Pantaleon - Virus Tipp

Pantaleon - Virus

Liebe Leser, jetzt müsst Ihr alle stark sein, denn Ihr müsst Eure mühsam erstellten Jahres-Top-10 Listen alle erneuern. 
Hier kommt nämlich das definitive Album des Jahres 2017 für alle, die sich mit Progressive Rock / Metal befassen. Isso – und ich verrate Euch auch, warum.

Dieses Album ist ganz ausgezeichnet komponiert und enthält sehr viele Einwürfe, Zitate, Breaks sowie überraschende Spielereien. Natürlich gibt es auch Anleihen aus der Klassik, und alles ist sensationell miteinander verbunden.

Eine Einordnung ist recht einfach – es ist progressive Musik. Ob es sich nun um Rock oder Metal handelt, liegt im Ohr des Hörers. Wenn ich Vergleiche benennen soll, komme ich nicht umhin, die Großen zu nehmen: Dream Theater aus der Frühphase, Spock's Beard – also härter als Genesis, Marillion und Pink Floyd, aber dennoch sehr facettenreich.
Rush aus der Keyboardphase wäre auch noch erwähnbar. Die Musik ist erscheint eher gitarren- als keyboardorientiert, was im Gesamteindruck wohl an der erstklassigen Saitenarbeit und den wunderschönen Soli von Guitarhero liegt.
Doch darf die Keyboardarbeit keineswegs unterschätzt werden. Das zeichnet ja Komponist und Akteur gleichermaßen aus, wenn Subtilität und nicht Aufdringlichkeit vorherrscht.

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Bei den Kölnern handelt es sich um perfekte Musiker – Bass, Gitarrensoli und Gitarrenrhythmik sind 1a und der Gesang ist große Klasse. Leider kann der Sänger der CD-Aufnahme nicht weitermachen; hier hat er eine Riesenvorlage für Till hinterlassen. Die Drums sind intensiv und abwechslungsreich und die Keyboardpassagen bilden mal die absolute Sahne obendrauf oder agieren als Fundament rerspektive Verbindung.

ERDE an MENSCH – Geh'

Die Storyline des Albums ist einfach: Ein Virus rottet Menscheit aus und (mal etwas anders), die Erde überlebt, hat sich sozusagen von der Plage Mensch befreit und versucht es noch mal von vorne.
Als ich mit Sebastian darüber sprach und meinte, hier ein durch und durch positives Album zu haben, welches toll anzuhören ist und Spaß macht, musste er dann doch lachen.
Nach seinen bisherigen Feedbacks fragten die meisten, warum das Album so negativ geworden ist.

Die Auflösung war leicht, mein Bezug und die Annäherung bis dato war ausschließlich die Musikebene – die auch als ein gewollter, herrlicher Kontrapunkt zum zugegebenermaßen nicht megasympathischen Thema steht. Ein gutes Beispiel dafür, wie sich bei dem Transport eines Themas die Ebenen Musik und Text auswirken können.

Warum ist VIRUS bei mir die Nummer 1 in 2017 und eines der besten Alben der letzten Jahre?

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen. Jeder Track hat seine Story, seine Melodie, seine Hookline, seine Rhythmen, seine Dramatik und das in jedem Fall auf hohem Niveau umgesetzt. "Virus" lässt sich gut als Album durchhören, was sich empfiehlt, um die Story aber auch die eine oder andere musikalische Verknüpfung zu entdecken. Zu jedem Stück könnte man vieles sagen, so interessant und inhaltlich gespickt sind sie. Das Hauptthema taucht noch hie und da auf, ohne jedoch auch nur annäherungsweise eine Kopie des Tracks zu sein, sondern perfekt integriert in die jeweilige Umgebung.
Man kann die Tracks aber auch für sich hören – und da gibt es keinen Ausfall oder Abfall.

