Geschrieben von Donnerstag, 08 Juli 2004 21:28

Anthrax - Interview mit Schlagzeuger Charlie Benante zu 'We've Come For You All'

Anthrax Band

Erfolg auch ohne Mainstream

Jeder, der mit Heavy Metal aufgewachsen ist, ist auch ein Stück weit mit Anthrax und ihren Innovationen aufgewachsen. Die sympathische Band aus New York um Riffmeister und Glatzkopf Scott Ian gründete sich 1981, um zusammen mit US-Bands wie Metallica, Slayer oder Megadeth den harten Metal bis Anfang der 90er in kommerziell ungeahnte Höhen zu katapultieren. Nachdem die Thrash-Mitbegründer um die Jahrtausendwende in einem geschäftlichen wie auch musikalischen Tief steckten, knallte das aktuelle Album "We've Come For You All" (2003) umso stärker und frischer im neugeordneten Metalzirkus ein, mit dem sie Jung und Alt gleichermaßen bedienen konnten. Anthrax sind wieder dick im Geschäft! Höchste Zeit also die Jungs endlich mal bei Rock Am Ring spielen zu lassen und dabei Gelegenheit für burnyourears.de, Schlagwerker Charlie Benante um ein Geschpräch zu bitten.

Ihr seid in letzter Zeit sehr viel durch Europa getourt und habt hier auch einen großen Erfolg mit eurer aktuellen CD. Wo fühlt ihr euch momentan wohler - in Europa oder doch noch in den USA?
Ich denke, dass die Leute hier in Europa Hardrock und Metal mehr zu schätzen wissen, als die Menschen in Amerika. Da gibt es einfach diese Masse an Fans nicht mehr, wie es sie einst mal gab. Es hat sich in Amerika viel verändert, auf dem alten Kontinent hingegen ist der Geschmack fast gleich geblieben. In den Staaten könnte man so ein Festival wie das hier nicht aufziehen. 

Aber ist es nicht ironisch, dass ihr auf der Talent Stage mit dem Titel "The new heroes of tomorrow" spielen müsst?
Mmh, ich glaube, die nennen das einfach nur so. Hier spielen Bands, die schon lange angesagt sind, wie zum Beispiel In Flames. Es ist mir aber auch ziemlich egal. Wir spielen überall. Die werden den Namen eh bestimmt noch ändern. 

Anthrax haben zusammen mit Megadeth und Metallica angefangen und mit dafür gesorgt, dass harter Metal zu einem Erfolgsrenner wird. Wie beurteilst du eure Entwicklung im Vergleich zu den anderen Bands?
Metallica sind gigantisch groß. Sie sind eine Mainstream-Band und ich denke wir haben dieses Mainstream-Feeling schon vor Jahren verloren. Wir haben uns wieder mehr den Basics zugewendet. Wie du weißt, haben sich Megadeth aufgelöst, aber ich halte sie trotzdem für eine tolle Gruppe. Ich hab mitbekommen, dass sie wieder was Neues starten wollen. 

Du hast es ja schon angesprochen. Die Zeiten sind härter geworden für Anthrax in den Staaten. Ist der Nu Metal schuld oder seid ihr vielleicht einfach zu alt für die Kids?
Ich würde sowas nicht am Alter festlegen. Das ist kein Argument. Ich mag das nicht, wenn Leute das so begründen. Es gibt kein Alterslimit für Musik. Schau dir die Rolling Stones an, die machen noch ewig weiter. Wenn die etwas machen wollen, hat irgend jemand was dagegen? Wenn Leute zu deinen Konzerten kommen, heißt das, sie wollen dich sehen, kaufen sie deine Platten, wollen sie dich hören. Ich verurteile den Nu Metal überhaupt nicht. Es ist ein Kreislauf, alles geht hoch und runter, kommt und geht. Das Seltsame ist ja, dass unser Publikum ganz und gar nicht alt ist, sondern sehr gemischt. Das mit dem Alter trifft also nicht zu. 

Was ist dann deiner Meinung nach in Amerika passiert?
Was passiert ist in Amerika, ist, dass sich jede Combo, die Hardrock oder Metal gespielt hat, sich irgendwie veränderte. Wenn du also etwas nicht ständig siehst, verlierst du das Interesse daran, weil du nicht mehr weißt, ob es die Sache überhaupt noch gibt. Headbanger's Ball zum Beispiel war damals ein riesen Ding, deshalb haben sie es letztes Jahr wieder auf den Bildschirm gebracht, aber es ist trotzdem nicht so wie früher. Alles verändert sich. Das ist der Lauf der Dinge. 

