PJ Harvey & John Parish - A Woman A Man Walked By





Stil (Spielzeit): Experimenteller Indie-Rock (38:07)
Label/Vertrieb (VÖ): Island Records/Universal (27.03.09)
Bewertung: 7/10
Link(s): http://www.pjharvey.net
http://www.myspace.com/pjharvey

Sage und schreibe zwölf Jahre nach dem ersten Kollabo-Album haben sich POLLY JEAN HARVEY und JOHN PARISH erneut für ein gemeinsames Projekt zusammen getan, das nun endlich draußen ist und den passenden Titel „A Woman A Man Walked By" trägt. Bereits 1996 beglückten die beiden die Fangemeinde mit dem ausgefallenen „Dance Hall At Louse Point". „A Woman..." stellt nunmehr auch das neunte Studio-Album der wandelbaren Sängerin und Texterin PJ HARVEY dar.

Genauso wandelbar wie die mal verstörend, mal verletzlich-schön gesungenen Gesangspassagen von PJ, gestaltet sich auch die Instrumentierung der zehn Songs, welche allesamt aus der Feder von JOHN PARISH stammen. Parish und Harvey kennen sich bereits seit ihrer gemeinsamen Zeit in der Band AUTOMATIC DLAMINI, in der PJ erste Erfahrungen als Sängerin machen konnte. Bis zu ihrem Weggang 1991 übernahm sie zusätzlich das Saxophon; John löste die Band kurze Zeit später auf und konzentrierte sich auf seine Karriere als Produzent und Songwriter. Der Kontakt der beiden Musiker riss jedoch in den Nachfolgejahren nicht ab, verstärkte sich sogar indem John immer wieder beratend zur Seite stand, wenn PJ an einem neuen Album arbeitete. Unter anderem war er als Co-Produzent an „To Bring You My Love" (1995) und dem experimentellen Kritikererfolg „White Chalk" (2007) beteiligt.

Bereits in der letzten Produktionsphase von „White Chalk" im Sommer 2006 stieß Harvey auf einen nicht verwendeten Song aus der Feder Parishs namens „Black Hearted Love", der es nun als Opener auf „A Woman..." geschafft hat und auch die erste Single-Auskopplung darstellt. Dieser zeigt sich im Vergleich zu den eher introvertierten Songs auf „White Chalk" überraschend geradlinig und eingängig. Mit straighten Riffs und einem melancholischen, hall-getränkten Gesang Harveys ist er vielleicht noch am einfachsten verdaulich. Die restlichen Stücke sind oft vertrackt und undurchsichtig, pendeln zwischen psychotisch-verrückt und schaurig-schön. Während sie wie bereits erwähnt von Parish geschrieben wurden, steuerte Harvey Texte und Gesang bei. Die Musikerin hat nach eigenen Aussagen "ganze Bücher voll mit Songtexten"; aus diesem Fundus bediente sie sich auch hier. Unterstützt wurden die beiden bei den Aufnahmen von Harveys Kollegen Eric Drew Feldman, Carla Azar und Giovanni Ferrario.

Chaotisch und überraschend zugleich gibt sich musikalisch als auch gesanglich der Titelsong „A Woman A Man Walked By": Zu Beginn fast aggressiv, geht er anschließend in den zweiten instrumentalen Teil „The Crow Knows Where All The Little Children Go" über, welcher sich eher psychedelisch gibt. Überhaupt sind es zahlreiche Tempi- oder auch Stimmungswechsel innerhalb der Lieder, die aufs Erste etwas verwirren, im Nachhinein jedoch ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Denn altbewährte Strukturen und Arrangements sucht man auf „A Woman..." teilweise vergebens; die beiden Musiker machen sich oft genug daran, eben jene Strukturen aufzubrechen und durch die künstlerisch autonome Zweiteilung Musik/Gesang einen fast schizoiden Charakter zu erreichen. „A Woman..." ist somit oftmals leise, melancholisch und zurückhaltend wie etwa „Soldier", der sich auch auf „White Chalk" hätte wiederfinden können. Oder dreckig und fast psychopathisch wie das folgende „Pig Will Not", in dem PJ neben dem begleitenden Gitarren-Geschrammel einen übersteuerten und wütenden Gesang zelebriert.

Die beiden Musiker haben mit diesem Album erneut ein interessantes und schwieriges Werk abgeliefert, dass aufgrund dessen Komplexität einige Zeit benötigt, um vollends zu gefallen. Falls es bis zur nächsten Kollaboration der beiden wieder zwölf Jahre dauern sollte, hat man allerdings genügend Zeit, sich mit dieser Platte eingehend zu beschäftigen - und diese zu würdigen. Eine beiläufige Auseinandersetzung würde dem künstlerischen Anspruch dahinter nicht gerecht werden; diesen bestreiten PJ HARVEY und JOHN PARISH zumindest vehement.

 

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