schublade gesteckt, kommt aber eigentlich aus dem Hardcore. Hat sich durch eure letzte Scheibe, mit der ihr mehr in Richtung Metal gegangen seid, im Publikum am Verhältnis zwischen Hardcore und Metal-Kids etwas verändert?

Na, ich weiß gar nicht so sehr, ob wir mehr in Richtung Metal gegangen sind. Ich denke eher, dass die ganzen Metalbands, wie zum Beispiel In Flames oder so, viel mehr moshigere Parts eingeflochten haben und deshalb kann man das auch gar nicht mehr so voneinander unterscheiden. Es kommen auf jeden Fall mehr Metaller als früher zu unseren Shows, aber ich denke, da haben Bands wie Hatebreed oder Killswitch Engage einige Türen geöffnet, indem sie die Metaller auch für neue, aggressive Musik begeistert haben. Also das kann man schon sehen, dass viel mehr Metaller jetzt auch auf solchen Shows sind, auch Clubshows und so. 

Fühlt ihr euch denn in beiden Szenen wohl oder wird eine von euch doch noch bevorzugt?

Nee, das ist eigentlich kein Problem. Mittlerweile sind das fast alles eh gemischte Shows. Selbst wenn man in einem reinen Metal-Club spielt, tauchen da auch Hardcore-Kids auf und heutzutage hören so viele Leute alles Querbeet, das ist also gar nicht mehr alles so schlimm. Ganz früher ist bei Metalshows mal der ein oder andere Bierbecher auf die Bühne geflogen, aber ob das dann Begeisterung oder Entgeisterung ist, kann man dann auch nicht so festlegen (lacht). 

Wenn man Bands wie Caliban, Fear My Thoughts oder Maroon betrachtet, siehst du in der deutschen Szene einen Boom was Metalcore angeht?

Ja, ich denke schon, es ist ein Boom da. Aber ich bin froh, dass du das Wort "Trend" nicht benutzt, weil das sind ja alles Bands, die schon seit Jahren richtig hart arbeiten und auch gewachsen sind, da das absolut eine ehrliche Musikrichtung ist. Ich denke, es wird wie beim Death Metal Anfang der Neunziger sein, dass es zwar einen Boom gibt, auch ne Spitze, die Musik aber nie ganz verschwinden wird wie es beim Nu Metal ist oder so. Wer interessiert sich da noch für? Es gibt sogar paar Nu Metal Bands, die jetzt auf die Metalcore-Schiene aufspringen. Der Metalcore selber wird sich nicht so verhalten. Aber Metalcore ist schon modern zur Zeit. Die ganzen größeren Bands werden von größeren Labels weggesignt, es kommen auch viele jüngere Kids zu den Shows und da kann man schon von einem "Boom" sprechen. Aber es ist schön zu sehen, dass trotzdem die Hardcore-Basis immer noch festhält an der Musik und deshalb würde ich nicht von einem "Trend" sprechen. 

OK, aber im Gegensatz zum Nu Metal ist ja Metalcore noch einen Zacken aggressiver und hat auch noch ein gewisses Underground-Feeling...

Ja, aber erinner dich, Nu Metal war am Anfang auch wahnsinnig aggressiv und ist dann mehr oder weniger zu Nu Rock gemacht worden. Ich weiß nicht ob es mal Metalcore mit starkem Emo-Einschlag geben wird...will ich nicht hoffen (schmunzelt)... 

Glaubst du dann, dass dieser Stil das Potenzial hat in den deutschen Charts ganz hoch einzusteigen?

Mmh, ich denke nicht höher als bekannte Metalbands. Es wird keine Megaseller wie Korn geben, ohne dass Bands vollkommen kommerziell werden, aber da kann man dann auch eben nicht mehr von Metalcore sprechen. Es wird über den Status von den großen Metalbands nicht hinausreichen, weil man ganz einfach ein Publikum, das größer ist als das Metalpublikum, auch mit Metalcore nicht erreichen kann, denke ich. 

Nagut. Kommen wir mal auf euer Album "Antigone" zu sprechen. Was glaubst du, ist das Besondere daran, dass es so bombig bei Fans und Presse eingeschlagen ist?

Meiner Meinung nach, war da noch so ne Art Überraschungseffekt vorhanden. Ich glaube, wir haben auf der CD einen ziemlich fetten Sound erwischt und es geht auch ganz gut in die Fresse. Du weißt ja, wenn du von ner Band nicht viel erwartest oder du hast den Namen noch nie gehört und du legst die Scheibe in den CD-Player ein und auf einmal walzt es dann doch ganz gut - so selbstbewusst bin ich, ich denke, so ist es mit der CD (schmunzelt). Da kommt dann eben der Überraschungseffekt zum Einsatz und der lässt einige Leute ziemlich euphorisch werden, da sind wir auch ganz froh drüber. Das wird sicherlich beim nächsten mal nicht so einfach. Das ist nunmal dieser Effekt. 

Gibt es auch Feedback von anderen oder größeren Bands? Wisst ihr, was die über euch so denken?

Och, es gibt da eigentlich keinen Neid. Bands wie zum Beispiel Caliban, das sind unsere besten Kumpels, wir haben ja schon eine Split-CD mit denen gemacht und arbeiten schon so lange zusammen. Deshalb ist es auch eher schön zu sehen, wenn es bei den anderen ganz gut läuft, wie auch jetzt bei Maroon. Man freut sich halt gegenseitig ohne Konkurenzdenken oder so. Und das jemand eine Band geil findet heißt ja nicht, dass er sie ein Leben lang hört und nichts anderes. Im Gegenteil, wenn jemand Caliban cool findet, wird er am ehesten bei einer Band wie Maroon oder Heaven Shall Burn ein Ohr riskieren. Von daher... 

