Stil (Spielzeit): Artrock / Ambient / World Music (46:49)
Label/Vertrieb (VÖ): kscope / SPV (17.10.08)
Bewertung: 8 / 10
Link: http://www.kscopemusic.com/lunaticsoul/
http://www.myspace.com/lunaticsoulband
LUNATIC SOUL ist das Soloprojekt von Mariusz Duda, des Frontmanns der polnischen Prog-Band RIVERSIDE. Die hatte in den letzten Jahren mit ihrer „Reality Dream“-Trilogie völlig zu Recht für Aufsehen gesorgt.
„Solo“ heißt in diesem Fall, dass es sich um ein reines Studioprojekt handelt und dass er sich beim Einspielen seiner Ideen von zahlreichen Kollegen unterstützen ließ. Die Beteiligten sind:
Mariusz Duda - vocals, bass guitar, acoustic guitar, percussion; Maciej Szelenbaum - piano, keyboards; Wawrzyniec Dramowicz (INDUKTI) - drums, percussion; Michal Lapaj - hammond organ; Maciej Meller (QUIDAM) - e-bow.
Mit Michal Lapaj ist also auch ein weiteres Mitglied von Dudas Hauptband mit an Bord. Sicherlich ein gute Entscheidung, da Lapaj das in Prog-Kreisen eher seltene Talent besitzt, in die Tasten zu hauen ohne dem blanken Kitsch zu verfallen.
Und noch etwas fällt auf: Die Abwesenheit der bei unsereins so beliebten E-Gitarre!
Kommen wir zum Inhalt. Natürlich holt sich der Frontmann einer Band, die als Start in ihre Karriere ganz locker eine konzeptionelle Albumtrilogie auf die Hörer losließ, nicht Gastmusiker ins Studio und lässt sie einfach nur ein paar hübsche Tone einspielen. Das Thema des selbstbetitelten Albums dieses Projektes ist äußerst vital, um nicht zu sagen unsterblich: Der Tod. Dieser nette Geselle und mit Sicherheit einzige Besucher, der in seiner konsequenten Form wirklich jedem Menschen genau ein Mal über den Weg läuft, wird inspiziert, geröntgt, seziert und analysiert. Diagnose: Unstillbarer Hunger.
Nee Quatsch, in Wahrheit geht der nachdenkliche Herr Duda das Thema deutlich differenzierter an und wechselt zwischen verschiedenen metaphorischen und perspektivischen Herangehensweisen. Insbesondere aus den verschiedenen Lebensphasen und auch aus dem Sarg heraus wirft der Komponist und Texter einen Blick auf das Omega.
Anhand der Instrumentierung kann man schon ahnen, wohin die Reise in Sachen Sound und Stil geht. Nicht etwa in Richtung Metal, der ja seinen Teil zur Großartigkeit von RIVERSIDE beiträgt, sondern in Richtung des anderen „Trademarks“: Atmosphäre satt.
Dieses Vorhaben beginnt mit einem von leisen Sprachfetzen unterlegten Intro, was ja in diesem Genre niemanden überraschen wird. Aber wie in einer kleinen Vorschau werden schon mal Instrumente aus diversen Kulturkreisen eingeflochten. Dieser Ethnoansatz mit orientalischem Schwerpunkt durchzieht das ganze Album. Das überrascht etwas, war doch vor einigen Monaten ein eher elektronischer Sound angekündigt worden. Nun also ungemein warme Töne aus aller Herren Länder, aus denen meditative Geflechte entstehen. Deren Harmonie, Eleganz und Schönheit trügen jedoch. Schöne Tode sind bekanntlich selten. Deshalb lauert hinter den clever komponierten und mitunter üppig inszenierten Songs immer die ewige Schwärze – oder was immer man noch so alles in den Tod hineininterpretieren kann.
Beim ersten Eindruck ist es schade, dass Duda seine schöne Stimme kurzzeitig immer wieder (zu) sehr verfremdet oder im Hintergrund hält. Beim zweiten Eindruck jedoch mag man darin den Versuch zum Aufrechterhalten der Spannung sehen. Andauernd dieselbe Stimme in der gleichen Lautstärke im gleichen Sound wäre ja langweilig. Dann gibt es noch den dritten Eindruck. Den, den man vermisst. Das ist der wütende, schreiende Mariusz Duda, der auch harten Songs die Krone aufsetzen kann. Mangels harter Stücke erscheint diese spezielle Inkarnation auch bei gründlichem Lauschen nicht. Stattdessen hört man eine nachdenkliche Stimme, die abseits aller Rhythmusspielereien umspült von einem verdammt dichten und stimmigen Gewand aus Percussion und Melodien „What will survive of me?“ fragt.
Obwohl alle Songs von der bereits erwähnten meditativen Komponente durchzogen sind variiert der kompositorische Fokus ständig. Einige Songs scheinen auf Basis der teilweise recht ungewöhnlichen aber nie sperrigen Percussion oder der punktuell eingesetzten Bassläufe geschrieben worden zu sein. Andere scheinen Ausarbeitungen von Gesangslinien zu sein. Obwohl man alle Songs als ruhig bezeichnen kann, zahlt sich hier aus, dass der Kopf dieses Projektes ein echter Multiinstrumentalist ist und seine Gäste ohne Effekthascherei sinnig einzusetzen versteht.
Ist doch komisch: Da versuchen sich seit Jahrzehnten allerlei Pop- und Rockgrößen an der sogenannten World Music und dann macht ihnen ein polnischer Bassist vor wie’s geht.
Mariusz Duda serviert ergreifende Delikatessen zum Thema Tod in einem progressiven und modernen Ethnosound. Und vor allem bricht er in gewissem Maße aus dem Artrock / Prog / ProgMetal –Rahmen aus, den ihm die famosen RIVERSIDE gerade durch ihren Erfolg setzen. Wer allerdings die "Out Of Myself"-EP kennt, wird den typischen Duda-Vibe wiedererkennen.
Duda selbst beschreibt das Album so: „An oriental-trans-psychodelic-verbal-musical journey through the pitch darkness available only to those who have… a lunatic soul”. Klingt seltsam – passt genau.