Geschrieben von Donnerstag, 08 Februar 2007 08:36

Europe - Bochum / Matrix


europe_live03


Link: www.europetheband.com

07.02.2007 -  Eines kann ich direkt vorweg nehmen. Alle, die sich an diesem Abend dazu entschlossen haben, sich lieber das Testspiel unserer Elitekicker gegen die Toblerone essenden Eidgenossen anzusehen, als nach Bochum in die MATRIX zu pilgern, um sich EUROPE rein zu pfeifen, haben definitiv etwas verpasst. Obwohl ich allerdings auch bezweifele, dass es noch Restkarten gegeben hat, denn die Halle war mit geschätzten 800 Fans proppevoll. 
Mit ihrem neuen Album „Secret Society“ haben die fünf sympathischen Schweden ja auch ein gelungenes Album am Start, zwar nach mehrfachen Hören nicht ganz so zugänglich wie das Comeback Album „Start From The Dark“, aber immer noch weit über den Veröffentlichungen so mancher anderer Kapellen. Und so konnte man die Rahmenbedingungen für diesen Abend nur als perfekt bezeichnen. 

Da EUROPE auf eine Supportband verzichteten, enterten sie selber mit einer ca. dreissigminütigen Verspätung die Bühne der MATRIX, um mit „Love Is Not The Enemy“ vom aktuellen Album direkt mal eine Duftmarke zu setzen. Die Mannen um Joey Tempest wirkten vom ersten Ton an äußerst spielfreudig und relaxed, und man konnte ihnen ansehen, dass sie schon einige Zeit unterwegs sind. Dementsprechend sah man auf der Bühne auch fast nur grinsende Gesichter von einer Band, die ganz offensichtlich jede Menge Spaß hatte. Mir hat vor allem Gitarrist John Norum imponiert, der ein ums andere mal zeigte, warum er bereits mit vielen der ganz Großen zusammen gespielt hat. Der Mann hat es echt drauf, und mehr als einmal klappte nicht nur mir bei seinen Soli die Kinnlade nach unten. 
Mit „Always The Pretender“ ging es weiter, wobei sich Joey hierfür ebenfalls die Gitarre umhängte. Allerdings muss ich bemerken, dass die neuen Tracks noch nicht so richtig zünden, und das Publikum zwar artig mit klatschte, aber trotzdem noch mit gebremstem Schaum agierte. 

Das änderte sich aber schlagartig, als mit „Superstitious“ der erste ältere Song intoniert wurde. Sofort waren alle Arme bis in die hintersten Reihen in der Luft, und es wurde lautstark jede Strophe mitgesungen. Es folgte „Seven Doors Hotel“, ein Track vom allerersten EUROPE Album, der aber trotzdem zu jedem Live Gig dazu gehört. Mir würde etwas fehlen, wenn dieser Song nicht dabei wäre, obwohl es noch nicht einmal so ein Knaller ist. 
Joey Tempest war ausgesprochen gut bei Stimme, und daran konnte auch die immer stickiger werden Luft in der Halle nichts ändern. Und dass er ein Entertainer der gehoben Klasse ist, braucht man wirklich nicht extra zu erwähnen. Wie er mit dem Publikum spielt und sie in die Show mit einbezieht, macht immer wieder aufs Neue Spaß. Und das Posen hat er definitiv auch nicht verlernt. Der Mann reißt den Mikroständer doppelt so oft in Luft wie DAVID COVERDALE, und das will schon was heißen. 
Es folgten „Let The Children Play“, laut Joey Ansage der Lieblingstrack der Band, und das starke „The Getaway Plan“, bei dem John Norum wieder mit seinem technisch hochklassigen und gefühlsbetonten Spiel extrem brillierte. Danach spielte John Leven ein kurzes Bassintro, das nahtlos in „Flames“ überging. Im Gegensatz zur Albumversion spielte er den Bass hier ziemlich funkig, was dem Song einen völlig anderen, aber durchaus interessanten Grundrhythmus verpasste. 

