Toxpack - Epidemie

toxpack

 

Stil (Spielzeit): Punk / Streetcore (50:36) Label/Vertrieb (VÖ): I Used To Fuck People Like You In Prison Records (24.08.09) Bewertung: 8 / 10

Link: http://www.myspace.com/toxpackstreetcore


Oi oi oi... Endlich mal wieder so ‘ne richtig schöne Strassen-Punk-Scheibe, deren 12 regulären Tracks man nachts auf dem Heimweg aus der Stammkneipe in einer Lautstärke zu gröhlen verleitet ist, die einem auch noch das letzte bisschen Sympathie der spießigen Nachbarschaft entzieht. Gleich der Opener „Kopfbohrer“ wird wohl jeden wahren Freund der harten, deutschen Musikszene mit seinem von Glatze, Iro oder langen, fettigen Haaren gekrönten Kopf nicken lassen. Erhebt die Astra-Knollen, so weit es die Lederjacke zulässt, und seht zu, dass Ihr morgen heiser aufwacht!

Also wer sich jetzt immer noch nicht angesprochen fühlt und auch mit den ONKELZ nicht das Geringste anfangen kann, der wird wohl an „Epidemie“ wenig Freude haben. Doch diejenigen, welche rotzigen Street-Oi-Punk’n’Roll-Core à la TROOPERS im Poesie-Album des besten Saufkumpanen unter „Musikgeschmack“ eintragen würden, sollten sich TOXPACK unbedingt mal reinziehen. Einhundertprozentig ehrlicher, sofort ins Ohr gehender, berlinerischer Streetpunk halt. Hier wird gegen verquerte Gesellschaft, massenverblödende Medien und allerlei sonstige Alltagsschikanen gewettert, wie es sich für derartige Bands gehört. Aber auch ein wenig zwischenmenschliche Verhältnisse und daraus resultierende Situationen dienten als Ansporn für die textlichen Verwirklichungen von Sänger und Songwriter Schulle. Ob jetzt gepöbelt, gefeiert, gewettert oder getrauert wird – eines haben alle Songs auf diesem nunmehr fünften Longplayer der Band gemein: absolutes Ohrwurmpotential!

Man stelle sich vor, die BÖHSEN ONKELZ wären textlich etwas weniger selbstverliebt und musikalisch eine oder zwei Stufen melodischer. Dann fehlt nur noch ein gehöriger Rock’n’Roll-Arschtritt und die rotzige Strassen-Attitüde des wahren Punks. Das ist TOXPACK. Wem wie mir die TROOPERS etwas zu dümmlich wirken, wenn auch deren „Gassenhauer“ immer wieder auf’s Neue durch die heimischen Boxen oder angetrunkenen Stimmbänder klingen, der ist hier richtig. Kurz: Wer einfach darauf steht, wenn simple Refrains auf eingängige Melodien treffen und von Aggressivität über Zusammenhaltsgefühl bis zur absoluten Party-Stimmung die wichtigsten Gemütslagen abgedeckt werden, der wird TOXPACK lieben!

Doch wem sag ich das? Wer sich mit derartiger Mucke bisher auch nur ansatzweise beschäftigt hat, dürfte an den fünf Berlinern eigentlich nicht vorbeigekommen sein. Seit ihrem Debutalbum „Stadtgeflüster“ von 2001 wurden im Zweijahrestakt Alben veröffentlicht, welche allesamt Perlen des Streetpunks darstellen. Dazu wurde mit Größen wie AGNOSTIC FRONT getourt und auf den wichtigsten Festivals in den Gefilden eine außergewöhnlich starke Präsenz gezeigt, so dass es eigentlich keiner weiteren Worte bedarf außer: Wer auf bisherige TOXPACK-Alben abgefeiert hat, kann auch bedenkenlos zu „Epidemie“ greifen, denn diese Art von Musik kann man kaum besser machen.

Wenn auch vom musikalischen Niveau her nichts Erwähnenswertes geleistet wird, so lässt doch die große Portion spürbaren Herzblutes jedes Anspruchs-Defizit in den Hintergrund rücken. Wer erwartet von einer Punkband denn spielerische Glanzleistungen? Niemand. Hier geht es nur um’s rübergebrachte Gefühl. Und das passt.

Sei es die Anti-DSDS-Hymne „Ohne mich“, das verhältnismäßig gefühlvolle und stark an die rechtschreibschwachen Brüder unserer Väter erinnernde „Für immer in mir“ oder der schwarzseherische Titeltrack – es bleibt stets bei „Anlage aufdrehen, mitgröhlen und feiern, bis DIE ÄRZTE kommen“. Besonders hervorzuheben sind auch die beiden Songs, für die das giftige Pack sich Verstärkung ins Boot geholt hat. Auf dem aggressiven „No remorse“ darf man Gary von PRO-PAIN lauschen, während Joost und Erik von DISCIPLINE sich auf der PS-Ode „Steig ein“ die Ehre geben. Abgerundet wird die Digipak-Version der Scheibe vom herausstechend rockigen „Schmutziger Pakt“, welches zwar im Vergleich zum Rest der Songs etwas gewöhnungsbedürftig ist, doch auf jeden Fall Rock and fuckin’ Roll...