Ihr seid ja alte Veteranen. In ein paar Worten, wie war die Situation für Metal 1984, 1994 und heute, 2004?
Oh, 1984 war ein grosses Jahr. Zu der Zeit kam unser erstes Album raus. Metal war gerade dabei, so richtig durchzustarten. Wir haben damals zusammen mit Metallica und Slayer die ganze Szene begründet. 1994 hatte Alternative seine Finger im Spiel. Es hat dem Hardrock überhaupt nicht gut getan. Dann fing das Ganze an mit Rap-Metal und wurde immer erfolgreicher. Da hat sich vieles verändert. Und nun ja, 2004 ist alles möglich. 

Alles in Allem, würdest du "We've Come For You All" als ein Comeback, wie ihr ihn euch vorgestellt habt, bezeichnen?
Die Sache ist, dass ich das gar nicht als Comeback betrachte, sonder einfach als unser nächstes Album. Ich bin natürlich sehr zufrieden mit dem Ergebnis und wie es sich für uns entwickelt hat. Das Feedback und die Kritiken sind super. Ich wünschte mir, dass Amerika ein bißchen so wäre wie Europa, aber so ist es nun mal nicht. Vielleicht beim nächsten Mal. 

Ihr plant eine DVD namens "Music Of Mass Destruction". Was hat es damit auf sich?
Es ist eine geniale DVD geworden. Die Show für die Aufnahmen der DVD fand in Chicago statt, was mein Lieblingsauftrittsort ist, weil da das Publikum immer so energetisch und euphorisch abgeht. An diesem speziellen Abend lief alles richtig. Wir waren danach superglücklich, dass wir dieses Happening auf Tape bannen konnten. Ich glaube, die DVD kommt hier Ende Juli raus. Geile Show, gutes Feeling, einfach eine tolle Live-DVD. 

Ich hab da noch was von wegen "Metallus Maximum" gelesen. Wobei handelt es sich da?
Jap, das ist ein Album, das wahrscheinlich noch in diesem Jahr erscheint, mit alten Songs von uns, über die unsere Fans abgestimmt haben und die wir dann neu einspielten. Cooles Ding. 

Wenn du dir eine Band aussuchen könntest, von wem würdest du dir ein Anthrax-Cover wünschen?
Uh, keine Ahnung. Etwas von Sum 41 wäre lustig. Die sind große Fans von uns. Oder vielleicht Lost Prophets. Leider hab ich die vorhin verpasst. Wir sind zu spät hier eingetroffen. 

Was ist mit Avril Lavigne? Sie macht doch immer einen auf Rock-Chick. Was würdest du sagen, wenn sie ein Shirt von Anthrax tragen würde?
(lacht) Keine Ahnung, ich fänd das wohl ganz cool, obwohl ich bezweifle, dass sie wirklich unsere Songs kennt. Ich bin nicht mehr der Metal-Richter, wie ich es in meinen jungen Jahren mal war. Bei manchen Dingen, speziell Musik, werde ich schon mal wütend, weil ich Musik so liebe, aber ich seh die Dinge trotzdem nicht mehr so eng. (überlegt) Seien wir doch mal ehrlich, all diese Kids, die Punkrock spielen, wissen eigentlich gar nichts über Punkrock. Aus meiner Sicht sind die ganzen neuen Punk-Bands so happy, und poppy. Das mag ich nicht, das ist für mich kein Punkrock. Punkrock war mal Underground, weil es kritisch war, einfach ein Feeling, ein Vibe und nicht ein Verkaufsmittel. Punkrock war sehr independet, aber wenn du viel davon verkaufst, gibt es doch ein Problem, oder? Jeder will damit das fette Geld machen. Sehr schade. 

Wo siehst du Anthrax in fünf oder zehn Jahren?
Keine Ahnung. Die Sache ist, wir lieben Musik und das, was wir tun sehr. Ich könnt hier 24 Stunden sitzen und über Musik reden. So lange es etwas gibt, dass ich liebe, möchte ich so weiter machen. Es gibt auch Tage, an denen ich kein Bock habe zu spielen, aber am nächsten bin ich wieder heiß drauf. 

Und willst du heute spielen?
Frag mich das um 00.59 (lacht)