„Sign Of The Time“ wurde dann wieder frenetisch gefeiert und mitgesungen. Und auch wenn die Songs schon einige Jahre auf dem Buckel haben, rocken sie immer noch richtig gut ab. Danach wurden etwas ruhigere Töne angeschlagen. Nur mit der akustischen Gitarre bewaffnet stand Joey Tempest jetzt alleine auf der Bühne, um zuerst „Open Your Heart“ mit gewaltiger Unterstützung des Publikums zu singen, um dann ohne Pause direkt in „Carrie“ über zu gehen. Die zweite Strophe dieses Liedes wurde von den 800 Fans alleine gesungen, was ja mittlerweile auch schon zum Standardprogramm bei einem EUROPE Gig gehört. Trotzdem läuft einem da jedes mal wieder eine Gänsehaut über den Rücken. Die Ballade hat ja auch was. 
„Brave And Beautiful Soul“ kam als nächstes und verdeutlichte mal wieder, wie unterschiedlich ein Song klingen kann. Auf dem Album für mich eines der schwächeren Stücke, live aber ein echter Killer. Wahrscheinlich auch um selber mal durchzuschnaufen, folgte jetzt eine kurze Vorstellung der Band, an die John Norum ein atemberaubendes Gitarren-Solo hängte, das zum einen aus Hochgeschwindigkeitspassagen, zum anderen aus einem völlig bluesdurchtränkten Teil bestand. Auch wenn ich jetzt Gefahr laufe, mich zu wiederholen, aber EUROPE im Jahr 2007 tragen wieder einmal ein Stückchen mehr die Handschrift dieses genialen Gitarristen. 
Da das Intro von „Girl From Lebanon“ geradezu perfekt als Outro für ein Gitarren-Solo gemacht ist, zog John genau diesen Bogen. Der Song wurde dann auch wieder abgefeiert als gäbe es kein morgen. Überhaupt muss man sagen, dass die Fans es der Band an diesem Abend auch relativ leicht machten. Nach dem für EUROPE Verhältnisse richtig harten „Start From The Dark“ folgte „Yesterdays News“. 

Zwischen den Songs wurde jetzt vom Publikum immer lauter „Ready Or Not“ gefordert. Ich finde den Song zwar extrem gut, wusste aber wirklich nicht, dass er auf der Beliebtheitsskala so weit oben steht. Mit Sprüchen wie: „Da müssen wir jetzt erst ein Bandmeeting abhalten“, oder „Wir haben auch überlegt, ihn zu spielen. Vielleicht sollten wir noch eine Umfrage per Email machen“, hielt Joey die Menge immer wieder hin. 
Es folgte ein kleines Duell zwischen Joey Tempest, der mit einem Megaphon bewaffnet war, und John Norum. Das Mini Drum Solo von Ian Haugland, wie immer mit einer Sonnenbrille auf der Nase, beendete das Zwischenspiel. Ein wirklich euphorisch gefeiertes „Rock The Night“ beschloss dann den ersten offiziellen Teil des Konzertes. 

Logisch, dass niemand das Venue verließ, den bekannterweise gibt es nur einen Song, der ein EUROPE Konzert endgültig beendet. Die Umfrage per Mail sowie das Bandmeeting scheinen gefruchtet zu haben, denn mit „Ready Or Not“ kamen die fünf Schweden erneut auf die Bühne, und jetzt ging im Publikum richtig die Post ab. Das änderte sich auch beim nachfolgenden „Cherokee“ nicht, für mich auch ein „must play“ auf jedem EUROPE Gig. 
Und dann kam, was kommen musste. Das Keyboard Intro zum, meiner Meinung nach überbewertetsten EUROPE Songs überhaupt. Leider aber auch der Song, der sie weltweit bekannt machte, und von daher wohl seine Daseinsberechtigung erworben hat. Die Rede ist natürlich von „The Final Countdown“. Trotzdem rockte die Nummer anständig und war von daher wohl doch ein würdiger Abschluss für ein fast zweistündiges Konzert, das es echt in sich hatte und eine Band in Hochform zeigte, die es wirklich noch einmal wissen will. 
Und um noch einmal auf die Achtziger zurück zu kommen, in denen ja so ein kleiner Wettbewerb zwischen EUROPE und BON JOVI um die Gunst der Fans herrschte: In der Form und mit den Songs gucke ich mir zehn mal lieber EUROPE in einer kleinen, ausverkauften, stickigen und warmen MATRIX an, bevor ich mir BON JOVI in einer ausverkauften Arena ansehe. 

Einziger Wehrmutstropfen an diesem Abend waren die Shirt-Preise von 26€ aufwärts, die noch dazu ziemlich einfallslos aussahen (einmal der Bandschriftzug vorne und einmal das Albumcover), und zudem noch nicht einmal Tourdaten auf dem Rücken hatten. Aber das haben wohl Viele so gesehen, denn der Absatz der Teile hielt sich sehr in Grenzen. 
Aber man geht ja nicht fürs Shirt auf ein Konzert, und somit steht für mich als Erkenntnis fest: Beim nächsten Mal werde ich wieder dabei sein. 

Setlist: 

Love Is Not The Enemy 
Always The Pretender 
Superstitious 
Seven Doors Hotel 
Let The Children Play 
The Getaway Plan 
Bass Solo 
Flames 
Sign Of The Times 
Open Your Heart 
Carrie 
Brave And Beautiful Soul 
Guitar Solo 
Girl From Lebanon 
Start From The Dark 
Yesterdays News 
Rock The Night 
----------------------- 
Ready Or Not 
Cherokee 
The Final Countdown
Dirk

Musik: Hard Rock, Heavy Metal, Power Metal, Blues

Bands: Thin Lizzy, Gary Moore, Dio, Savatage, Bloodbound, Y&T, Edguy, Iron Maiden, Judas Priest, W.A.S.P.

Aktueller Dauerrotierer: Herman Frank - The Devil Rides Out