Abwechslungsreich, perfekt komponiert und ausgezeichnet dargeboten

"The Condemned" ist ein gutes Beispiel, der kürzeste Track mit 4:00 Minuten. Er startet als straighter Knaller mit einer simplen und coolen Gitarrenlinie, um dann nach 20 Sekunden zu verstummen und Streicher samt Sehnsuchtsstimme erklingen zu lassen. Dann geht es wie zuerst erwartet weiter, Köpfe und Füße wippen und in der zweiten Hälfte taucht wie aus dem Nichts dann eine dieser mit Harmonie getränkten Passagen auf, die einen "ohnmächtig" werden lassen. Doch nur ein Mal, diese Idee wird eben nicht platt gewalzt und hält so Spannung und Niveau ganz oben. Absolute Klasse.

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Jedes Stück hat einen feinen Anfang. Vielleicht gedacht für die Generation der "Trackanspieler" sind die ersten 30 Sekunden stets so interessant, dass wohl niemand wegskippt. Und jeder Track hat ein Ende – und es sind nicht die üblichen, auch hier hat sich Pantaleon stets Gedanken darum gemacht, einen sauberen Abschluss zu produzieren.
An beidem merkt man deutlich, wie hochwertig hier komponiert und gespielt wird. Fade-outs sind ja zum Glück selten geworden; ein schönes und interessantes Ende hat eben etwas.

Das ganze Album hat eine ganz hohe musikalische, harmonische Fertigkeit aufzuweisen. Akkordfolgen allerfeinster Art, schön entwickelt, sauber weitergesponnen und die Highlights auf den Punkt nuanciert.
Dazu dann noch die kleinen Einwürfe (wie z.B. in "Wake Up") die das Ganze garnieren – in dieser Disziplin würde jeder Musikprof nur summa cum laude geben können.

Das Album des Jahres 2017

"Virus" ist eingerahmt von den den Longtracks "Virus" und "Recovery", und doch überrascht die Vielfalt der "kurzen Knaller" wie "The Condemned" und "March of the Titans".
Diese Tracks sind keine 0815-Rocker, auch wenn es anfangs so erscheinen mag. Es sind genauso ganz feine Miniepen, mit Entwickung, Wendungen, Überraschungen und Dynamik.

Gleiches gilt für "Wake Up" und "Winter's Sun". Der Chorus des anfangs so unscheinbaren "Winter's Sun" klingt dann plötzlich nach KANSAS – um dann nach einem wunderschönen Gitarrensolo von einer Sekunde auf die andere wie in der Anfangslethargie zu enden.

Die Melodien auf "Virus" sind allesamt klasse, klar aber nicht so aufdringlich, dass sie dem Hörer beim dritten Durchgang zum Hals heraushängen. Schön ausgearbeitet, aber keine Endlosschleifen, genau richtig, um zu sagen: nochmal.

Natürlich steht Mastermind Sebastian am Bass auch dafür, dass gerade dieses Instrument aus dem häufigen (unterschätzen) Aufgabenbereich des Fundamentbereiters herauskommt. Das gestaltet die Musik eine ganze Ecke interessanter. Die Arrangements sorgen über die ganze Spielzeit immer wieder für Aufmerksamkeit; blitzsaubere und geschlossene Tracks mit immer wieder überraschenden Elementen. Ob es der Einsatz der klassischen Instrumente ist oder kleinere, klassisch und fast kirchlich anmutende Chorsequenzen, ein Triangel-Einwurf oder die Sounds der Gitarren und Bässe: Dieses Album lässt den Hörer von einem Wow zum Nächsten treiben.

Ganz, ganz, ganz großartig – 10/10 Punkte und mein Album des Jahres.

Mitglieder der Band

Patrick Sühl (Vocals)
Xaver Schiffels (Guitar)
Sebastian Heuckmann (Bass)
Kevin Kott (Drums)

Tracklist:

  • Virus
  • Wake Up
  • The Condemned
  • Slaves to Ourselves
  • March of the Titans
  • The Only One
  • Winter's Sun
  • Recovery

 

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