Verspürt ihr mittlerweile so etwas wie Erfolgsdruck, durch den unerwartet großen Erfolg der neuen Platte? Gerade auch, weil ihr jetzt bei einer größeren Plattenfirma (Century Media, Anm. d. Verf.) unter Vertrag steht.

Nein, überhaupt nicht. Es war von Anfang an der Deal, dass wir unsere Unbeschwertheit beibehalten und machen, was wir wollen. Das ist auch, was uns ausmacht. Wenn wir auf der Bühne stehen, dann wissen die Leute, dass wir zu hundert Prozent auf den Abend gewartet haben und mit Spaß an die Sache rangehen. 

Trotz Erfolg, trotz größerer Plattenfirma seht ihr euch noch immer nicht als professionelle Künstler, die nur für die Musik lebt...

Nein, wollen wir auch gar nicht! Wir wollen keine Musik machen, um unsere Miete bezahlen zu können oder irgendwas. Und unter uns, ein Musikerleben ist auch ziemlich stumpf. Es ist eigentlich für Leute, die keine besonders hohen Ziele haben. Wenn man nicht gerade ein Rockstar wird, ist es schon ein ziemlich graues und hartes Leben. Bands die jetzt groß rausgekommen sind, wie In Flames zum Beispiel, die haben wahnsinnig dafür gearbeitet und haben jahrelang Scheiße gefressen. Wir für uns studieren alle, haben unsere Jobs und Musik ist fünfzig Prozent unseres Lebens, hundert Prozent unserer Freizeit aber eben nicht alles. Und das wollen wir uns auch beibehalten. 

Sagst du das jetzt vielleicht, weil ihr eine deutsche Band seid und man sagt, dass es deutsche Acts generell schwerer haben?

Kann ich nicht beurteilen, ich bin Deutscher und deshalb denke ich, es wird so sein. Ich weiß nur, Freunde aus Amerika oder Skandinavien haben da ein ganz anderes Denken, das stimmt. Also man ist da auf einem ganz anderen Level schon Profimusiker und zieht durch das ganze Land von Florida nach Californien. So eine Leichtfertigkeit herrscht auf keinen Fall bei deutschen Bands. 

Habt ihr denn denoch Ambitionen, was eine Tour als Supportact in den USA angeht?

Ja, im Herbst ist eine Tour geplant für drei, vier Wochen. Ist aber noch nichts Konkretes. Da hoffen wir mal, dass wir da auf ein cooles Ding aufspringen werden. Wer es wird, entscheidet sich erst im Laufe des Monats. Wird sicherlich lustig werden unser Erstes Mal dort. 

Noch mal zur Musik: Bei Metalcore denken viele Genre-Anfänger an harte, moshige Gitarren mit melodischen Refrains. Bei euch sind eher die Gitarren recht melodisch, dafür der Gesang nur an ganz wenigen Stellen clean. Wollt ihr das noch mehr ausbauen oder bleibt ihr da hart?

Och, das weiß nicht. Wir machen das, wenn es reinpasst. Wir merken sowas meistens erst im Studio. Wir schreiben die Songs nicht mit einer Tendenz zu nem cleanen Refrain, der da unbedingt drin sein muss, wie bei Killswitch Engage zum Beispiel, die das wahnsinnig drauf haben. Das ist aber nicht meine Art von Songwriting solche Sachen zu arrangieren, deshalb wird es das bei uns auch in Zukunft nicht verstärkt geben. Wir haben früher schon einen Song mit komplett cleanem Gesang gemacht. Also wenn, dann eher solche Sachen. Aber dieser Mischmasch aus Scream-Vocals und melodischem Gesangt ist nicht unsere Trademark. Meistens wird dieses Stilmittel auch zu gewollt eingesetzt. 

Wie wichtig ist es euch denn, dass die Fans eure Texte lesen und die Message registrieren?

Das ist wahnsinnig wichtig für uns! Wir sind ja keine Künstler wie Morbid Angel oder so, die ihre Musik als Kunst betrachten. Uns geht es wirklich darum ne Message zu verbreiten. Ich sag immer, unsere Musik ist eine Rakete und die Lyrics der Sprengkopf darauf. Es ist also wirklich 50-50. Uns bedeutet das super viel, dass die Leute die Texte lesen und ich bin auch sehr froh, dass die Leute nach den Texten fragen - mehr als man denkt. Das ist wirklich cool. 

Wenn ihr ihr euch also von der Musik kein Haus kaufen wollt, aber so viel Wert auf die Texte legt, ist es dann euer Hauptziel, etwas in den Köpfen der Leute zu bewegen, auch in Sachen Musikoffenheit?

Ja, auf jeden Fall! Uns geht es auch darum, den Leuten Spaß zu bringen und sie zum Nachdenken anzuregen, dabei trotzdem noch ein Lächeln und Augenzwinkern beizubehalten. Man muss nicht dunkel auf der Bühne stehen und etwas zu predigen. Die Leute kriegen schon den ganzen Tag von der Schule, ihren Eltern, der Freundin, dem Boss immer von oben einen draufgedrückt. OK, vielleicht nicht unbedingt von der Freundin... Es soll darum gehen, bei der Show Spaß zu haben und zu tanzen. Dann kann man auch viel einfacher eine Message platzieren, als wenn man das einfach nur so als Wahrheit von oben herablässt. 

Alles klar. Möchtest du noch etwas Abschließendes sagen?

Ja, wie gesagt, es würde mich freuen, wenn die Leute unsere Texte lesen und sich gerne in unser Gästebuch eintragen. Danke schön. 

Danke auch!