Gekonntes Songwriting für große Gefühle
Über ungefähr 20 Minuten und fünf Songs hinweg entführt "Letters To The Lost" Hörer:innen in atmosphärische Klangwelten. Der Opening Track "Naive" bietet ein ebenso ätherisches wie wuchtiges Intro in Grungegaze-Manier, gefolgt von Perkussion und einem ruhigen Riff, über das sich die Leadvocals stimmig schmiegen. Spätestens wenn die Backing Vocals und Harmonien einsetzen, ergibt sich hier ein stimmungsvolles großes Ganzes, das einen auf den Rest der EP vorbereitet, selbst wenn man hier das starke Shoegaze-Outro außen vor lässt.
"Deflection" und "Widow" sind etwas ruhiger. In ersterem stehen zunächst die Vocals im Vordergrund und werden von den treibenden Drums und ruhigen Riffs getragen, bevor die Instrumentation in der zweiten Hälfte des Songs in den Vordergrund rückt. In "Leech" hingegen treffen eingängiger Gesang und ein wuchtiges Grunge-Riff aufeinander, wobei verspielte Shoegaze-Einlagen eine perfekte Balance aus der Energie und Atmosphäre beider Genres schaffen.
"Balcony" wiederum ist eine Hymne, die sich zunächst in Form anschwellender Instrumentals aufbaut und in ihrer zweiten Hälfte zur Entladung kommt. Insbesondere der Opener bietet euch jedoch einen guten ersten Eindruck von der Veröffentlichung.
Die EP baut auf dieselben Stärken wie das vorherige Album der Band: die energetischen Seiten von Grunge und Shoegaze. Das Ergebnis wirkt durch seine Kürze aber etwas konzentrierter. Auf weniger Raum deckt die Gruppe die gleichen Stärken des Vorgängers ab, konzentriert sich im Vergleich aber noch etwas mehr auf einen stimmungsvollen und atmosphärischen Sound, der die lyrischen Leitmotive des Gesamtwerkes passend zur Geltung bringt.
Liebe, Kummer, Trauer
Lyrisch dreht sich die EP stark um zwischenmenschliche Beziehungen, insbesondere die Vergänglichkeit von Liebe, aber auch Verluste. So geht es in "Naive" um eine zerfallene Beziehung der Sängerin mit einer anderen Frau. Diese ging in die Brüche, da die Familie der letzteren ihre gleichgeschlechtliche Beziehung nicht tolerieren wollte:
“Coax you out of your skin
A skin that you felt safe in
Your family
Never wanted me around
'Cause I was proof to them
You aren't their angel
(Aren't their angel)”
Auch in "Widow" wird dieses Motiv aufgegriffen, jedoch in einer extremeren Form, da es sich um eine durch den Tod verlorene Liebe handelt, wobei das Leitmotiv der EP passend zu Ende gedacht wird. Die melancholischen bis nostalgischen Texte passen gut zum etwas ruhigeren Sound der Veröffentlichung und überzeugen beim wiederholten Hören durch ihre persönliche und aufrichtige Komponente.
Fazit
Mit “Letters To The Lost” liefern PRESENT ein stimmungsvolles und energetisches Shoegaze- und Alternative-Release ab, das etwas gediegener daherkommt als das vorherige Album „Silver Lining“. Das neue Material entwickelt dabei dessen Stärken, atmosphärische und energetische Songstrukturen, durch verfeinertes Songwriting weiter. Fans der Bands können also getrost zugreifen, aber auch neue Hörer:innen und Fans der Genres sollten hierbei auf ihre Kosten kommen.