Extreme - Saudades De Rock

Saudades de rock


Stil (Spielzeit): Hard Rock (67:04)

Label/Vertrieb (VÖ): Frontiers Records / Soulfood Music (01.08.08)

Bewertung: 8,5/10

Link: http://www.extreme-band.com

Da sind sie also wieder, dreizehn Jahre nach ihrer letzten Veröffentlichung haben es EXTREME geschafft, fast im Original Line Up wieder gemeinsam ein Album aufzunehmen und zu veröffentlichen. Fast deshalb, weil neben Gary Cherone (vocals), Nuno Bettencourt (guitars) und Pat Badger (bass) mit Kevin Figueiredo ein neuer Mann hinter dem Drumkit sitzt, und damit Paul Geary ersetzt. 
Nach der Trennung machten erst im Jahr 2004 einige Reunion Gigs in ihrer Heimatstadt Boston den Weg frei, sich langsam wieder anzunähern, was vor allem für das Songwriter Gespann Cherone/Bettencourt galt, die offensichtlich nach ihrer selbst verodneten Auszeit vor Kreativität nur so platzten, und für das Studio nicht weniger als 24 Songs geschrieben hatten, von denen es im Endeffekt 13 auf „Saudades De Rock“ geschafft haben, wenn man den Bonustrack für den europäischen Markt „Americocaine“ einmal nicht als neuen Song mitzählt, da er aus einer Session aus dem Jahr 1985 stammt, und damals nicht auf der dazugehörigen Demo erschienen ist. 

Eigentlich haben sich EXTREME gar nicht so sehr verändert, denn ihre Musik ist immer noch sehr anspruchsvoll, und einfache Hard Rock Songs der Marke „Ein fettes Riff und ab dafür“ sucht man auch auf „Saudades De Rock“ vergeblich. Aber um ehrlich zu sein, wäre Nuno Bettencourts Talent als Gitarrist damit auch mehr als verschwendet, denn bereits beim Opener „Star“ zieht er alle Register seines Könnens, und rockt auf verdammt hohem Niveau durch den Track. 
Garys Stimme klingt ein wenig rauer und bluesiger als früher, ist aber ganz klar als Gary Cherone zu erkennen, womit zwei der unverwechselbaren Trademarks der Band auch 2008 noch ihre Gültigkeit haben. 
Das EXTREME eine Vorliebe für funkige Elemente haben, hat sich auch auf der aktuellen Scheibe nicht geändert, den „Learn To Love“, „Run“, „Slide“ und „Sunrise“ sind Songs in aller bester EXTREME Tradition, die funkig, manchmal verfrickelt, und nicht immer sofort zugänglich sind. Manchmal hat man beim Hören gerade dieser Songs das Gefühl, als wäre eine Jam-Session einfach mal mitgeschnitten worden, und die einzelnen Musiker würden improvisieren was das Zeug hält. 
Und um ehrlich zu sein, ich wäre enttäuscht gewesen, wenn solche Songs nicht mehr dabei gewesen wären. 

Ein zweites „More Than Words“ ist nicht dabei, aber tolle Balladen können sie immer noch schreiben, wie zum Beispiel die Akustik Ballade „Interface“, bei der sich Garys Stimme förmlich ins Ohr schmeichelt, denn er ist einer der Sänger, die es immer wieder schaffen, die Stimmung eines Songs mit seiner gefühlvollen Stimme 100% zu treffen. Gleiches gilt für die vom Piano begleitete Halbballade „Ghost“, und für „Last Hour“, dass von einer unglaublich traurigen Grundstimmung lebt. Das bluesige „Peace (saudade)“, ebenfalls vom Piano begleitet und mit einem sehr schönen Gitarrensolo versehen, fällt auch in diese Kategorie, und ist für mich die stärkste Nummer des Albums. 
„Saudades De Rock“ aber jetzt nur auf die Balladen zu reduzieren, wären ein großer Fehler, auch wenn die größten kommerziellen Erfolge der Band Songs dieser Machart waren, denn zwischen diesen Songs verstecken sich noch einige Hard Rock Perlen, die es wirklich in sich haben. Das Country-mässig angehauchte „Take Us Alive“ gehört genauso dazu, wie das sehr nach LED ZEPPELIN klingende „Comfortably Dumb“, oder der gute Laune Rocker „Flower Man“, bei dem der Chorus mehr gesprochen als gesungen wird, und bei dem Nuno ein Gitarrensolo vom Stapel lässt, bei dem sich viele andere Gitarristen mit Sicherheit die Finger brechen würden. 

Fazit: EXTREME sind reifer geworden, klingen nicht mehr ganz so unbekümmert wie noch auf den letzten Alben, sind aber meiner Meinung nach qualitativ auf demselben hohen Level, und glücklicherweise in ihrer Art Songs zu schreiben genauso verspielt wie sie es früher schon waren. Einigen Songs musste ich tatsächlich mehrere Durchläufe gönnen, bis sie sich für mich erschlossen haben, aber dann haben auch sie mich in ihren Bann gezogen. 
Die Tracks auf „Saudades De Rock“ nehmen nicht immer den kürzesten Weg, sondern auch gerne mal ein paar Umwege, aber zum Ziel kommen sie letztendlich alle.

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